Landtag

Walter Nussel im Landtag. (Foto: loh)

17.06.2022

Der Paragrafenstreicher

Im Porträt: Walter Nussel (CSU), Beauftragter für Bürokratieabbau der Staatsregierung

Im Frühjahr dieses Jahres überraschte der CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch mit einer scharfen Attacke auf Fraktionschef Thomas Kreuzer. Der Vorwurf: Dieser sei nur noch ein Vollstrecker des Willens von Ministerpräsident Markus Söder. Einen möglichen Nachfolger hatte Weidenbusch damals schon im Blick: den Mittelfranken Walter Nussel.

Der 56-Jährige hat sich als Landesbeauftragter für Bürokratieabbau Renommee in der Fraktion erworben und kommt mit seinen pragmatischen Lösungen im Bürokratiedschungel beispielsweise im Ehrenamt auch bei den Menschen im Land gut an. Bei seiner Arbeit als Bürokratieabbaubeauftragter scheut er nicht davor zurück, sich mit der Staatsregierung anzulegen. Fraktionschef aber will Nussel nicht werden, beteuert er im Gespräch. „Das war überhaupt nicht mit mir abgesprochen.“ Er schätze den Kollegen Weidenbusch, aber eben auch die Arbeit des Fraktionsvorsitzenden.

Geboren wurde Walter Nussel 1965 in Erlangen. Seine Eltern betrieben einen Bauernhof, wo er aufwuchs. In seiner Jugend war Nussel bei der Wasserwacht und im Fußballkader des 1. FC Herzogenaurach, der damals vom späteren Fußballweltmeister Lothar Matthäus trainiert wurde. 1981 schloss er die Schule mit einem qualifizierenden Hauptschulabschluss ab. Ein gewisses Gespür für Menschen hatte er zu dieser Zeit schon – zumindest wurde er regelmäßig zum Klassensprecher gewählt. Anschließend begann Nussel eine Ausbildung zum Mechaniker, was in den 80er-Jahren aufgrund der vielen Bewerber und wenigen Ausbildungsstellen noch eine Herausforderung war. Um den Hof seiner Eltern weiterführen zu können, ließ er sich parallel zum Landwirt und später zum Forstwirt ausbilden. 2004 gründete Nussel ein Consulting-Unternehmen, das Kommunen und Betriebe bis heute zum Thema ökologische Ausgleichsflächen berät. 

In die Politik kam Nussel eher durch Zufall, sein Elternhaus war unpolitisch. Als, wie er betont, jüngster Kommandant der Feuerwehr Burgstall organisierte er viele große Feste. Diese waren so populär, dass ihn der damalige CSU-Bürgermeisterkandidat von Herzogenaurach angesprochen habe, ob er nicht für den Stadtrat kandidieren wolle. Ob er dieser Bitte auch bei einem SPDler nachgekommen wäre? „Nein“, betont er.

An der CSU schätze er die Bodenhaftung, die Wertschätzung der Natur, aber auch den Schutz des Eigentums, das über Generationen erarbeitet wurde. Danach wurde Nussel unter anderem Chef der CSU-Stadtratsfraktion in Herzogenaurach und Fraktionsvorsitzender der CSU-Kreistagsfraktion Erlangen-Höchstadt. Es gab allerdings auch Rückschläge. „Ich musste immer kämpfen“, sagt Nussel. Die Wahl zum Bürgermeister in Herzogenaurach hatte er 2008 verloren. „Aber das stärkt einen.“ 

Seit 2013 sitzt Nussel im Landtag und ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung. Eine Aufgabe, die ihn erfüllt: „Ich finde es schön, meine Bürger vertreten zu können.“ Was er gar nicht verstehen kann: wenn Abgeordnete wegen zahlreicher Bürgeranliegen „rumjammern“.

Überraschenderweise ist sein Bild von Politiker*innen eher negativ geprägt. Viele wären nur auf den schnellen Erfolg aus. „Gestern so, heute so.“ Das gelte insbesondere für die Energiewende, die ihm parteiübergreifend zu ideologisch betrieben wird. Nussel plädiert für mehr Ehrlichkeit und die Konzentration auf Werte. Viel ließe sich von der Natur lernen, glaubt er. Wer im Wald Bäume rode, müsse sich auch überlegen, welche Auswirkungen das auf die nächsten zehn bis 20 Jahre habe. Dieses langfristige Denken kommt ihm in der Politik zu kurz. „Wir brauchen mehr Verlässlichkeit und Beständigkeit.“

2017 wurde Nussel zum Beauftragten für Bürokratieabbau der Staatsregierung ernannt. Wie ein gelernter Land- und Forstwirt zum Bürokratieabbau kommt? Nussel lacht. Er habe zwei Jahre nach dem Landtagseinzug das Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) gesucht und ihm von seinen Sorgen durch die wachsende Bürokratie berichtet. „Aber nicht mit dem Gedanken, dass ich selbst dafür die Verantwortung übernehme.“ Doch Seehofer ließ nicht locker – bis Nussel schließlich einwilligte. Er ist aber überzeugt, dass er das Amt aufgrund seiner Erfahrungswerte besser ausüben kann als ein Jurist oder ein Verwaltungsfachmann.

Nussel beobachtet gern Menschen im Café

Grundsätzlich hat unser Rechtssystem aus Nussels Sicht für viel Wohlstand im Land gesorgt. „Wir müssen jetzt aber aufpassen, dass es nicht ins Gegenteil umschlägt.“ Viele Unternehmen, Verwaltungen und Ehrenamtliche fühlten sich von der Bürokratie „erdrückt“. „Wir dürfen nicht 1 Prozent schützen, wenn 99 Prozent darunter leiden.“ Daher gelte es jetzt, entsprechende Leitplanken aufzustellen. Besonders wichtig ist es ihm, Verwaltungsangestellte zu mutigen Entscheidungen zu motivieren. „Viele erlassen bei Veranstaltungen angstgetrieben 17-seitige Auflagen, damit ihnen am Ende nichts passiert.“

Was konnte er bewirken als Bürokratiebeauftragter? Zum Beispiel, dass die Kinderwunschbehandlung wieder reaktiviert wurde, sagt er. Oder dass der ehemalige Erlanger Himbeerpalast von Siemens zum Unigelände wurde. Manchmal gehe es auch nur um vermeintlich lapidare Fragen, beispielsweise ob sich in Kitas die Eltern oder nur ausgebildete Fachkräfte um die Essensausgabe kümmern dürfen. Seit 1. Juni gibt es den in der Staatskanzlei angesiedelten Bayerischen Normenkontrollrat mit Nussel als Vorsitzendem. Dieser soll die Staatsregierung als eine Art „Bürokratie-TÜV“ bei der Entbürokratisierung beraten. Er tagt nichtöffentlich. 

Freizeit hat der Nebenerwerbslandwirt wenig. Zwar hält ihm seine Frau, eine gelernte ländliche Hauswirtschafterin, auf dem Bauernhof oft den Rücken frei. Aber wenn es wortwörtlich brennt, zieht sich „der Nussel“, wie er sagt, auch immer noch seine Feuerwehruniform an und rückt gemeinsam mit einem seiner beiden Söhne (29 und 32 Jahre) aus. Zusätzlich ist er Vorsitzender des 1. FC Herzogenaurach. Entspannung findet er in der Sauna, beim Skifahren oder beim Lesen eines Buches zum Thema Wald und Natur. Eines seiner größten Hobbys ist es aber, Menschen beim Kaffeetrinken zuzuschauen. „Ich genieße es, im Café ihr Verhalten zu beobachten.“ Die Frage, ob er 2023 noch mal für den Landtag kandidiert, stellt sich für ihn nicht. „Wenn ich gewählt werde: klar.“
(David Lohmann)

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