Als Andreas Birzele in den Landtag gewählt wurde, war man in seinem Heimatort Althegnenberg, einer kleinen Gemeinde im Landkreis Fürstenfeldbruck, stolz auf den ersten Abgeordneten der Ortsgeschichte. „Im Dorf hat keiner gesagt: Ich wähle dich nicht, weil du Grüner bist. Die kennen mich ja alle von klein auf“, sagt der 47-Jährige.
Bodenständig, ruhig und sachlich, so wirkt der Schreinermeister auf den ersten Blick. Politische Agitation oder gar Spaltung sind, so scheint es, seine Sache nicht. „Im Wahlkampf bin ich auch nie auf brutale Ablehnung gestoßen“, sagt er. Wahrscheinlich auch, weil Birzele zu den – wenigen – Grünen gehört, die auf dem Land verwurzelt sind und aus der Praxis kommen. Und weil er nicht dem Klischee vom großstädtischen grünen Theoretiker entspricht.
Nach dem Zivildienst in einer Behindertenwerkstatt entschied er sich gegen das geplante Sozialpädagogikstudium und für eine Schreinerlehre. 15 Jahre lang leitete er als Meister einen eigenen Schreinerbetrieb, zuletzt arbeitete er bei der Stadt München als Baukontrollmeister. Er ist bekennender Katholik und Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr, im Schützenverein, im Sportverein und im Pfarrgemeinderat. Zu seinen Hobbys zählt er Imkern mit seinem Vater, Zeit mit seiner Familie und Freunden zu verbringen und Holzbau. Seine Frau ist Hebamme, die jüngere der zwei Töchter ist 15 und möchte Polizistin werden.
Dass im Wahlkampf, etwa beim Thema Heizung, immer wieder krasse Vorwürfe kursierten, das habe ihn schon gestört, sagt Birzele. Aber da müsse sich seine Partei auch an die eigene Nase fassen: „Wir müssen lernen, einfacher zu kommunizieren.“ Botschaften, die sich über fünf DIN-A4-Seiten erstrecken, seien oft zu viel des Guten. Auch deswegen hatte Birzele schon vor der Neuwahl der Spitze der Landes-Grünen für eine Mischung aus Jung und Alt plädiert, die es nun letztlich durch die Wahl der 63-jährigen Bäuerin Gisela Sengl an die Seite von Eva Lettenbauer (31) auch gibt.
Birzele kann auch die Proteste der Landwirt*innen gegen die von der Bundesregierung geplante Einführung einer Kraftfahrzeugsteuer und die Streichung der Rückerstattung der Rohölsteuer verstehen. Der erste Entwurf, den die Ampel-Regierung präsentierte, war nicht nur bei ihm auf Unverständnis gestoßen. Auch andere in der Partei waren entsetzt – ähnlich wie die Bauern. „Das war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt er. Heutzutage sei es sehr schwierig, eine Landwirtschaft zu betreiben. „Bei uns im Dorf haben wir nur noch zwei Vollerwerbslandwirte.“ Und das in einer sehr von der Landwirtschaft geprägten Gegend.
Den Kompromiss, den der Bundestag letztlich beschlossen hat, verteidigt Birzele aber. „Ich vergleiche es mit dem Handwerk. Da muss auch jeder Handwerker für sein Auto Steuern zahlen.“ Er könne aber nachvollziehen, dass die Bauern mit dem Beschluss nicht zufrieden sind. „Abstriche zu machen, ist immer schwer.“
Während es bei den Grünen durchaus einige Abgeordnete mit landwirtschaftlichem Hintergrund gibt, sind Handwerker*innen rar. Um das zu beheben, gründeten einige Parteimitglieder vor zwei Jahren den Verein Handwerksgrün. Ein Ziel ist es, zu zeigen, dass grüne Politik und Handwerk gut zusammenpassen können. Auch Andreas Birzele ist Mitglied, er ist Sprecher des Vereins für Bayern.
Im Wahlkampf war er oft in Betrieben zu Besuch
Im Wahlkampf besuchte er elf Betriebe im Stimmkreis und arbeitete dort jeweils einen Tag lang mit. „Da habe ich viel rausgezogen“, sagt er. In vielen Gesprächen ging es laut Birzele um das Niveau der Lehrlinge. „Alle Betriebe haben gesagt, dass sie sich mehr Deutsch und Mathe in der Berufsschule wünschen.“ Und dass Geflüchtete rascher in Arbeit vermittelt werden – und die Sprache lernen.
In der Landtagsfraktion der Grünen ist Birzele, der seit 2020 auch im Gemeinderat seines Heimatorts und im Kreistag von Fürstenfeldbruck sitzt, Sprecher für das Kommunale und Beauftragter für das Handwerk. Er kann sich gut vorstellen, die Tour durch die Betriebe fortzusetzen. Was er politisch angehen will: die Bürokratie abbauen. „Viel zu oft werden Handwerksbetriebe wie die Industrie behandelt.“ Da müsse eine Verwaltungskraft dasselbe ausfüllen, was in großen Unternehmen zehn Beschäftigte übernehmen. Dazu fordert Birzele den Ausbau von Lehrlingswohnheimen, Belohnungen für Firmen, die in die Energiewende oder mitarbeiterfreundliche Maschinen investieren, und Investitionsprämien durch den Staat. „Aber man sollte auch die Betriebe an die Kandare nehmen, was Teilzeitmöglichkeiten anbelangt“, sagt der Abgeordnete.
In den ersten Wochen als Abgeordneter musste Birzele allerdings erst einmal lernen, sich im Landtagsgebäude zu orientieren. „Es hieß, immer nur dem roten Teppich nach, dann findest du in den Plenarsaal. Aber da war überall roter Teppich“, sagt Birzele grinsend. Immerhin hat er jetzt eine Büromitarbeiterin, die das Gebäude schon lange kennt und ihn mit der Umgebung und den Gepflogenheiten vertraut machen kann.
Was ihn immer noch schockiere, sei der Umgang der AfD-Fraktion mit seiner Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze bei den Plenarsitzungen. „Jede Gemeinderatssitzung läuft zivilisierter ab“, sagt Birzele. „Wenn die Katha am Pult steht, wird da massiv verbal dazwischengegangen. Und dagegen tut auch keine der Regierungsparteien etwas.“ Fakt ist: Die Atmosphäre zwischen der AfD und den anderen Fraktionen ist seit Langem vergiftet. Die Grünen etwa weigern sich in der Regel, AfD-Leute auch nur zu grüßen.
Zu den Grünen kam Birzele 2018 übrigens durch seine älteste Tochter. Sie war damals in der Grünen Jugend aktiv und fragte ihren Vater, ob er bei der Gründung eines Ortsvereins mithelfen könne. Er konnte, schließlich war er wie seine Eltern auch Mitglied beim Bund Naturschutz, und wurde gleich erster Ortssprecher der Grünen. Zwei Jahre später trat er dann für die Grünen bei der Kommunalwahl an. Und nachdem er festgestellt hatte, dass die Partei auf Landesebene das Thema Handwerk wichtiger nehmen wollte, kandidierte er für den Landtag – mit Erfolg.
Seine Tochter ist allerdings nicht mehr bei den Grünen aktiv. Die 23-Jährige hat sich in Berlin als Bühnentänzerin selbstständig gemacht. „Sie hat mich aber von Berlin aus mental unterstützt“, sagt Birzele. Dass er es in den Landtag geschafft hat, „das findet sie super“. (Thorsten Stark)
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