Als der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer anno 2012 auf der Winterklausur der CSU-Fraktion in Wildbad Kreuth seinen Plan offenbarte, Bayern bis 2030 schuldenfrei zu machen, da notierten die Chronisten donnernden Applaus der Abgeordneten. Auf der diesjährigen Herbstklausur im Kloster Banz konnte sich der neue Regierungschef Markus Söder über einen „Riesenapplaus“ freuen, wie Fraktionschef Thomas Kreuzer verriet. Dabei verkündete Söder das genaue Gegenteil des einstigen Seehofer-Plans: Er will die Schuldentilgung bis auf Weiteres aussetzen und das Geld stattdessen in ein Sonderprogramm zur Modernisierung Bayerns stecken. „Eine Milliarde plus“ hat er dafür zunächst vorgesehen, der Großteil dafür stammt aus dem Stopp der eingeplanten Tilgung.
Söder begründete die Kehrtwende mit veränderten Herausforderungen. Nachdem der Freistaat für seine Kredite derzeit kaum Zinsen zahlen müsse, bringe die Tilgung der Altschulden keinen wirtschaftlichen Vorteil, erklärte er. Dafür aber müsse Bayern aufgrund der wachsenden internationalen Konkurrenz mehr Geld in Forschung und Wissenschaft investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Noch spielen wir in der Champions League, aber es geht darum, ob wir 2030 noch in der Weltliga dabei sind oder in die Regionalliga absteigen“, sagte Söder. Deshalb lege man nun den „Forschungsturbo“ ein.
CSU-Attacke gegen Grün
Konkret will Söder bis 2023 1000 neue Professorenstellen und noch einmal 10 000 zusätzliche Studienplätze schaffen. Um international an der Spitze zu bleiben, sollen Spitzenforscher aus aller Welt nach Bayern gelockt werden. Den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) soll ein Beschleunigungsprogramm helfen, nötige Sanierungen zu erledigen sowie Raum- und Personalkapazitäten schneller auszuweiten. Auch im Exzellenz-Ranking soll Bayern weiter aufsteigen. Dazu wünscht sich Söder von den fränkischen und den ostbayerischen Hochschulen mehr Kooperation, um gemeinsam auf die Exzellenzstufe zu kommen.
Die CSU-Fraktion stellte sich auch einstimmig hinter Söders Klimaschutzpaket und verabschiedete zwei Resolutionen zur Stärkung der Kommunen und des Wirtschaftsstandorts Bayern. „Wir verknüpfen Ökologie und Ökonomie“, betonte Fraktionschef Kreuzer, während er den Grünen „Öko-Pharisäertum“ vorwarf. Bayern wolle die gesteckten Klimaziele erreichen, aber „ohne Kollateralschäden“ für die Wirtschaft und die Sicherheit der Arbeitsplätze. Man setze beim Klimaschutz auf Anreize und technologischen Fortschritt, nicht auf Verbote und Ideologie, so Kreuzer.
Auch das war in Richtung der Grünen gesprochen, die ihre Klausur im schwäbischen Adelsried abhielten. Einen Zehn-Punkte-Plan für den Klimaschutz in Bayern haben die Grünen dort verabschiedet, der konkrete Maßnahmen wie eine Mobilitätsgarantie durch den landesweiten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, aber auch die Abschaffung der 10H-Abstandsregel beim Bau von Windkraftanlagen vorsieht. Verknüpft werden soll das mit einem Plus an sozialer Gerechtigkeit. „Wir wollen, dass alle Menschen bei uns an der Gesellschaft teilhaben können“, fasste Fraktionschefin Katharina Schulze den Tenor des von der Fraktion beschlossenen Grundsatzpapiers zusammen. Es gehe um die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Grüne: Alle Menschen sollen an der Gesellschaft teilhaben können
Ansatzpunkte dafür sahen die Grünen in der Schaffung von Voraussetzungen für ein möglichst selbstbestimmtes Leben im Alter, in einer flexiblen und bedarfsgerechten Kinderbetreuung sowie der Schaffung lebenswerter öffentlicher Räume in Dörfern und Städten. Dazu fordern die Grünen ein Sonderprogramm für den öffentlichen Raum, das sowohl die Bedürfnisse der Menschen in Städten und Ballungsräumen als auch die Herausforderungen für lebendige und lebenswerte Dörfer im Blick hat. „Ortskerne sind das Wohnzimmer der Bürgerinnen und Bürger und Begegnungsorte für Jung und Alt“, erklärte Schulze. Um diese zu erhalten, müssten die Kommunen gezielter unterstützt werden.
Ähnliche Ziele verfolgte die SPD auf ihrer Klausur im Maximilianeum, die unter dem Motto „Zukunft beginnt vor Ort“ stattfand. Ziel sei es, die landespolitischen Weichen für eine gesicherte medizinische Versorgung, einen besseren öffentlichen Nahverkehr und sozial abgefederten Klimaschutz richtig zu stellen, fasste Fraktionschef Horst Arnold die SPD-Pläne zusammen. In der Verkehrspolitik beschloss die SPD deshalb – auch im Sinne des Klimaschutzes – eine „radikale Mobilitätswende“ für Bayern bis 2030. Diese müsse einen flächendeckenden Verkehrsverbund für das ganze Land beinhalten, in dem für jede Gemeinde ab 1000 Einwohner mindestens ein Ein-Stunden-Takt bei Bus oder Bahn vorgesehen sei. Derzeit gebe es nur einen für viele Pendler und Reisende unattraktiven Flickenteppich mit zu hohen Kosten und schlechtem Angebot, klagte Arnold.
Der Fraktionschef betonte aber auch, dass die SPD weiterhin das „soziale Gewissen in Bayern“ sei – dem Absturz auf unter 10 Prozent bei der Landtagswahl zum Trotz. Die SPD stehe für ein Bayern, das „modern, nachhaltig und sozial gerecht durchdekliniert“ sei. In der Wohnungs- und Bodenpolitik forderte die SPD dazu einen Fonds für Kommunen, damit diese für sozialen Wohnungsbau ein Vorkaufsrecht für freie Flächen ausüben könnten. Mit Blick auf die Kommunalwahl im März 2020 holte sich die Fraktion auf ihrer Klausur die Expertise mehrerer Kommunalpolitiker ein. Wunsch der SPD wäre ein Investitionsprogramm für Städte und Gemeinden, um diese fit für die Zukunft zu machen. Gleiches gelte für die Krankenhäuser in Bayern, damit diese erhalten werden und ihrem Versorgungsauftrag qualitativ hochwertig nachkommen könnten, wie die SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann erklärte.
Externer Mediator bei der AfD
Für die in Wemding am Rande des Nördlinger Ries tagende AfD begann die Klausurtagung unter Einschaltung eines externen Mediators, der dazu beitragen sollte, der zerstrittenen Fraktion ein konstruktives Arbeitsklima zu ermöglichen. Das ist nach Einschätzung von Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner gelungen. „Es ist ein Pflänzchen gesät, das gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen“, sagte sie am Ende der Tagung und verwies auf die gemeinsam verabschiedeten Positionspapiere. Allerdings nahmen drei dem gemäßigten Flügel der Fraktion zuzurechnende Abgeordnete erst gar nicht an der Klausur teil. Inhaltlich verabschiedete die AfD ein „Oppositionspapier“, das dem Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern Alternativvorschläge entgegensetzen soll. Man betreibe eine „solide, nachhaltige und heimatverbundene Politik“, bilanzierte Ebner-Steiner. Das Papier betont unter anderem den „Wert der klassischen Kernfamilie“, setzt sich in der Bildungspolitik für die „Vermittlung kultureller Identität“ ein und fordert die Abschaffung der Erbschaftsteuer. In der Sicherheitspolitik wendet sich die AfD unter anderem gegen Verschärfungen im Waffenrecht und votiert für die flächendeckende Ausrüstung der Polizei mit Elektroschockwaffen.
Eine umfassende Klimaschutzpolitik lehnt die AfD ab, da der von Menschen verursachte Klimawandel aus ihrer Sicht nicht bewiesen ist. Belege für diese Einschätzung lieferte der AfD-Umweltpolitiker Ingo Hahn allerdings nicht. Dennoch forderte er den Stopp der Energiewende und wandte sich gegen Verbrauchsbegrenzungen für fossile Energieträger. Für die Stromerzeugung sollten die deutschen Stein- und Braunkohleressourcen genutzt und an der Atomkraft festgehalten werden. Zudem müsse an neuen Technologien geforscht werden. Mit der Endlagerung atomaren Mülls habe sich die AfD nicht beschäftigt, räumte Hahn ein.
Die Fraktionen von Freien Wählern und FDP trafen sich schon in der Vorwoche zu ihren Klausuren (die BSZ berichtete). Die Freien Wähler beschäftigten sich mit der Stadt-Land-Problematik und starteten eine Initiative zum Ausgleich der beim Bienen-Volksbegehren offensichtlich gewordenen Gegensätze, während die FDP als erste Fraktion ein umfassendes Mobilitätskonzept für ganz Bayern vorstellte und neue Wege zur Bekämpfung des drohenden Pflegenotstands aufzeigte.
(Jürgen Umlauft)
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