Die Zahl der in Bayern aufgedeckten Fälle im Bereich Kinderpornografie ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Seit 2016 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik eine Verfünffachung auf 5070 Fälle im Jahr 2021. Die Daten für 2022 liegen noch nicht vor. „Die Entwicklung in diesem Deliktsbereich ist beunruhigend“, sagte der im Justizministerium zuständige Thomas Pfeiffer im Innenausschuss des Landtags. Ein Grund für das Aufdecken immer neuer Fälle ist demnach die Gründung des Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet (ZKI) bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, die vor allem das verschlüsselte Darknet nach Nutzenden und Betreibenden einschlägiger Foren durchsucht.
Nach Daten des Justizministeriums wurden 2021 in Bayern 252 Personen wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt, weitere 90 wegen schweren Missbrauchs. Zudem wurden 558 Personen wegen Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte bestraft. Letzteres bedeutete eine Verdoppelung der Fallzahlen. „Mein Gefühl ist, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, weil das Dunkelfeld noch lange nicht ausgeleuchtet ist“, erklärte der ZKI-Leiter Thomas Goger. Die Täter seien fast ausschließlich Männer und kämen aus allen Alters- und Bevölkerungsschichten.
40 Prozent der Verdächtigen sind selber noch Kinder
Wie Pfeiffer ergänzend mitteilte, steigt der Anteil von Tatverdächtigen im Jugendlichenalter stetig an. Er liege derzeit bei rund 40 Prozent. Hintergrund sei oft, dass diesem Personenkreis die Strafbarkeit des Abspeicherns kinderpornografischer Inhalte auf ihren Smartphones und deren Weiterleitung nicht bewusst sei. Strafbar sei da schon die Verbreitung von Nacktaufnahmen. In Zusammenarbeit von Kultus- und Justizministerium versuche man über die Kampagne „Mach dein Handy nicht zur Waffe“ für die Problematik zu sensibilisieren.
Nach Gogers Angaben werden immer jüngere Kinder missbraucht. Selbst der Missbrauch von Säuglingen sei „leider keine Ausnahme mehr“. Zudem würden die Handlungen brutaler. Für die Ermittler bedeute dies eine hohe psychische Belastung. Dies gelte aber vor allem für die Fälle, in denen Täter nicht ermittelt und festgesetzt werden könnten. Goger betonte, dass die Ermittler versuchten, technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Dank internationaler Kooperation könne man nun eine Art „Google des Darknet“ einsetzen, um dort kinderpornografisches Material aufzuspüren. Aktuell seien den Ermittlungen zufolge rund 40 000 Domains mit einschlägigem Inhalt online.
Um die Ermittlungsarbeit weiter zu verbessern, appellierte Goger an die politisch Verantwortlichen, die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) erlaubten Möglichkeiten zur Speicherung von Verkehrsdaten im Internet zu nutzen. Aktuell dürften diese von den Telekommunikationsfirmen nur wenige Tage gespeichert werden. Dies sei im Regelfall zu kurz, um die IP-Adressen konkreten Nutzern zuordnen zu können. Zudem kündigte Goger an, zur Auswertung der großen Datenmengen bei Ermittlungsverfahren verstärkt auf künstliche Intelligenz (KI) zu setzen. Diese könne die Arbeit aber nur erleichtern, weil die Software erlaubte Pornografie von illegaler Kinderpornografie nicht immer zuverlässig unterscheiden könne.
Der CSU-Abgeordnete Alfred Grob forderte die Bundesregierung auf, rasch die rechtlichen Grundlagen für die Speicherung von Verbindungsdaten zu schaffen. Alles andere wäre in diesem Deliktsbereich „grob fahrlässig“. Die längere Speicherung von Verbindungsdaten sei „kein Teufelszeug“, die Ermittelnden bekämen auf diese ohnehin nur Zugriff bei einem konkreten Tatverdacht und auf richterliche Anweisung. Zudem müsse der Einsatz von KI ausgeweitet werden, um der Datenmengen Herr zu werden. Grob sprach sich auch für den Einsatz spezieller Analyse-Tools aus, um aus den Daten weltweite Zusammenhänge für internationale Ermittlungen filtern zu können.
Horst Arnold (SPD) mahnte im Bereich KI zur Zurückhaltung. Deren Einsatz sei nur dann verantwortbar, wenn die Technik zuverlässig ausgereift sei, um falsche Verdächtigungen zu vermeiden. „Wir dürfen die Ermittlungsarbeit nicht der KI überlassen“, sagte Arnold. Mit Blick auf die Speicherung der Verbindungsdaten erklärte er, die Bundesregierung arbeite gerade an einer rechtssicheren Lösung auf Grundlage des EuGH-Urteils. Alexander Muthmann (FDP) sprach von „beklemmenden Erkenntnissen“ in dem Bericht. Diese sollten Anlass sein, eigene politische Standpunkte im Bereich der Speicherung von Verbindungsdaten zu überdenken, äußerte er sich auch selbstkritisch.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze lenkte den Blick auf die Präventionsarbeit. Es gelte, vor allem Lehrkräfte und Erzieher*innen noch stärker für Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder zu sensibilisieren, um möglichen Verdachtsfällen frühzeitig nachgehen zu können. Außerdem plädierte Schulze für den Ausbau der psychologischen Unterstützung für die Ermittelnden. Richard Graupner (AfD) machte bezüglich der Verbindungsdatenspeicherung Druck. Diese müsse für die praktische Strafverfolgung für einen „angemessenen Zeitraum“ zugelassen werden. Ähnlich äußerte sich Wolfgang Hauber (Freie Wähler). Andere Verfahren, wie das alternativ angewandte „Quick Freeze“, reichten nicht aus, weil damit der für Ermittlungen erforderliche Blick in die vergangene Internet-Nutzung von Verdächtigen im Regelfall nicht möglich sei. (Jürgen Umlauft)
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