Landtag

Gibt es ein Comeback der Bundeswehr-Musterung? (dpa/Gentsch)

14.04.2022

"Die aktuelle Spararmee reicht nicht aus"

Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verlangen die Freien Wähler, die Abschaffung der Wehrpflicht rückgängig zu machen

Die Freien Wähler fordern Geld aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr für bayerische Standorte und die Einführung eines zwölfmonatigen Pflichtdienstes für junge Männer und Frauen. Dafür wäre allerdings eine Grundgesetzänderung notwendig.

Wenn Bernhard Pohl über die Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 spricht, hält er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Ein „großer Fehler“ sei das gewesen, der die Bundeswehr erheblich geschwächt habe, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Freien Wähler (FW) im Bayerischen Landtag. Dass der Verteidigungsminister damals Karl-Theodor zu Guttenberg hieß, Mitglied des Koalitionspartners CSU, übergeht er dabei geflissentlich. Lieber spricht er davon, wie sich die damalige Entscheidung wieder ausbügeln lassen könnte. Nämlich durch die Einführung eines zwölfmonatigen Pflichtdienstes für junge Männer und Frauen, wahlweise bei Bundeswehr, Rettungsdiensten, in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder im Dienst von Umwelt- und Klimaschutz. 

Diese Forderung steht auch in einem Papier, das die Freien Wähler diese Woche vorgelegt haben. Es zielt auf die Potenziale bayerischer Bundeswehrstandorte ab, die es nach Meinung der Partei zu heben gilt. Die Botschaft kommt nicht von ungefähr: Schließlich hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, ein 100 Milliarden Euro umfassendes Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr angekündigt. Ein Teil dieses Geldes soll nach dem Willen der Freien Wähler in den Freistaat fließen. „Es wäre schön, wenn jeder dritte Euro davon hier ausgegeben würde“, sagt Pohl. Dafür brauche man aber gute Konzepte, ebenso mehr Personal. 

Womit man wieder beim verpflichtenden Gemeinschaftsjahr wäre, von dem sich die Freien Wähler eine Stärkung der Bundeswehr erhoffen. Laut Umfragen seien 75 Prozent der Bevölkerung für eine solche Neuerung, für die eine Grundgesetzänderung notwendig wäre, betont der verteidigungspolitische Sprecher. Seine Forderung nach personellem Wachstum untermauert er mit Zahlen: Während die Truppenstärke 1990 noch bei 500 000 lag, dienten aktuell nur noch knapp 265 000 Soldat*innen und Zivilbeschäftigte in der Bundeswehr. Eine solche „Spararmee“ sei kaum in der Lage, zur Sicherung des Friedens beizutragen.

Für die Neuaufstellung der Bundeswehr könne Bayern einen entscheidenden Beitrag leisten, stellt Pohl heraus: „Im ganzen Freistaat gibt es leistungsfähige Einheiten, die gestärkt und ausgebaut werden können.“ Um sich ein genaueres Bild davon zu machen, werde er in den nächsten Wochen mehrere bayerische Bundeswehrstandorte besuchen, kündigt er an. An der Stärkung der Armee könne auch die bayerische Luftfahrt- und Rüstungsindustrie mitwirken – und dadurch gleichzeitig von den Milliarden aus Berlin profitieren. 

Wie wichtig das geplante Sondervermögen für die Verteidigung ist, macht der frühere Oberst und jetzige FW-Militärexperte Richard Drexl deutlich. Derzeit fehle es in der Bundeswehr an allen Ecken und Enden: an Menschen, an Material, an Ersatzteilen, an Geld für Instandsetzungsarbeiten. Stärken müsse man aber nicht nur die Standorte in Bayern, sondern auch die europäische Luftfahrt- und Rüstungsindustrie, insbesondere die bayerische, um sich unabhängiger von den USA zu machen. Kritisch sieht Drexl deshalb die Pläne von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), bis zu 35 US-amerikanische F-35-Kampfjets für die Bundeswehr anzuschaffen. Auch aus dem Grund, weil man damit viel Geld für veraltete Konzepte ausgebe. Die Flugzeuge könnten zwar als Träger für Atomwaffen dienen. Effektiver wäre es jedoch, für diesen Zweck auf Raketensysteme oder Cruise Missiles zu setzen, weil diese größere Reichweiten hätten. Drexls Fazit: Die F-35 gehöre nicht nur „zur Politik der 1970er-Jahre“, sondern ihr Kauf schade letztlich der bayerischen Rüstungsindustrie.  (Brigitte Degelmann)

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