Landtag

Immobiliengeschäfte und die entgeltliche Vermittlung von Waren und Dienstleistungen für Dritte gegenüber dem Staat werden verboten (Symbolbild). Foto: dpa/Kneffel

23.07.2021

„Die gläsernste Berufsgruppe von allen“

Neufassung des Abgeordnetengesetzes: Nebeneinkünfte müssen künftig auf den Euro genau offengelegt werden

CSU, Freie Wähler, Grüne, SPD und FDP haben einen gemeinsam erarbeiteten Gesetzentwurf zur Verschärfung des Abgeordnetengesetzes eingebracht. Als Folge der CSU-Maskenaffäre sollen die Regeln für die Nebentätigkeiten von Parlamentariern deutlich strenger werden. Nebeneinkünfte müssen ab dem kommenden Jahr betragsgenau ab dem ersten Euro offengelegt werden. Ausgenommen sind ehrenamtliche Tätigkeiten gegen Aufwandsentschädigung, etwa im Vorstand eines Vereins oder in einem kommunalen Ehrenamt. Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften müssen ab drei Prozent genannt werden. Bislang lag diese Grenze bei 25 Prozent. Unzulässig werden in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten auch werbende Hinweise auf die Mitgliedschaft im Landtag.

Nach der Vorlage untersagt werden die bezahlte Lobbytätigkeit für Dritte sowie die Annahme von Geldspenden und Vortragshonoraren im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Abgeordneter ebenso wie das Annehmen von Geschenken im Wert von mehr als 200 Euro. Auch Immobiliengeschäfte und die entgeltliche Vermittlung von Waren und Dienstleistungen für Dritte gegenüber staatlichen Stellen werden verboten. Verstöße gegen die Regeln können mit einem Ordnungsgeld bis zur Hälfte der jährlichen Abgeordnetendiät belegt werden. Einige wenige Ausnahmen gibt es für die Rechtsanwält*innen unter den Abgeordneten, die wegen der ihnen gesetzlich zustehenden Verschwiegenheitspflicht unter anderem nur die Branche, nicht aber den Namen ihres Auftraggebers nennen müssen.

CSU: "Größten Reform des Abgeordnetengesetzes, die es je gegeben hat“

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sprach von der „größten Reform des Abgeordnetengesetzes, die es je gegeben hat“. Man wolle möglichen Interessenkonflikten mit gezielten Verboten und Einschränkungen begegnen, ohne dabei die Berufsausübung von Abgeordneten völlig zu unterbinden. Es müsse möglich bleiben, dass Abgeordnete in ihren Berufen tätig bleiben und dorthin zurückkehren könnten.
Alexander Hold (Freie Wähler) betonte, Abgeordnete würden „so gläsern wie keine andere Berufsgruppe“. Es werde klargestellt, dass für Abgeordnete das Mandat im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stehe und nicht das Interesse an Geschäften. „Außer der Diät darf es keine zusätzliche Bezahlung für eine politische Interessenvertretung geben“, betonte Hold.

Der Grüne Florian Siekmann sprach von einem „gewaltigen Schritt nach vorne“. „Das gläserne Parlament wird endlich Realität“, sagte er. Nun müsse auch die CSU-Maskenaffäre „schonungslos aufgeklärt“ werden. Siekmann forderte dafür die Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers. Sollten sich dem die Regierungsfraktionen verweigern, müsse die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erwogen werden. Winfried Bausback (CSU) lehnte einen Sonderermittler ab. Dieser sei anders als ein Untersuchungsausschuss im politischen System Bayerns nicht vorgesehen, zudem bringe er „für Transparenz und Aufklärung nichts“.

Streit um Karenzzeit für Minister

Für Horst Arnold (SPD) kommt der Gesetzentwurf „um Jahre zu spät“. Seine Fraktion habe schon 2013 nach der Verwandtenaffäre die Durchsetzung gesetzlich verankerter Verhaltensregeln für Abgeordnete gefordert, sei damals aber am erbitterten Widerstand der CSU gescheitert. Mit dem Kompromiss würden nun zentrale Anregungen der SPD umgesetzt. FDP-Fraktionschef Martin Hagen würdigte, dass CSU und Freie Wähler im Rahmen der Beratungen zu dem Entwurf auf mehrere Verbesserungsvorschläge der Opposition eingegangen seien. Die AfD, die in die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs nicht einbezogen worden war, kündigte mehrere Änderungsanträge an. Es brauche noch strengere Regeln, um der vor allem von der CSU zu verantwortenden Korruption einen wirksamen Riegel vorzuschieben, sagte der AfD-Abgeordnete Christoph Maier. Konkret nannte er die Ausweitung des Vertretungsverbots auf kommunale Organe und öffentliche Körperschaften.

In erster Lesung beraten wurde zudem ein Entwurf von CSU, Freien Wählern und FDP zur Änderung des Ministergesetzes. In dieses wird eine Karenzzeit von 24 Monaten eingeführt, in der aus dem Amt geschiedene Mitglieder der Staatsregierung anzeigen müssen, wenn sie ein neues Beschäftigungsverhältnis außerhalb des zuvor ausgeübten Berufs eingehen. Im Falle von Interessenkonflikten mit der vorherigen Tätigkeit in der Staatsregierung kann während dieser Zeit die Aufnahme der neuen Beschäftigung untersagt werden. Damit soll der unmittelbare Wechsel aus dem politischen Amt in eine politische Interessenvertretung verhindert werden. Diese habe oft ein „Gschmäckle“, urteilte Alexander Hold.

Grüne und SPD nahmen das Angebot zur Mitarbeit an dem Entwurf nicht an. Sie wollten nicht von ihrer Forderung nach einer 36-monatigen Karenzzeit abweichen. Florian Siekmann widersprach dabei der Argumentation, wonach ausgeschiedene Minister künftig drei Jahre vom Steuerzahler alimentiert werden müssten, bis sie wieder berufstätig sein könnten. Dies betreffe nur Fälle mit erkennbaren Interessenkonflikten. Nicht berücksichtigt sah Siekmann auch die Grünen-Forderung nach einem unabhängigen Gremium zur Prüfung möglicher Interessenkonflikte. Diese obliege nun der Staatsregierung. In der Folge erteile diese ihren Ex-Mitgliedern selbst die Genehmigung zur Aufnahme einer Tätigkeit. Dieser Kritik schloss sich die SPD an. Stefan Löw (AfD) nannte das Gesetz „wirkungslos“, da kritische Kontakte von Ex-Ministern in ihre früheren Ministerien und Behörden auch nach zwei Jahren noch bestünden. Die Sperrfrist müsse daher länger ausfallen. (Jürgen Umlauft)

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