Kultur

Ausschnitt aus Francisco de Goyas "Linda maestra!" (Eine feine Lehrmeisterin, 1797/98) aus der Serie "Los Caprichos". (Foto: Mittelalterliches Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber)

17.11.2023

Zwischen Angst und Selbstbehauptung

Im Würzburger Kulturspeicher geht eine Ausstellung Hexendarstellungen in der Kunst nach

Die Figur der Hexe in der Kunst erfuhr um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert einen grundlegenden Wandel. Diesem Aspekt widmet sich die Ausstellung Hexen! Über Körper, Wissen und Macht im Würzburger Kulturspeicher.

Franken war im 17. Jahrhundert ein Zentrum grausamer Hexenverfolgungen mit Tausenden von unschuldigen Opfern; die letzte angebliche Hexe, die Nonne Maria Renata Singer, wurde 1749 beim Oberzeller „Hexenbruch“ verbrannt – ein Justizirrtum, wie so oft. Der in Franken lebende, niederländische Künstler Herman de Vries erinnert an diesen Fall mit einer Asche-Ausreibung: Die Asche hat er am Platz gewonnen, wo die Hinrichtung vollzogen worden war.

Neben früheren populären Hexenbildern wie der bösen alten Hexe in Märchen und im Volksglauben gibt es heute auch bunte Hexen-Darstellungen wie von Johanna Braun, die als Erbe der feministischen Bewegung Hexen-Aktivismus zeigen.

In einem Kabinett der Ausstellungsräume befragen Filmerzählungen wie von Rachel Rose Fiktion und Realität der Vorstellungen von Hexen im England des 17. Jahrhunderts.

Diabolische Verführung

In Büchern und Abhandlungen wurden ab dem 16. Jahrhundert angebliche Hexeneigenschaften beleuchtet. Vor sexueller Verführung warnte zum Beispiel Albrecht Dürer auf einem Blatt, das vier nackte Frauen zeigt – ein Dämon lugt schon um die Ecke. Eine alte Frau, rücklings auf einem Bock reitend, war bei Dürer Ausdruck diabolischer Gefährdung. Sein Zeitgenosse Hans Baldung Grien formulierte auf einem Holzschnitt Ähnliches, auch der Flame Pieter Bruegel der Ältere bedient in Jakobus und der Magier Hermogenes derartige Ängste. Dass junge Hexen mit Hexensalbe eingerieben wurden, damit sie zum Hexensabbat fliegen konnten, ist ebenfalls ein künstlerisches Motiv auf Gemälden des 17. Jahrhunderts, genauso wie der Hexensabbat selbst – in der Ausstellung sieht man einen solchen zum Beispiel von Jan van de Velde. In der Schau begegnet man auch einer Wetterhexe (Matthäus Schiestl) und einer nackten Hexe, die in der Walpurgisnacht auf einem fetten Schwein reitet (Alfred Kubin). Häufig toben Hexen auf Besen herum, wie bei Goya dargestellt, alt und jung dabei vereint. Spitzweg interpretierte einen eher harmlosen nächtlichen Hexenritt über erleuchteten Häusern. Bei Fritz Roeber wird in der Walpurgisnacht das unschuldige Gretchen verführt.

Befreiender Tanz

Ganz anders Mary Wigman in ihrem filmisch vorgeführten Hexentanz: Für sie ist er die Befreiung von einengenden Konventionen als Frau.
Mit Gegenständen wie stählerne Hexenbesen von Angelika Summa oder einem Hexenkreis von Ulrike Rosenbach in ihrer Bodeninstallation Geteert und Gefedert nehmen Kunstschaffende auch heute noch das Thema auf.

Dass sogenannte Hexen meist Opfer der Justiz oder eines Exorzismus waren, wird bei Piloty und Fritz Cremer reflektiert; in einer Federzeichnung von Clara Siewert wird eine Hexe gesteinigt. Eine Performance 1968 in New York richtete sich unter dem Motto Witch gegen die Unterdrückung der Frau im Kapitalismus.

Ironisch gebrochen

Christiane Möbus stellt in einer Fotoserie einen seltsamen Zusammenhang zwischen Frau Holle und Schamanen her. Skurril wird es beim Film von Pauline Curnier Jardin: Da menstruieren alte Frauen wieder, wenn sie junge Männer sehen. Das Bild der alten Frau als Hexe wird so ebenso wie bei Cindy Shermans maskierter Hexe mit Humor gebrochen. Caspar Walter Rauh bricht in seiner Grafik ironisch konventionelle Vorstellungen, wenn eine Hexe Männer misshandelt.

Die Ausstellung wird dominiert vom großen Gipsabguss der einstigen monumentalen Marmorplastik von Teresa Feodorowna Ries, einer jüdischen Künstlerin; 1894 wurde dieses Erstlingswerk in Wien abgelehnt, wohl weil es zeigt, wie sich eine Hexe freudig auf die Walpurgisnacht vorbereitet, indem sie ihre Fußnägel schneidet. Dieses Dokument weiblicher Selbstbehauptung wurde später von den Nazis zerstört. (Renate Freyeisen)

Information: Bis 14. Januar. Museum Kulturspeicher, Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg. www.kulturspeicher.de

 

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