Landtag

Photovoltaikanlagen werden für neue Gewerbe- und Industriebauten zur Pflicht. (Foto: dpa/Philipp Schulze)

16.12.2022

Der Traum von der Klimaneutralität

Bayern bekommt ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz – die Opposition vermisst verbindliche Vorgaben

Der Landtag hat mit den Stimmen von CSU und Freien Wählern der nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) notwendig gewordenen Überarbeitung des bayerischen Klimaschutzgesetzes zugestimmt. Der Freistaat soll demnach bis 2040 klimaneutral werden, fünf Jahre früher, als dies bundesweit angestrebt wird. Um die dafür erforderlichen Maßnahmen zu finanzieren, sollen bis 2040 22 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Um ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden, sollen die Staatskanzlei und die bayerischen Ministerien bereits im kommenden Jahr klimaneutral sein.

Im Einzelnen sieht das neue Gesetz die Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf den Dächern staatlicher Gebäude vor. Gleiches gilt auch für neue Gewerbe- und Industriebauten. Privaten Bauherren wird die Montage dringend empfohlen. Um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, wird Bezirken, Landkreisen und Gemeinden erlaubt, als Anlagenbetreibende aufzutreten. Dies soll die Akzeptanz der Bauten in der Bevölkerung erhöhen. Außerdem wird festgeschrieben, dass die Errichtung der Anlagen im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt. Das soll Planungs- und Genehmigungsverfahren erleichtern und beschleunigen. Mit dem Gesetz ist zudem die Gründung einer Landesagentur für Klimaschutz vorgesehen.

Der Klimawandel sei eine der „größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“, sagte der CSU-Abgeordnete Eric Beißwenger. Klimaschutz gehöre deshalb zu den ganz großen Aufgaben dieser Zeit, er müsse aber wirtschaftlich, ökologisch sinnvoll und sozialverträglich gestaltet werden. Das neu gefasste Gesetz biete dafür den notwendigen „Instrumentenmix“ aus ökologischen Verbesserungen, aber auch technologischer Innovation und nachhaltigem Wirtschaften. Die zur Unterstützung der Ziele vorgesehenen 22 Milliarden Euro seien „viel Geld, aber es kostet weniger, als wenn wir jetzt nicht an die Umsetzung gingen“, betonte Beißwenger. 

„Mittlerweile sind mehr Bauminister ausgetauscht worden als PV-Anlagen auf staatlichen Dächern installiert“, schimpfen die Grünen

Harsche Kritik an dem neuen Gesetz äußerte Martin Stümpfig (Grüne). „Auf elf Seiten nichts, das Gesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist“, urteilte er. Die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigte Generalsanierung des Gesetzes sei nicht erfolgt. „Der Versprechen-Brecher Söder hat wieder zugeschlagen“, sagte Stümpfig. Um wirksam die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen, hätten im Gesetz verbindliche Vorgaben gemacht werden müssen. Der Verweis auf das ergänzende Klimaschutzprogramm sei untauglich, da in den drei Jahren seit dessen Vorlage kaum etwas vorangegangen sei. Bei Geothermie oder Windkraft herrsche praktisch Stillstand, der aufgeführte Energieeffizienzfonds stehe noch immer nicht im Staatshaushalt. Auch die Photovoltaik (PV) auf staatlichen Dächern komme nicht voran. „Mittlerweile sind mehr Bauminister ausgetauscht worden als PV-Anlagen auf staatlichen Dächern installiert“, meinte Stümpfig.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn stellte fest, dass der von Söder 2021 geforderte „Klimaruck“ im neuen Gesetz nicht zu spüren sei. Vielmehr greife die Staatsregierung zum Erreichen ihrer Ziele zu „Voodoo“. „Die Klimaneutralität 2040 soll offensichtlich durch Zauberei hergestellt werden, jedenfalls nicht durch konkrete Maßnahmen“, erklärte von Brunn. Diese nämlich fehlten im Gesetz. Als verbindlich umzusetzende Maßnahmen sprach sich von Brunn für eine Verkehrswende mit einem landesweit gestärkten öffentlichen Nahverkehr, die komplette Abschaffung der 10H-Abstandsregel bei der Windkraft, den Ausbau der Geothermie, eine bessere Unterstützung der Kommunen sowie mehr soziale Ausgewogenheit durch Klimahilfen für Haushalte mit niedrigem Einkommen aus. „Wir brauchen eine andere Politik als die von Söders Klima-Bummel-Koalition“, schloss von Brunn.

Die FDP vermisst  umfassende Monitoringprogramme

Auch nach Einschätzung des FDP-Abgeordneten Christoph Skutella sieht „effektiver, effizienter und vor allem engagierter Klimaschutz anders aus“. Um die Fortschritte in der Gesetzesnovelle zu erkennen, brauche es guten Willen, für den Glauben an die Umsetzung eine „gehörige Portion Hoffnung“. Als problematisch für Unternehmen, die dem europäischen Emissionszertifikatehandel unterlägen, sprach Skutella die unterschiedlichen Ziele für die Klimaneutralität an. Es brauche für die Firmen einen konkreten Fahrplan, wie diese nach bayerischem Recht bereits 2040 klimaneutral werden sollten, wo dies europäisch erst für 2050 gefordert werde. Außerdem vermisste Skutella ein umfassendes Monitoring zu Wirksamkeit und Effizienz der im Klimaschutzprogramm aufgelisteten rund 150 Maßnahmen und Regelungen zur immer wichtiger werdenden Kreislaufwirtschaft.

Kein Verständnis für die Forderungen der Opposition brachte Benno Zierer (Freie Wähler) auf. Mit überzogenen Maßnahmepaketen würden die Menschen „verprellt“, anstatt sie für das Anliegen des Klimaschutzes zu gewinnen. „Man muss die Bevölkerung mitnehmen, sonst treibt man sie in die Arme der Rechtsradikalen“, warnte Zierer. Nötig seien vernünftige und gangbare Lösungen, wie sie das neue Klimaschutzgesetz vorsehe. Für die AfD erkannte der Abgeordnete Ingo Hahn keine Notwendigkeit für das Gesetz. Dieses wende sich gegen eine „angebliche Klimakrise“ und sei deshalb „unnötig wie ein Kropf“, weil es auch noch zu höheren Kosten für die Bürger führe. Dringlicher sei die Schaffung einer zukunftsfähigen Energieversorgung. Erst dann könne man sich über Minderungsziele beim CO2-Ausstoß unterhalten. Mit den aktuellen Plänen werde eine „Staatswirtschaft“ aufgebaut, in der aus Hahns Sicht unwirtschaftliche PV- und Windkraftanlagen subventioniert würden.

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) betonte, mit dem überarbeiteten Gesetz gehe Bayern beim Klimaschutz „kraftvoll voran“. „Es ist unser Anspruch, bis 2040 klimaneutral zu werden und damit schneller zu sein als andere“, sagte er. Für die rund 150 konkreten Maßnahmen im Klimaschutzprogramm gebe es Finanzierungspläne und nun auch eine gesetzliche Absicherung. Schon 2023 stelle der Freistaat die versprochene „Klimamilliarde“ bereit und ergänze diese mit weiteren 500 Millionen Euro für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit seiner Wasserstoffstrategie werde Bayern „die Nummer eins in Deutschland sein“. (Jürgen Umlauft) 
 

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