Landtag

Künftig könnte der Englisch- oder Religionsunterricht gekürzt und dafür mehr Deutsch und Mathematik unterrichtet werden. (Foto: dpa/Soeren Stache)

26.01.2024

Aufarbeitung des Pisa-Desasters

Sprachtests, Lese-Screenings, mehr Deutsch und Mathe: Kultusministerin Anna Stolz (FW) plant Änderungen an Schulen

Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) will mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket auf das Abrutschen deutscher Schüler*innen beim internationalen Schulvergleichstest „Pisa“ reagieren. Bei diesem wurden vor allem Mängel in der Lesekompetenz diagnostiziert. Im Bildungsausschuss sagte Stolz, Herzstück der Änderungen sei eine Neuausrichtung der Stundentafel in der Grundschule mit einer klaren Fokussierung auf Deutsch und Mathematik. Es gehe darum, die Kernkompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen zu stärken. Pro Jahrgangsstufe werde es eine Deutschstunde mehr geben, in der ersten und vierten Klasse zudem je eine Stunde Mathematik.

Wie Stolz weiter erklärte, werde die Gesamtstundenzahl in der Grundschule aber gleich bleiben. Gelingen soll dies durch mehr flexible Unterrichtsgestaltung in den anderen Fächern. Hier soll den Schulleiter*innen und Lehrkräften vor Ort in einem gewissen Rahmen mehr Entscheidungsfreiheit gewährt werden. Je nach Bedarf an der einzelnen Schule könnten zum Beispiel Englisch- oder Religionsunterricht gekürzt werden. Stolz sprach aber auch von „roten Linien“. So soll kein Fach gestrichen und der Sportunterricht nicht angetastet werden. Einzelheiten dazu will Stolz in zwei bis drei Wochen vorlegen.

Daneben arbeite das Kultusministerium an einer Reform der Lehrpläne in der Grundschule, berichtete Stolz. Auch bei diesen soll der Fokus noch stärker auf die Vermittlung der Kernkompetenzen gelegt werden. Neben den verpflichtenden Sprachtests vor der Einschulung, die ab dem Schuljahr 2025/26 greifen sollen, will Stolz regelmäßige „Lese-Screenings“ einführen, um Lernfortschritte, aber auch Förderbedarfe zu ermitteln. Wichtig sei ihr zudem die engere Zusammenarbeit mit den Eltern, weil diese eine Schlüsselfunktion bei der Förderung der Basiskompetenzen hätten. Zielgerichtete Lehrerfortbildungen, Unterrichtsmaterialien und die Stärkung der frühkindlichen Sprachförderung sollen das Maßnahmenpaket „ergänzen und abrunden“.

Im Bereich der Unterrichtsversorgung räumte Stolz einen Lehrermangel ein, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen werde. Durch Maßnahmen wie Zweitqualifizierungen, Quereinstiege sowie Werbekampagnen und zusätzliche Lehramtsstudienplätze habe man punktuell Abhilfe schaffen können. Allerdings werde man damit allein auf absehbare Zeit nicht genügend Bewerber haben, um alle Planstellen zu besetzen. Im Frühsommer will Stolz deshalb ein Gesamtkonzept zur Lehrerversorgung mit einem „Mix aus verschiedenen klugen Maßnahmen“ vorlegen. Verpflichtende Einschränkungen bei den Teilzeitangeboten für Lehrkräfte sollen dabei vermieden werden. Sie setze an diesem Punkt auf Anreize, damit Lehrkräfte in Teilzeit ihr Stundendeputat freiwillig erhöhten.

Grüne: Ein paar Unterrichtsstunden mehr reichen zur Förderung nicht aus

Gabriele Triebel (Grüne) begrüßte die Pläne der Ministerin. Es sei erfreulich, dass die Staatsregierung endlich auf die seit Jahren durch viele Studien aufgedeckten Mängel im Schulsystem reagiere. Die wachsende Kluft zwischen leistungsstarken und -schwachen Schüler*innen müsse unbedingt geschlossen werden. Triebel bezweifelte aber, dass ein paar Unterrichtsstunden mehr zur Förderung gerade benachteiligter Kinder ausreichen werden. Es brauche ein ergänzendes Konzept für individuelle Förderung. Martin Brunnhuber (Freie Wähler) erklärte, es sei der richtige Weg, den Schulen bei der Unterrichtsorganisation Leitplanken zu geben, die konkrete Ausgestaltung aber den Verantwortlichen vor Ort zu überlassen.

Eine „wohltuende Offenheit“ auch bei kritischen Themen stelle Simone Strohmayr (SPD) bei Stolz fest. Dass diese den eklatanten Lehrermangel nicht leugne, sei ein wichtiger Schritt hin zur Problemlösung. Die Förderung der Sprachkompetenzen muss nach Ansicht Strohmayrs schon vor der Schule beginnen. Der Mangel an Kita-Plätzen verhindere aber, dass alle förderbedürftigen Kinder frühzeitig entsprechende Angebote bekämen. Neben der Erhöhung der Stundenzahl zur Förderung der Kernkompetenzen forderte Strohmayr höhere Investitionen in den Ganztagsausbau. Hier müssten Schulen mit besonderen Herausforderungen wegen ihrer heterogenen Schülerschaft durch Einführung eines Sozialindex besser gefördert werden.

Die regionale Lehrkräfteverteilung thematisierte Tobias Reiß (CSU). Dass noch immer viele junge Lehrkräfte aus Nordbayern ohne zeitliche Rückkehrperspektive nach ihrer Ausbildung in den Süden des Freistaats versetzt würden, schrecke viele Interessenten in Franken und der Oberpfalz vom Lehramtsstudium ab, sagte er. Nötig seien mehr Lehramtsstudienplätze in Südbayern und eine nach Möglichkeit gerechtere regionale Verteilung der Lehrkräfte. Stolz sagte zu, einer Überprüfung der vor mehreren Jahren vom Landtag beschlossenen Versetzungskriterien nicht im Wege zu stehen, betonte aber auch, „dass wir Lehrkräfte für ganz Bayern ausbilden“.

Der AfD-Abgeordnete Oskar Atzinger erklärte, ihm gehe es darum, „vor allem die deutschen Kinder stark zu machen“. Er fragte Stolz in diesem Zusammenhang, ob geplant sei, eine Trennung der Kinder je nach ihren Deutschkenntnissen vorzunehmen. Stolz betonte dazu, dass es nicht ihr Ziel sei, „irgendwelche Kinder herauszunehmen“, sondern alle nach ihrem individuellen Bedarf zu fördern. „Alle Kinder, die an unseren Schulen sind, sind bayerische Kinder“, stellte sie klar. (Jürgen Umlauft)

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