Während die Regierungsfraktionen das geänderte Polizeiaufgabengesetz (PAG) für einen guten Kompromiss zwischen Sicherheitsinteressen und Bürgerrechten halten, ist der Unmut vor allem bei Grünen, SPD und FDP nach wie vor groß. Gefordert wurde unter anderem der Verzicht auf den Einsatz von Bodycams an Polizeiuniformen in Wohnungen. Und auch die AfD wünscht sich Änderungen.
Der Innenausschuss hat mit den Stimmen von CSU und Freien Wählern die überarbeitete Fassung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) gebilligt. Die Regierungsfraktionen ergänzten dabei den von der Staatsregierung vorgelegten Entwurf in drei Punkten. So bedarf es künftig beim DNA-Abgleich im Rahmen von polizeilichen Präventivmaßnahmen des Einverständnisses des Betroffenen oder einer richterlichen Anordnungen. Zudem muss einem potenziellen Gefährder vor der Unterbringung im Vorbeugegewahrsam ein Rechtsbeistand zugeordnet werden. Die Zuverlässigkeitsprüfung von Personen, die als Dienstleister bei „Anlässen mit erheblichen Sicherheitsrisiken“ tätig sind, wird auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Die Opposition lehnte die Pläne der Koalition ab und scheiterte mit einem guten Dutzend eigener Änderungsvorschläge. Kernpunkt der Anträge von Grünen, SPD und FDP war die Streichung oder zumindest Relativierung des umstrittenen Begriffs der „drohenden Gefahr“. Diese erlaubt der Polizei bereits weit im Vorfeld einer möglichen Straftat Eingriffsrechte wie Personenüberwachung, Präventivgewahrsam oder die Auswertung digitaler Daten.
Gefordert wurde unter anderem auch der Verzicht auf die DNA-Analyse zur Gefahrenabwehr und den Einsatz von Bodycams an Polizeiuniformen in Wohnungen. Diese Punkte verstoßen nach Ansicht der drei Fraktionen gegen die Verfassung.
Außerdem plädierten Grüne, SPD und FDP für die weitere Verkürzung der Höchstdauer des Präventivgewahrsams auf maximal zwei Wochen. Nach der Koalitionsvorlage kann dieser bis zu zwei Monate dauern. Die Rückkehr zur Zwei-Wochen-Frist entspreche der Regelung vor der PAG-Neufassung 2017. In der Folge hatte die CSU eine Regelung durchgesetzt, die mit richterlicher Zustimmung einen immer wieder verlängerbaren, theoretisch „unendlichen“ Präventivgewahrsam möglich gemacht hätte. Die AfD sprach sich dagegen für eine Verlängerung auf bis zu sechs Monate aus. Es sei die Frage, ob sich ein möglicher terroristischer Attentäter von einem maximal zweimonatigen Gewahrsam von seiner geplanten Tat abhalten lasse, meinte der AfD-Abgeordnete Richard Graupner.
Streit um Begriff der "drohenden Gefahr"
Alfred Grob (CSU) bezeichnete die nun noch vom Landtagsplenum zu billigende PAG-Novelle als im Sinne der Polizei anwenderfreundlich. Für die Menschen zeichne sie sich durch mehr Transparenz, Klarheit und einen dank zahlreicher Richtervorbehalte besseren Rechtsschutz aus. Der Begriff der „drohenden Gefahr“ habe eingeführt werden müssen, um durch neue Gefährdungslagen und eine Neudefinition der konkreten Gefahr durch das Bundesverfassungsgericht (BVG) entstandene Regelungslücken beim vorbeugenden Schutz vor Verbrechen und Anschlägen zu schließen. Die Novelle berücksichtige nun Empfehlungen der unabhängigen PAG-Kommission sowie die Rechtsprechung des BVG. Die Einwände der Opposition seien daher unberechtigt. Wolfgang Hauber (Freie Wähler) sprach von einem „praktikablen PAG“, das es der Polizei ermögliche, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit den Schutz Gefährdeter durchzusetzen. Dazu werde der verfassungsrechtlich zulässige Rahmen voll ausgeschöpft.
Der SPD-Rechtspolitiker Horst Arnold rügte die aus seiner Sicht weiterhin zu weit gehende Übertragung von Befugnissen des Verfassungsschutzes auf die Polizei. Die Menschen würden unter einen Generalverdacht gestellt. Damit sei das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzt. In vielen Punkten fehle es dem Gesetz zudem an Regelungsklarheit, bemängelte Arnold. Für derart weitreichende Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger zur Gefahrenabwehr müssten Ort, Zeitpunkt und Opfer einer möglichen Straftat hinreichend bekannt sein. In der Einführung der Kategorie „drohende Gefahr“ sah er eine Fehlinterpretation der BVG-Rechtsprechung.
Auch der Grüne Martin Runge kritisierte eine Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen, die zur Verunsicherung der Bürger beitrügen. Die Eingriffsrechte der Polizei seien nicht klar genug definiert. Runge verwies in diesem Zusammenhang auf noch laufende Verfassungsklagen gegen das PAG. In diesem Zusammenhang bedauerte Alexander Muthmann (FDP), dass die teils seit drei Jahren anhängigen Verfahren noch immer nicht abgeschlossen seien. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit mache es schwierig, die Gesetzesnovelle zielführend zu beraten. Graupner begrüßte die neuen Präventivbefugnisse für die Polizei, äußerte aber an Details Kritik.
Opposition sauer über Prozedere
Verstimmt reagierte die Opposition auf den erst kurz vor der Sitzung von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsantrag bezüglich der Zuverlässigkeitsprüfung. „Da bleiben viele offene Fragen“, urteilte Ausschusschef Runge. Als Beispiele nannte er die unklaren Aussagen, bei welchen Veranstaltungen die Regelungen gelten sollten und welche Datenbanken abgefragt werden dürften. Muthmann vermisste die Rechtfertigung für das „legislative Tun“ in dieser Frage. Es werde von den Antragstellern nicht erläutert, warum diese Regelungen nötig seien. Zudem werde nicht geklärt, aufgrund welcher Kriterien eine Unzuverlässigkeit einer Person für den Einsatz bei sicherheitsrelevanten Veranstaltungen oder als Dienstleister bei Polizei und Verfassungsschutz festgestellt werde.
Für die CSU wies Grob die Vorwürfe zurück. Es handle sich bei den Regelungen lediglich um die gesetzliche Fixierung der „heute schon gelebten Praxis“, wie sie zum Beispiel bei der Überprüfung von Dienstleistern und Ordnern für die Spiele der Fußball-Europameisterschaft in München Anwendung finde. Bisher werde die Zuverlässigkeitsprüfung indirekt aus einer Generalklausel im PAG abgeleitet, nun werde sie in einem eigenen Paragrafen „gesetzlich manifestiert“. Der Antrag sei daher trotz der kurzen Vorlaufzeit zustimmungsfähig, meinte Grob.
Die Opposition, die eine Vertagung des Punktes in eine Sondersitzung des Ausschusses ins Gespräch gebracht hatte, votierte schließlich wegen der aus ihrer Sicht noch offenen Fragen gegen den Antrag. (Jürgen Umlauft)
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