Landtag

Helmut Kaltenhauser. (Foto: dpa/Balk)

20.05.2022

Der Zurückhaltende

Im Porträt: Helmut Kaltenhauser, Haushaltsexperte der FDP-Fraktion

Neulich im Masken-Untersuchungsausschuss des Landtags. Die Sitzung ist vorüber, Abgeordnete und Befragte verlassen den Saal. Die Presse stürzt sich auf: SPD-Fraktionschef Florian von Brunn. Ausschussmitglied Helmut Kaltenhauser (FDP) steht daneben und staunt. Von Brunn, dem selbst SPD-Leute eine ziemlich überschaubare Kenntnis des komplexen Maskenskandals attestieren, habe im Ausschuss doch „eher unsachlich“ agiert, empört sich der FDPler. Dass in der Politik zumeist diejenigen reüssieren, die sich gut verkaufen können und eben nicht die total sachkundigen Fleißbienen, nervt Kaltenhauser gewaltig.

Er selbst zählt – natürlich – zur letztgenannten Truppe. Auf seiner Webseite schreibt der Liberale: „Zuhören, analysieren, machen“, so wolle er Politik betreiben. Wer ihn kennt, glaubt das sofort. Der 60-jährige Mathematiker aus Aschaffenburg ist alles andere als publicityfixiert. Helmut Kaltenhauser, bestätigt der SPD-Finanzpolitiker Harald Güller, sei ein überaus angenehmer, sachkundiger Kollege, und „völlig uneitel, vielleicht sogar zu uneitel“. Die beiden haben oft im Haushaltsausschuss des Landtags miteinander zu tun, ein Gremium, wie geschaffen für Kaltenhauser. Dort wird vorwiegend inhaltlich gearbeitet, die Atmosphäre ist nüchtern-kollegial, spektakuläre Verbalattacken finden selten statt. Und weil hier das Geld verteilt wird, verfügt das Gremium über einige Macht. Landtagsneulinge kriegen selten die Chance, dort mitzuarbeiten.

Kaltenhauser ist eine dieser Ausnahmen. Nach seiner Wahl in den Landtag 2018 war sofort klar, dass er sich innerhalb der Fraktion um das Thema Finanzen kümmert. Immerhin verfügt er über jahrelange Erfahrung im Rechnungswesen der Hessischen Landesbank, davor war er für eine Unternehmensberatung tätig. Der Umgang mit Zahlen ist immer schon Kaltenhausers Passion. Was für die meisten Menschen der blanke Horror ist – abstrakte Algebra – zaubert ihm ein Leuchten in die Augen. „Das ist ein geschlossenes logisches System“, schwärmt Kaltenhauser, „es gibt nur richtig oder falsch.“

Das genaue Gegenteil zur Politik also. Als Abgeordneter muss er „ständig in einer gewissen Unsicherheit entscheiden“, sagt Kaltenhauser, „Man kann nur selten alles zu Ende denken.“ Und man muss oft Kompromisse eingehen – was, räumt er ein, „ziemlich schwer“ sein kann. Trotzdem fasziniert ihn der Politbetrieb. Denn dass man mit abstrakter Algebra die Welt verändern kann, glaubt auch Mathefreak Kaltenhauser nicht.

Bereits als Student guckte er sich die Programme der Parteien an – und landete schnell bei der FDP. Ihn sprach der Freiheitsgedanke an, die Idee, dass der Staat nur Rahmenbedingungen setzt und die Einzelnen möglichst viel selbst entscheiden. Im Jahr 1986 trat er in die FDP ein, avancierte rasch zum Ortsvorsitzenden seiner Heimatgemeinde Höchberg in Unterfranken.

Obwohl ihm sein Job als Banker gefiel, wäre er gern früher hauptberuflicher Politiker geworden. Eigentlich. Doch weil dem bescheidenen Kaltenhauser das politische Kampf-Gen fehlt, wurde daraus erst mal nichts. Zwar kandidierte er insgesamt drei Mal für den Landtag und einmal für den Bundestag. Doch zumeist auf den aussichtslosen hinteren Listenplätzen. Erst bei der Landtagswahl 2018 setzte ihn seine Partei auf Platz 1 der Unterfrankenliste. Nicht weil er darum gekämpft hätte – „die Partei ist auf mich zugekommen“, erzählt Kaltenhauser.

Ursprünglich wollte er mal Musik studieren

Zu dem Zeitpunkt hatte er bereits ein ganz anderes Leben im Blick. Kaltenhauser, damals 57 Jahre alt, verhandelte mit seinem Arbeitgeber nämlich gerade über das Angebot, in den Vorruhestand zu gehen. Denn neben Mathematik und Politik gibt’s noch einiges andere, was ihm Freude bereitet: Zeit mit seiner Frau und den beiden Töchtern verbringen, Golf spielen oder musizieren. Musik: Das war nach dem Abitur sogar sein Berufswunsch. Aber weil er auch Realist ist, gestand er sich ein, dass sein Talent wohl nicht zum Konzertpianisten reichen würde.

Die Musik nimmt nach wie vor einen großen Platz in seinem Leben ein. Kaltenhauser singt als Bass im Männergesangsverein Alzenau und setzt sich regelmäßig an seinen Steinway-Flügel. Singen und Klavierspielen seien wundervoll, schwärmt er: „Man bekommt den Kopf frei.“ 

Seine Liebe zur Musik hat ihm unlängst einen hübschen Zusatzjob eingebracht: Nach dem Rücktritt des CSU-Abgeordneten Marcel Huber übernahm Kaltenhauser dessen Posten als Präsident des Bayerischen Musikrats. Das Gremium ist ein Zusammenschluss von Laien- und Profimusikverbänden und vertritt rund eine Million Musiker*innen im Freistaat. Der Job ist prestigeträchtig – bei Teilen der CSU sorgte die Personalie Kaltenhauser deshalb für neiderfülltes Stirnrunzeln. Ein FDPler an der Spitze des Musikrats ist in Bayern ein Novum.

Als Haushaltspolitiker treibt Kaltenhauser zurzeit vor allem eines um: dass zu viel Geld ausgegeben wird. Die horrende Zunahme der Staatsverschuldung im Zuge der Pandemie und des Ukraine-Krieges sieht er mit Sorge. „Da bin ich mit der Bundes-FDP nicht einverstanden“, sagt Kaltenhauser.

Mit FDP-Chef Christian Lindner ist er deshalb schon öfter aneinandergeraten. Dessen Idee, die Kommunen in Deutschland auf Staatskosten zu entschulden, treibt Kaltenhauser die Zornesröte ins Gesicht. Bringt nix, sagt er: „Das löst das Problem nicht.“ Denn nach ein paar Jahren seien neue Schulden aufgetürmt. Eine Alternative wären verlässlichere Einnahmen für die Kommunen, so Kaltenhauser. Die Gewerbesteuer, derzeit eine der Haupteinnahmequellen der Gemeinden, sei zu unzuverlässig.

Auch im Freistaat registriert der Liberale den Hang zur „Geldverschwendung“. Er beklagt „Förderprogramme ohne Ende“, die nach dem Prinzip Gießkanne erfolgen. „Das muss zielgenauer erfolgen“, verlangt er. Da kommt der Banker und Unternehmensberater in ihm durch. Wenn der Staat Geld ausgibt, müsse klar sein: Was soll erreicht werden, wie geht das, und wird es überprüft, betont Kaltenhauser. Mit Blick auf den Maskenskandal der jetzt in einem Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden soll, fragte er: „Warum konnten Technisches Hilfswerk und Rotes Kreuz Masken großteils selbst wesentlich billiger besorgen? Warum konnte der Staat das nicht?“ Berechtigte Fragen, mit denen Kaltenhauser bislang leider kein großes mediales Echo erzeugte. An seiner PR-Fähigkeit müsse er noch feilen, sagt er und gesteht: „Die inhaltliche Arbeit ist mir zehn Mal wichtiger.“ (Waltraud Taschner)

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