Kultur

August Zirner und Constanze Wächter in Lessings "Nathan der Weise". (Foto: Arno Declair)

30.01.2015

Werkgetreu inszeniert

Lessings "Nathan der Weise" im Münchner Volkstheater

Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint – das Stück heißt nicht Woody Allen und die Taliban. Obwohl da „Muselmanen“ mit Räuber-Hotzenplotz-Bart und Turban auftreten, die immer die Kalaschnikow im Anschlag haben. Dazu flackern undeutliche Filme von Reiterattacken über die rohe Wand im Hintergrund, und ewig ruft der Muezzin.
Der Gegenpol zu dieser martialischen Staffage ist ein Schlacks mit Brille, der als flattriger Stadtneurotiker daherkommt: Wenn August Zirner, Stargast dieser Aufführung, als wunderbar rätselhafter Nathan tänzelnd über die Bühne schlingert, weiß man nicht so recht, ob das die abwägende Natur dieses Hinundher-Denkers ausdrückt, oder ob der das Klischee eines Anatevka-Juden aus dem Schtetl persiflieren will. Denn einen sympathischen Hang zu Albernheit und Komik hat dieser Kippa-Träger, auch wenn man ihm das äußerlich nicht zutrauen würde: Mit seinem Blouson in dezentem Rentnergrau sieht er aus, als käme er gerade von der Butterfahrt.
Aber wie heißt es im Text: „Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen“ – und für Inszenierungen gilt das genauso. Denn das Stück, das da am Münchner Volkstheater über die Bühne geht heißt natürlich Nathan der Weise, und daran ist auch keine Sekunde lang zu zweifeln, allen Kalaschnikows zum Trotz. Hausherr Christian Stückl hat Lessings Toleranz-Klassiker von 1779 so werktreu inszeniert, dass sich gesetztere Herrschaften im Publikum begeistert an das Theater von anno dazumal erinnert fühlten.
Bezüge zur „akuten“ Situation des religiösen Fundamentalismus gibt es kaum. Wie ein orientalischer Märchenerzähler breitet Stückl in schönen Bildern und mit Sinn für Spannung die Geschichte vom Kreuzritter aus, der die Ziehtochter des reichen Juden Nathan aus einem brennenden Haus rettet und sich prompt in sie verliebt. Bis am Ende symbolträchtig rauskommt, dass alle Beteiligten trotz unterschiedlicher Religionszugehörigkeit eng miteinander verwandt sind. Und wenn der Sultan (schön nuanciert: Pascal Fligg) samt Gefolge die Teppiche zum Gebet ausrollt, fehlt nur noch der fliegende Teppich einer originellen Regie-Idee, die diesen Aufklärungstraum aus 1001 Nacht eigenständig deuten würde.

Eine geniale Bühne


Zum Glück ist da aber Ausstatter Stefan Hageneier, dem wieder einmal eine geniale Bühne gelang: Die Bretter, die die Welt bedeuten, sind diesmal ein Schiffsplanken-Parkett in gebeizter Eiche, das nicht flach ausgelegt ist, sondern sich als hohe, aber sanfte Woge aufwölbt.
Nachdem die parkettsicheren Toleranz-Wellenreiter drei Stunden lang auf abschüssigem Gelände balanciert haben, gibt’s zum Abschluss das stärkste Bild: Statt der von Lessing vorgesehenen allgemeinen Umarmungen, bleibt Nathan allein zurück und zündet sich eine Zigarette an – soll er doch. Soviel Toleranz muss sein. (Alexander Altmann)

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