Landtag

04.01.2019

"Die Digitalisierung ist bedeutender als der Buchdruck"

Sandro Kirchner (CSU), Chef des Wirtschaftsausschusses, über die Herausforderungen für Bayerns Unternehmen, das Abkühlen der Konjunktur und drohende Diesel-Fahrverbote

Der 43-Jährige aus dem unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen erfährt regelmäßig selbst, wie groß die Lücken im Mobilfunknetz noch sind. Immerhin: Sein kleines Dorf Burkardroth in der Rhön ist bereits ans schnelle Internet angeschlossen. Als neuer Chef des Wirtschaftsausschusses im Landtag ist ihm die Digitalisierung besonders wichtig. Aber nicht nur die.

BSZ: Herr Kirchner, Ihr Vorgänger Erwin Huber war 10 Jahre lang Chef des Wirtschaftsausschusses. Wie groß sind die Fußstapfen, die er hinterlassen hat?
Sandro Kirchner: Erwin Huber finde ich klasse. Mit seinem Wissen und seinem Gespür hat er als Querdenker und Visionär unheimlich viel in die bayerische Politik und für den Wirtschaftsstandort einbringen können. Die Fußabdrücke, die er hinterlassen hat, sind wirklich groß.

BSZ: Wie viel Querdenker steckt in Ihnen selber?
Kirchner: Querdenken gehört immer dazu. Neue Denkansätze sind notwendig, um politische Diskussionen an der ein oder anderen Stelle zu aktivieren.

BSZ: Welche Bereiche haben Sie im Blick, wo liegen Ihre persönlichen Schwerpunkte?
Kirchner: Als Ingenieur der Elektrotechnik und durch meine Erfahrungen in der Industrie sind mir die Themen Digitalisierung und Energie neben vielen anderen sehr wichtig.

BSZ:
Bayern hat nun eine eigene Ministerin für Digitalisierung. Viele fragen sich allerdings, für was Judith Gerlach eigentlich zuständig ist. Breitbandausbau, E-Government, Cyber-Security und Digitalisierung der Schulen sind Themen, bei denen das Finanz-, Wirtschafts- und Kultusministerium den Hut aufhaben.
Kirchner: Das Ministerium ist aus einer Hand zuständig für die Grundsatzfragen und die Gesamtkoordinierung der Digitalisierung in Bayern. Es definiert unsere strategische Ausrichtung, einzelne Ressorts sind dann für die Umsetzung der konkreten Maßnahmenschritte verantwortlich. Ich glaube, die Digitalisierung wird eine nachhaltigere Bedeutung haben als die Entwicklung des Automobils oder des Buchdrucks. Eine Stelle, die diesen umfassenden Themenbereich mit einem ganzheitlichen Blick zusammenfasst, auch die ethischen und gesellschaftlichen Fragen der Digitalisierung beleuchtet, die Ressorts koordiniert und strukturiert, ist da nur konsequent und richtig.

BSZ: Einen entsprechenden Digitalisierungsausschuss aber gibt es nicht. Warum?
Kirchner: Für die Wirtschaft in Bayern ist die Digitalisierung ein Thema von fundamentaler Bedeutung, deshalb ist es bei uns gut aufgehoben. Wenn Sie an die Themenbreite des Wirtschaftsausschusses in der letzten Legislatur zurückdenken, ist es durchaus nichts Ungewöhnliches, dass Themenbereiche von mehreren Ressorts in einem Ausschuss gebündelt werden.

"Aiwanger wird sich schon auch noch mit anderen Themen befassen"

BSZ: Wie lässt sich denn die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsminister Aiwanger und den FW an?
Kirchner: Der Start stimmt mich bislang sehr zuversichtlich.

BSZ: Ist es in Ihren Augen die richtige Prioritätensetzung, dass eine erste Forderung Aiwangers eine Subventionierung von Wirtshäusern war?
Kirchner: Der Wirtschaftsstandort Bayern hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Wir müssen alles dafür tun, dass diese positive Entwicklung weitergeht. Unser Hauptaugenmerk liegt dabei auf den tragenden Säulen Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die bayerische Wirtschaft ist in hohem Maß innovativ und exportorientiert. Bayern ist aber auch Tourismusland mit einer wichtigen Gastronomie und Hotellerie. Aiwangers erster Vorstoß zu heimischen Gastwirtschaften schließt ja nicht aus, dass er noch viele andere wirtschaftspolitische Themen betrachten und weiterentwickeln wird.

BSZ:
Bayerns Unternehmer sorgen sich zunehmend um die wirtschaftliche Lage. Ziehen 2019 schwarze Wolken auf?
Kirchner: Die Welt steht vor großen Herausforderungen wie Kriegen, Handelsstreitigkeiten oder Brexit, von denen auch Bayerns exportorientierte Wirtschaft abhängt. Aber auch für 2019 ist ein Wirtschaftswachstum prognostiziert, wenn auch in gedämpfter Form.

BSZ: Was kann Bayern tun?
Kirchner: Man muss diese Entwicklungen ganz genau beobachten und die richtigen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort der Zukunft setzen. Neben einer gezielten Wirtschafts- und Innovationsförderung zählen hierzu unter anderem Maßnahmen zur Fachkräftesicherung und zum Bürokratieabbau. Und man muss für Stabilität sorgen. In Bayern wurde die Regierung schnell gebildet. Und dabei standen Besonnenheit und Vernunft im Vordergrund, nicht Aktionismus.

BSZ: Ein großes Sorgenkind ist die Automobilbranche – auch durch hausgemachte Probleme wie die Dieselkrise. Lassen sich Fahrverbote noch abwenden?
Kirchner:
Fahrverbote sind definitiv nicht unser Ziel. Wir brauchen einen Kompromiss, der allen Seiten hilft: der Umwelt, den Dieselfahrern, den Unternehmen und dem Land.

"Man darf sich nicht nur auf das Thema Diesel einschießen"

BSZ: Müsste man denn nicht in erster Linie die Hersteller, die betrogen haben, zur Rechenschaft ziehen?
Kirchner: Natürlich muss man sie dabei in die Pflicht nehmen. Vor allem aber müssen wir das Thema Mobilität und Umwelt ganzheitlich betrachten, statt uns nur auf diesen einen Punkt einzuschießen. Wir brauchen eine Verkehrswende mit dem Ausbau und Abstimmung von ÖPNV, Schiene, Rad, alternative Antriebe, intelligente Verkehrsleitsysteme und und und ...

BSZ: Zurück zum Thema Digitalisierung. Bayern ist in fast allen Bereichen spitze, beim diesem Thema liegt der Freistaat aber nur im Mittelfeld. Warum?
Kirchner: Zumindest im deutschlandweiten Vergleich liegen wir weit vorne. Mit unserem Investitionsprogramm BAYERN.DIGITAL haben wir bis zum Jahr 2022 etwa 5,5 Milliarden Euro für schnelles Internet, smarte Zukunftstechnologien und digitale Bildung zur Verfügung gestellt!

BSZ: Vom schnellen Internet träumt noch so manches bayerische Dorf.
Kirchner: Wie im Bereich der Energieversorgung gibt es auch im Telekommunikationssektor Defizite, die der Markt selbst nicht aufgefangen und beseitigt hat. Der Freistaat hat das erkannt und flankiert den Ausbau deshalb mit Anreizen und Förderungen. Ein großes Projekt war die Breitbandinitiative, um möglichst schnell Glasfaser in die Fläche zubringen. Mehr als 90 Prozent der bayerischen Kommunen haben von diesem Förderverfahren profitiert. Auch in meinem kleinen Dorf in der Rhön ist das schnelle Internet angekommen. Ich selbst habe eine 50 MBit-Leitung, könnte mir aber auch ein Glasfaserkabel ins Haus legen lassen, brauche es aber nicht. Und so geht es nicht nur mir. Deshalb sind Zahlen nur bedingt aussagekräftig. Unbestritten benötigen Unternehmen einen Breitbandanschluss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Aber auch hier haben wir mit dem Förderprogramm viel erreicht. Wir sind also keineswegs abgehängt, sondern sehr gut dabei. Unser Ziel ist klar: Bis 2025 wollen wir alle Haushalte in Bayern gigabitfähig machen.

BSZ: Und im Bereich Mobilfunk? Haben Sie schon mal eine Zugfahrt ohne Mobilfunklöcher erlebt?
Kirchner: Wir Landtagsabgeordnete sind hier die besten Feldversuchs-Kandidaten. Ich fahre jede Woche mit dem Zug nach München – und gebe meine leidvollen Erfahrungen gerne an die Telekommunikationsanbieter weiter. Tatsächlich sehe ich beim Thema Mobilfunk noch größere Herausforderungen auf uns zukommen. Denn es gibt zu viele Defizite, die nicht auf kurze Sicht behoben werden können – auch weil Bayern nicht die Zuständigkeit hat, sondern der Bund. Aber auch hier haben wir flankierende Maßnahmen auf den Weg gebracht.

BSZ: Und zwar?
Kirchner: Mit dem neuen Mobilfunk-Förderprogramm unterstützt der Freistaat Kommunen beim Bau von Mobilfunkmasten finanziell mit einem beträchtlichen Umfang von 80 bis sogar 90 Prozent. Der Vorteil: Die Masten der Kommunen können alle Marktanbieter nutzen. Außerdem brauchen wir in Deutschland Überlegungen zum nationalen Roaming, damit sich Mobilfunkgeräte automatisch in das beste verfügbare Netz einbuchen können. Und auch die fünfte Mobilfunkgeneration, kurz 5G, steht vor der Tür. Hier muss dafür gesorgt werden, dass über die Lizenzvergabe und über Anreize die Flächendeckung besser gewährleistet wird als in der Vergangenheit.
(Interview: Angelika Kahl)

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