Landtag

Nicole Bäumler arbeitete als Berufsschullehrerin. (Foto: Stark)

17.11.2023

Die Frau aus der Praxis

Die SPD-Abgeordnete Nicole Bäumler im Porträt

Nicole Bäumler hat gerade eine ihrer ersten Plenarsitzungen hinter sich und ist erstaunt über den rauen Ton, der da im Gremium herrscht. Es ging an diesem Mittwoch um die Verteilung der Ausschussvorsitze. Während der Diskussion kam aus der AfD-Fraktion der Vorwurf, CSU und Freie Wähler hätten ein „kleines Ermächtigungsgesetz“ durchgesetzt, um sich den Zugriff auf die drei wichtigsten Ausschüsse zu sichern. Ein Nazivergleich, der auch die neue Landtagsabgeordnete der SPD schockiert hat, wie sie erzählt. „Man muss das aber aushalten und mit guter Sachpolitik dagegenhalten.“

Gute Sachpolitik, das heißt bei der 36-Jährigen aus dem kleinen Schirmitz im oberpfälzischen Landkreis Neustadt an der Waldnaab vor allem Bildungspolitik. Sie kommt nämlich aus der Praxis. Vor ihrem Einzug in den Landtag arbeitete sie als Lehrerin am Beruflichen Schulzentrum in Schwandorf. Dort unterrichtete sie junge Leute, die nach der Schule keine Lehre fanden, gab Flüchtlingen Deutschunterricht und bildete Lehrkräfte aus.

„Da habe ich am eigenen Leib erfahren, was alles schiefläuft“, sagt sie. Zu viele Verwaltungsaufgaben, zu viele Tätigkeiten, die nur wenig mit dem eigentlichen Berufsbild einer Lehrkraft zu tun haben, und natürlich über allem thronend der generelle Personalmangel. „Das ist schon ein hausgemachtes Problem“, sagt Bäumler.

Sie selbst hatte in Passau Gymnasiallehramt studiert und wollte eigentlich Lehrerin am Gymnasium werden. Doch nach dem Referendariat gab es keine Planstelle. Und so sei es damals vielen Kommiliton*innen gegangen. Bäumler entschied sich für eine Weiterbildung für das berufliche Lehramt, andere verloren ganz das Interesse an dem Beruf. „Die wollten sich halt nicht von einem Aushilfsvertrag zum nächsten hangeln.“

Nicole Bäumler wünscht sich dringend, dass der Lehrberuf attraktiver wird. Dass nun für Grund- und Mittelschullehrkräfte das Gehalt angehoben werden soll, sei zwar gut, die stufenweise Anhebung geschehe aber viel zu langsam. Doch für sie geht es nicht nur ums Gehalt. Sie fordert eine Entlastung bei den Verwaltungsaufgaben. „Und wir brauchen multiprofessionelle Teams.“ Die Lehrkräfte sollten überall durch Sozialpädagog*innen und Psycholog*innen unterstützt werden. Nur in so einem Verbund, davon ist sie überzeugt, könnte man gezielt an den Schwächen und Stärken der Kinder und Jugendlichen arbeiten.
Und gute Bildung für alle ist für sie der Schlüssel zu einer gerechteren Gesellschaft. Dafür will sie sich auch ab kommender Woche im Bildungsausschuss des Landtags einsetzen. „Ich freue mich schon, wenn es losgeht.“

Dass sie als Teil der Opposition und vor allem als Mitglied der inzwischen kleinsten Landtagsfraktion nur wenig Chancen haben dürfte, eigene Schwerpunkte zu setzen, ist ihr bewusst. Frustrieren werde sie das aber nicht, sagt Bäumler. „Es ist mir eine Ehre, im Landtag zu sein.“

Ihre Fraktion musste allerdings bei der Landtagswahl eine erneute historische Schlappe hinnehmen. Von 9,7 Prozent im Jahr 2018 fiel die SPD jetzt auf 8,4 Prozent, entsprechend schrumpfte die Größe der Fraktion auf nur noch 17 Abgeordnete.

Auch Nicole Bäumler musste deswegen lange um ihren Einzug in den Landtag bangen. Als Direktkandidatin im Stimmkreis Weiden in der Oberpfalz war sie abgeschlagen mit 9,5 Prozent der Stimmen auf Platz fünf gelandet. Ganz knapp reichte es dann aber über die Liste – mit nur rund 700 Stimmen Vorsprung vor dem nächsten Kandidaten. Eine Zitterpartie.

Im Wahlkampf traf sie auf viel Ampel-Wut

Dass der Wahlkampf womöglich zu akademisch gewesen und damit das Stammklientel der Partei gar nicht erreicht oder sogar vergrault worden sei, wie Kritiker*innen nach der Landtagswahl monierten, streitet Bäumler ab. „Wir Kandidaten und Kandidatinnen haben ja vor Ort, woher wir auch kommen, Wahlkampf gemacht. Und wir waren sicher nicht zu akademisch.“

Aus ihrer Sicht hat die Unzufriedenheit vieler Menschen mit der von der SPD geführten Bundesregierung alles andere überlagert. „Wir sind mit unseren Landesthemen überhaupt nicht durchgedrungen.“ Auch an den Wahlkampfständen sei es kaum möglich gewesen, über etwas anderes als die Vorbehalte der Menschen gegenüber der Berliner Ampel zu sprechen. 

Wichtig ist für sie, dass die Fraktion nun die Arbeit aufnimmt und diese auch gut kommuniziert, damit die Menschen wissen, wofür die Partei steht. „Und das ist immer noch das Thema soziale Gerechtigkeit.“ Auf die Partei lässt Bäumler nichts kommen. 

Die Oberpfälzerin räumt ein, dass sie „erblich vorbelastet“ ist: Sie stammt, wie sie erklärt, aus einem sozialdemokratischen Elternhaus. Ihre Mutter saß 22 Jahre lang für die SPD im Schirmitzer Gemeinderat. Sie selbst fand während ihres Studiums und der Diskussionen über die Studiengebühren zur Juso-Hochschulgruppe und trat dann auch in die SPD ein. 13 Jahre ist das her. Mittlerweile sitzt auch Nicole Bäumler im Schirmitzer Gemeinderat, sie ist längst Orts- und Kreisvorsitzende.

Doch nicht nur die SPD ist ihr wichtig, auch ihre Heimat liegt ihr am Herzen. Als Au-pair verbrachte sie nach dem Abitur ein Jahr in den USA, während ihres Referendariats wohnte sie zeitweise in München. „Ich habe gerne in München gelebt, aber wie man auf Oberpfälzisch sagt: Daham is daham. Mein Lebensmittelpunkt ist Schirmitz.“

Dort lebt sie mit ihrem Ehemann, dort befinden sich ihre Freundinnen und Freunde, dort spielt sie in ihrer Freizeit Tennis und dort gibt sie, wenn es der Terminkalender zulässt, auch mal Kindern Tennisunterricht. Wenn dann noch Zeit ist, geht sie gern wandern. 

Das kleine Schirmitz mit seinen knapp 2000 Einwohner*innen in der Nähe von Weiden hat von Bäumlers Einzug in den Landtag schon profitiert – zumindest beim Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia. Dort wird sie nun als erste – und einzige – erwähnenswerte Persönlichkeit aus dem Ort genannt.
Großprojekte, etwa neue Firmen, wird sie für ihre Heimat als Abgeordnete wohl nicht an Land ziehen. „Aber ich setze mich für Bildungsgerechtigkeit in Bayern ein – und das kommt dann ja auch meinem Stimmkreis zugute.“ (Thorsten Stark)
 

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