Landtag

Ursula Sowa. (Foto: Le Mile Studios)

12.11.2021

Die Praktikerin

Im Porträt: Ursula Sowa, baupolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion

Ursula Sowa gehört zu den wenigen Landtagsabgeordneten, die schon einmal eine Legislaturperiode im Bundestag saßen. 2002 bis 2005 war die Bamberger Architektin Mitglied der Grünen-Bundestagsfraktion, es war die „zweite Halbzeit“ der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Das prägt natürlich. Sowa (64) saß zwischen Hans-Christian Ströbele, der damals erstmals das Direktmandat in Berlin-Kreuzberg gewonnen hatte, und Winfried Hermann, der heute Verkehrsminister in Baden-Württemberg ist.

Ursula Sowa erinnert sich an ihre Zeit in Berlin, „als wär’s gestern, die Zeit ist tatsächlich sehr nah“. Aber das heißt nicht, dass sie den drei Jahren nachtrauert. „Bundestag ist kälter, distanzierter, wirklich viele Nummern größer“, sagt sie, „schon räumlich, von A nach B zu kommen, die Kontakte zu halten.“

Der Vergleich fällt für sie eindeutig aus: „Ich fühle mich hier im Landtag von meinem Naturell her wesentlich wohler.“ Und sie weiß auch, warum: „Weil’s menschlicher ist.“ Die Jahre im Bundestag sieht sie auch als Abhärtung: „Mich schreckt nichts mehr.“
Berlin war der verheirateten Mutter dreier Kinder aber längst zuvor vertraut; an der dortigen Hochschule der Künste absolvierte sie ihr Architekturstudium, das sie 1983 als Diplom-Ingenieurin abschloss. Anschließend arbeitete sie als selbstständige Architektin in Bamberg, wo sie 1990 mit der Grün-Alternativen Liste in den Stadtrat einzog und 2000 Fraktionsvorsitzende wurde. Im gleichen Jahr holte sie als OB-Kandidatin 14 Prozent. Die Tätigkeit als Stadträtin hat sie erst 2020 aufgegeben.

Wenn es um Bamberg geht, die Weltkulturerbestadt mit ihrer alten Bausubstanz, ist Ursula Sowa ganz in ihrem Element. Als Architektin hat sie sich auf die Sanierung von Wohnhäusern spezialisiert, aber sie schiebt gleich nach: „Ich schließe das Neue nicht aus.“ Natürlich hat sie auch schon Neubauten entworfen. Ihre Maxime sei: „Im Zweifelsfall immer erhalten, und zwar so authentisch wie möglich“, doch wenn man Neues hinzufügen müsse, dann bitte „nicht historisierend, sondern diese Akzente dann bewusst neu!“
Aus lauter Ehrfurcht vor dem Alten so zu tun, als lebe man im Mittelalter, das geht für Ursula Sowa gar nicht. Die Moderne, die Gegenwart habe keinen Grund, sich zu verstecken, im Gegenteil: „Jede Epoche soll ablesbar sein.“

Sowa ist stellvertretendes Mitglied im Bayerischen Landesdenkmalrat, der vom Wissenschaftsministerium berufen wird und beratende Funktion hat. Ihr Kampf für den Denkmalschutz findet aber genauso auf lokaler Ebene statt, mit solchen Verbündeten wie dem renommierten Professor Achim Hubel. Bei dem Namen kommt Sowa gleich ins Schwärmen: „Der ist oft im Weg, wenn es um Investorenprojekte geht, wo es einfach nur ums Geldverdienen geht.“ Eine mitten in der Bamberger Altstadt geplante riesige Einkaufsmall sei durch Hubels Hartnäckigkeit und durch rege Bürger*innenbeteiligung wesentlich kleiner ausgefallen: „Das Schlimmste wurde verhindert.“ Sowa über Achim Hubel: „Wir haben uns gut verstanden!“

Politisiert wurde Ursula Sowa im Protest gegen das in Viereth bei Bamberg geplante Atomkraftwerk. Zwanzig Jahre lang gab es Widerstand gegen die Pläne, bis sie Ende der 90er-Jahre vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) beerdigt wurden. Insofern ist Ursula Sowa eine klassische Grüne.

Regieren in Bayern? „Das wäre mein Traum“

Auch was ihre Abneigung gegen die AfD angeht, spricht sie Tacheles. Gleich in ihrer ersten Rede im Landtag im März 2019 legt sie sich mit der Fraktion Rechtsaußen an. Die AfD will über eine Änderung der Bauordnung ein Minarettverbot erreichen – Sowa ist als baupolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion dran, dazu Stellung zu nehmen. Ebenso unaufgeregt wie unmissverständlich stellt sie klar: „Getarnt als Änderung der Bayerischen Bauordnung ist dieser Gesetzentwurf der AfD nichts anderes als ein Mittel, um eine Religionsgemeinschaft in Misskredit zu bringen.“ Sowa belässt es nicht bei allgemeinen Worten. Sie verweist darauf, dass keine Woche zuvor ein Rechtsterrorist im neuseeländischen Christchurch in zwei Moscheen 51 Personen ermordet hat, und macht den „Hass auf Menschen islamischen Glaubens, der auf der ganzen Welt immer wieder von bestimmten Gruppen gesät wird“, für diese Tat mitverantwortlich.

Dass ihre erste Rede im Landtag „von der AfD initiiert“ war, bedauert Sowa aber. Denn ihre Leidenschaft ist das Bauen beziehungsweise das Baurecht, das nicht als Vehikel für andere Zwecke instrumentalisiert werden solle.

Mit der Politik der Landesregierung steht Sowa dabei auf Kriegsfuß. Mit Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) geht sie hart ins Gericht, wobei sie betont, dass sie mit Schreyer persönlich keinerlei Probleme habe. Aber „Bauen, bauen, bauen“? Die Parole der Bauministerin ist Sowa zu einfach. „Denken, denken, denken!“, hält die baupolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion dagegen. „Bauen um des Bauens willen, das kann’s nicht sein!“ Die Regierung tue viel zu wenig, um eine intelligentere Architektur und Bauweise zu pushen. Es gebe hier sehr viele neue Ansätze, die entweder gar nicht oder zu wenig gefördert würden. Beispiel Lüften in Schulräumen: Erst durch die Pandemie sei dieses Thema auf den Tisch gekommen, dabei sollte in öffentlichen Gebäuden unabhängig von Infektionsschutzmaßnahmen „ein Anspruch auf angemessene Lüftung“ gelten.

Man solle da „nicht alles auf die Technik schieben“, es gehe nicht darum, „nur einen Luftfilter in jeden Raum zu stellen“. Es gebe hierfür längst Lowtech-Lösungen, wie sie zum Beispiel an der TU München entwickelt werden. Man könne die Technik „wesentlich minimieren“ und „mit einfachen Mitteln“ eine gute Raumlüftung erreichen.

Sicher, nur ein Detail. Doch Sowa sieht die Grünen in Bayern insgesamt „gut aufgestellt“. Regierungsbeteiligung? Sowa zögert keine Sekunde: „Wir hätten das Know-how!“ Hier in München Mitglied einer grünen Regierungsfraktion zu sein – Sowa bekennt: „Das wär jetzt noch ein Traum von mir!“ (Florian Sendtner)

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