Landtag

Wissenschaftsminister Blume (CSU) will weiterhin die Robotik stärken. Der Opposition kommen Geistes- und Sozialwissenschaften zu kurz. (Foto: dpa/Hoppe)

28.04.2023

Dissens um Spitzentechnologie

In einer Regierungserklärung stellt Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) seine Hightech-Pläne vor – die Opposition ist enttäuscht

Die Staatsregierung will die von ihr angestoßene Hightech-Agenda (HTA) nach der Landtagswahl mit frischem Geld fortsetzen. Zu den bisher schon bereitgestellten 3,5 Milliarden Euro sollen bis 2027 weitere 2 Milliarden kommen. „Wir lassen nicht nach, wir legen nach“, sagte Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) in einer Regierungserklärung. Ziel sei unter anderem der Aufbau einer Exzellenz-Universität von internationalem Rang in Nordbayern. Bislang sind nur die beiden Münchner Universitäten im Exzellenzrang.

Als neue Forschungsschwerpunkte nannte Blume die Kernfusion, wofür eine Demonstrationsanlage für laserinduzierte Fusion entstehen soll, den Bau eines in der Praxis nutzbaren Quantenrechners und die Entwicklung eines humanoiden Roboters, „der uns dient und nicht ersetzt“. Mit der „Mission Anthrobot“ wolle man in Bayern einen „echten Global Champion der Robotik“ schaffen. Auch den derzeit stillgelegten Forschungsreaktor in Garching will Blume mit dann niedrig angereichertem Uran wieder in Betrieb nehmen. Man starte damit in ein „neues Zeitalter der Kernforschung“.

Um die HTA in die Fläche zu bringen, werden fünf weitere Technologietransferzentren (TTZ) auf den Weg gebracht. Standorte sind Leipheim/Aichach in Nordschwaben, Schwandorf, Kronach/Lichtenfels, Neustadt a. d. Aisch und Stein im Landkreis Fürth. Insgesamt wird es in Bayern dann 46 TTZ geben. „Das ist ein klares Technologiebekenntnis für ganz Bayern“, sagte Blume. Man verbinde damit Wissenschaft und Wirtschaft auf lokaler Ebene, um Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand zu sichern.

Nach Blumes Bilanz zeigt die 2019 gestartete HTA bereits Erfolge. Die Mehrzahl der 1000 neuen Professuren sei besetzt, gut 55 Prozent der Lehrstuhlinhaber*innen kommen von außerhalb Bayerns. „Wir schaffen es, dass die besten Köpfe nach Bayern kommen“, betonte Blume. Positiv bewertete er zudem, dass mehr als 80 Prozent der bayerischen Abiturient*innen zum Studieren im Freistaat blieben. Die Hochschulen seien damit eine „Talentschmiede“ für das Land. Die HTA sei auch eine „technologische Unabhängigkeitserklärung“. Mit eigener Spitzenforschung und der Nachwuchsausbildung sei man weniger auf Technologieimporte angewiesen.

Die Opposition sah die Wissenschaftspolitik im Freistaat zu einseitig auf Hightech ausgerichtet

Begleitet werde die HTA von einer Bauoffensive an den Hochschulen. In dieser Legislaturperiode seien dafür 6,5 Milliarden Euro eingesetzt worden. „Wir kleckern nicht, wir klotzen – und alle Regierungsbezirke profitieren davon“, sagte Blume. Als Beispiele nannte er das Uniklinikum Augsburg und den Neubau der Technischen Universität Nürnberg. In diesem Zusammenhang versprach Blume die Schaffung weiteren bezahlbaren Wohnraums für Studierende. Allein in München würden 70 Millionen Euro für neue Studentenwohnheimplätze eingesetzt. „Wir machen aus der Sanierungsstadt Freimann wieder eine echte Studentenstadt“, kündigte Blume ein Ende des dortigen Leerstands von mehr als 1000 Wohnungen an.

Die Opposition sah die Wissenschaftspolitik im Freistaat zu einseitig auf Hightech ausgerichtet. Angesichts der wachsenden ethischen Herausforderungen, die neue Technik wie künstliche Intelligenz und Robotik mit sich bringe, sei dies kurzsichtig, meinte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. „Eine Vernachlässigung der Geistes- und Sozialwissenschaften kann sich eine Wissensgesellschaft wie unsere nicht leisten“, sagte sie. Bayern müsse auch „Weltmarktführer“ beim Klimaschutz werden. Zudem fehlten jenseits von Hightech Investitionen in die Infrastruktur der Hochschulen. Bei den Gebäuden gebe es einen Sanierungsstau von 7 Milliarden Euro, die Arbeitsbedingungen im akademischen Mittelbau seien weiter oft prekär und es fehle vielerorts an bezahlbarem Wohnraum für Studierende.

Christian Flisek (SPD) erklärte, in der inzwischen dritten Regierungserklärung zur HTA seit 2019 sei „nichts substanziell Neues“ enthalten. Grundsätzlich begrüße er die Hightech-Investitionen, er warne aber vor einer weiteren Zentralisierung von Forschung und Wissenschaft in Bayern. „Das große Geld fließt in die Metropolregionen München und Nürnberg“, bilanzierte Flisek. Die gewünschte Internationalisierung dürfe nicht zulasten kleinerer Hochschulen in ländlichen Regionen gehen. Dem widersprach Stephan Oetzinger (CSU). 80 Prozent der mit der HTA neu geschaffenen 13 000 Studienplätze entstünden außerhalb Münchens. Zusammen mit den TTZ sei dies eine „Chance für die junge Generation und die regionale Wirtschaft“.

AfD-Fraktionschef Ulrich Singer erklärte, die Leuchtturmprojekte der HTA könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der bauliche Verfall an den Hochschulen voranschreite und die digitale Infrastruktur vor allem auf dem Land zu wünschen übrig lasse. „Ohne flächendeckende Internet-Abdeckung kann kein Hightech-Land funktionieren“, sagte Singer. Er verwies auf Studien, wonach die Durchschnittsgeschwindigkeit der Datenübertragung in zahlreichen europäischen Ländern sehr viel höher sei als in Bayern.

Wolfgang Heubisch (FDP) kritisierte die „erheblichen Mängel“ bei der HTA-Umsetzung. Außer vollmundigen Ankündigungen sei kaum etwas passiert. Aus der Antwort auf eine Anfrage an die Staatsregierung wisse er, dass von den Milliarden für die HTA nur wenig abgerufen sei. „Die Staatsregierung bekommt ihre PS in keinster Weise auf die Straße“, urteilte Heubisch.

Zu einer anderen Bewertung kam Robert Brannekämper (CSU). Bayern werde bundesweit wegen der HTA und der damit verbundenen Investitionen beneidet. Er verwies auf das die HTA begleitende Hochschulinnovationsgesetz, das die Entwicklung der Studierenden stärke und den Hochschulen mehr Freiheiten bringe. „Die Leute dort sollen forschen und nicht verwalten“, betonte Brannekämper. Den Grünen warf er vor, „wissenschaftspolitische und ideologische Geisterfahrer“ zu sein.

Hubert Faltermeier (Freie Wähler) erklärte, der mit der HTA ausgelöste technische Fortschritt werde Bayern neue Arbeitsplätze bringen und den Wohlstand sichern. Es seien „kraftvolle Förderungen von Schlüsseltechnologien“ erforderlich, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Besonders hob Faltermeier hervor, dass mit der HTA nicht nur in Gebäude, sondern auch „in Köpfe und Stellen“ investiert werde. (Jürgen Umlauft)

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