Landtag

Franz Rieger (CSU). (Foto: dpa/Armin Weigel)

23.04.2021

Der Vernetzte

Im Porträt: Franz Rieger (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses

Am westlichen Stadtrand von Regensburg, in einem vor über 80 Jahren eingemeindeten Bauerndorf, kann einem auf der Straße ein alter Traktor begegnen, auf dem ein unscheinbarer Mann um die 60 sitzt. Natürlich kennt ihn hier jeder, die dörflichen Strukturen haben sich zumindest teilweise erhalten. Der Mann auf dem Traktor ist der CSU-Landtagsabgeordnete Franz Rieger, der sich im Gespräch auch sofort als „begeisterter Nebenerwerbslandwirt“ bekennt. Wo die Stadt definitiv zu Ende ist und einen nur noch ein Feld von der Donau trennt, bewohnt Rieger einen Bauernhof.
Nebenerwerbslandwirt? In Zeiten, in denen manche Landtagsabgeordnete ihr Mandat als Nebentätigkeit betrachten, ist das ja eine ungewöhnliche Variante. Doch Rieger, verheiratet und Vater eines Sohnes, hat auch noch einen für einen Abgeordneten nicht wirklich ausgefallenen Hauptberuf. Er ist promovierter Jurist und Seniorpartner einer Regensburger Anwaltskanzlei. Die Landwirtschaft ist eine alte Leidenschaft. „Bis zur 11. Klasse wollte ich Landwirtschaft studieren“, sagt Rieger. Dann habe er sich doch für Jura entschieden, während der Referendarzeit aber gleichzeitig den Hof der Eltern übernommen.

Wenn Rieger im Landtag spricht, kann man sehr unterschiedliche Töne hören. Da steht einmal (Dezember 2020) ein Vertreter der Regierungsfraktion am Pult, der der AfD Paroli bietet, die fordert, „die Klimaideologie zu stoppen“. Eindringlich warnt Rieger vor dem Klimawandel, der „längst in Bayern angekommen“ sei und der „weltweit angegangen werden“ müsse. Entschieden verteidigt er das Pariser Klimaschutzabkommen und den Green Deal der EU. Und als gegen Ende seiner kurzen Rede aus den Reihen der Grünen ironisch-abfällige Zwischenrufe kommen, die seine Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen, wendet sich Rieger grinsend den Zwischenrufern zu: „Ich danke für den Zuspruch von der linken Seite von mir aus gesehen!“ Rieger, ganz in Grün – und gleichzeitig ein Parlamentarier der alten Schule.

Ein Mensch, der seine Nase immer im Wind hat

Ein anderes Mal, ein Jahr ist das her, ist es der ebenso junge wie eloquente Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann, der Rieger zu einer Zwischenbemerkung provoziert. Siekmann plädiert für EU-interne finanzielle Solidarität für Länder wie Italien, die von der Pandemie unverschuldet besonders getroffen wurden. Das bringt Rieger in Rage: „Wie wollen Sie das wirklich finanzieren und wie wollen Sie das dem fleißigen deutschen Steuerzahler, der vielleicht sogar in Kurzarbeit ist, erklären, in Zeiten rückläufiger Konjunktur und rückläufiger Steuereinnahmen?“ Da sind die Rollen auf einmal umgekehrt: Rieger, Vizevorsitzender des Europaausschusses, in der Rolle des biederen Konservativen, der die nationalen Belange verteidigt. Und dem es wohl auch bitter aufstößt, dass er, in der dritten Legislaturperiode Landtagsabgeordneter und im 62. Lebensjahr stehend, sich so etwas anhören muss – von einem Oppositions-Grünschnabel von 26 Jahren. 

Franz Rieger ist ein Mensch, der seine Nase immer im Wind hat. Und doch hadert er manchmal mit den neuen Zeiten. Auf Franz Josef Strauß angesprochen, gesteht er unumwunden: „Manchmal wäre es in der Tat äußerst erfrischend, wenn man in seinem Stil Politik machen und Entscheidungen treffen könnte.“ Und fügt sofort hinzu: „Ich frage mich aber, ob sein Politikstil in der heutigen Zeit noch möglich wäre.“ Anderswo, fällt Rieger ein, ist dieser Politikstil freilich sehr wohl noch möglich. Stichwort Impfstoffbeschaffung. „Ich bin kein Trump-Fan“, versichert Rieger, aber bei Trump habe es keine solchen „Entscheidungshemmnisse“ gegeben wie in der EU, auch bei Boris Johnson nicht. Die Entscheidungsfindung à la EU sei schon oft „sehr diffizil“ beziehungsweise „nicht mehr praktikabel“, meint er. Da sehne er sich manchmal nach einem starken Mann, der einfach Vorgaben mache. „Und der sich das auch traut. Da würde ich mir schon oft mehr Strauß wünschen.“ Politik im Stil von FJS – womöglich ist es genau das, was Rieger ins Visier der Staatsanwaltschaft gebracht hat. Gegen den Regensburger Stimmkreisabgeordneten wird seit 2018 ermittelt, wegen Erpressung, Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Verstoßes gegen das Parteiengesetz. Nachdem der Landtag im September 2019 Riegers Immunität aufgehoben hatte, erhob die Staatsanwaltschaft Regensburg im Januar 2020 Anklage gegen ihn. Im November 2021 steht der Prozess vor dem Landgericht Regensburg an. Erpressung? Der diesbezügliche Vorwurf der Anklage lautet, Rieger habe „von einem Unternehmer aus der Regensburger Bau- und Immobilienbranche im Rahmen eines persönlichen Gesprächs eine Spende für den Landtagswahlkampf 2013 in Höhe von 60 000 Euro verlangt und diese Forderung mit einem Hinweis auf zukünftige Entscheidungen über Baugebiete und Baugenehmigungen in Regensburg verbunden“.

Anklage wegen Erpressung

Der Bauunternehmer, den Rieger der Anklage zufolge dazu bewegen wollte, ihm beziehungsweise der CSU 60 Riesen zukommen zu lassen, heißt Thomas Dietlmeier. Der Gründer und langjährige Vorstandsvorsitzende des Immobilienzentrums Regensburg war der Einzige unter all denen, gegen die die Staatsanwaltschaft seit 2016 in der Regensburger Parteispendenaffäre ermittelte, der reinen Tisch machte. Dietlmeier akzeptierte einen Strafbefehl in sechsstelliger Höhe und machte umfangreiche Angaben, mit denen er sowohl sich selbst als auch andere belastete – unter anderem Rieger. Das ist wohl der Punkt, der Rieger am meisten zu schaffen macht: Warum sollte ein Bauunternehmer, der zugibt, den 2014 triumphal gewählten, 2017 vorläufig suspendierten und 2020 abgewählten Regensburger SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs bestochen zu haben, Geschichten erfinden, nur um auch noch einen CSU-Landtagsabgeordneten in die Sache mithineinzuziehen?

Franz Rieger hat von 1970 bis 1979 das St. Michaels-Gymnasium des berühmten Benediktinerklosters Metten bei Deggendorf absolviert, und er ist stolz darauf: „Dabei habe ich unter anderem Selbstdisziplin und Fleiß gelernt.“ Niemand, der Metten kennt, wird das infrage stellen. Ob dort auch Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit an erster Stelle stehen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Was in Metten sehr viel zählt, das sind Connections. Als im Juni 2020 am Landgericht Regensburg über die Zulassung der Anklage gegen Rieger entschieden werden musste, zeigten sich sechs Richter*innen selbst wegen einer möglichen Besorgnis der Befangenheit an. Dietlmeiers Aussage zufolge gab ihm Rieger in dem entscheidenden Gespräch, in dem er um die Wahlkampfspende in Höhe von 60 000 Euro „gebeten“ haben soll, zu bedenken, er verfüge über „beste Kontakte in die hiesige Richterschaft“.  (Florian Sendtner
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.