Landtag

Jede vierte bayerische Kommune hat keinen Supermarkt mehr – vor allem Gemeinden in Oberfranken und der Oberpfalz sind betroffen. (Grafik: BR)

27.05.2016

Frische Semmeln? Gibt’s nur in der Stadt

Schriftliche Anfrage der SPD: Während die Lebensmittelmärkte in den Städten zunehmen, haben manche bayerische Gemeinden nicht mal mehr einen Metzger oder Bäcker

Wenn das Lebensmittelgeschäft vor Ort schließt, stirbt ein großes Stück Lebensqualität, meint Klaus Adelt (SPD). „Gerade die ältere Bevölkerung ist auf eine wohnortnahe Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs angewiesen und junge Familien ziehen gar nicht erst in eine Gemeinde, die keinerlei Einkaufsmöglichkeiten bietet.“ In seiner Funktion als Sprecher für kommunale Daseinsvorsorge wollte der Abgeordnete daher von der Staatsregierung wissen, wie es um die Nahversorgung in den ländlichen Gebieten des Freistaats steht.

Laut Wirtschaftsministerium gibt es in Bayern 5883 Lebensmittelgeschäfte – das bedeutet einen Rückgang von 618 Märkten im Vergleich zu 2005. Allein in den letzten 15 Monaten machten im Schnitt monatlich fünf Supermärkte dicht. Bemerkenswert: Die Anzahl der Einwohner ist im selben Zeitraum um 287 517 Einwohner gestiegen, das entspricht einem Zuwachs von 2,3 Prozent. So verwundert es nicht, wenn die durchschnittliche Anzahl von Lebensmittelhändlern pro 10 000 Einwohner in den letzten zehn Jahren von 5,24 auf 4,62 Geschäfte zurückgegangen ist.

Mittlerweile müssen 510 Kommunen in Bayern ohne eine wohnortnahe Versorgung mit den Dingen des alltäglichen Bedarfs auskommen, räumt das Ressort Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein. 158 davon haben nicht einmal mehr einen Bäcker oder Metzger – vor allem in Oberfranken und der Oberpfalz. Am stärksten betroffen sind die Landkreise Neustadt an der Waldnaab (-37 Prozent), Hof (-34 Prozent) und Bad Kissingen (-34 Prozent). In 16 weiteren Landkreisen mussten zwischen 20 und 30 Prozent der Supermärkte schließen.

SPD fordert für betroffene Kommunen Unterstützung

Zusätzlich verdichtet sich die Marktkonzentration. Mit 1689 Läden gehört knapp ein Drittel zu Edeka. Zwölf Prozent besitzt Netto, elf Prozent Rewe und jeweils acht Prozent Norma, Lidl, Aldi oder „Sonstige“. Weit abgeschlagen finden sich Penny (vier Prozent), Tengelmann (drei Prozent) sowie Dennree, Kaufland und LHG Eibelstadt (zwei Prozent). Immerhin ist die Zahl der Mitarbeiter gestiegen: Während nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 2007 bayernweit 28 429 Mitarbeiter beschäftigt gewesen sind, waren es 2015 schon 35 475 Beschäftigte. „Das ist ein Anstieg um 7046 Mitarbeiter beziehungsweise um knapp 25 Prozent zwischen den Jahren 2007 und 2015“, verkündet das Aigner-Ressort stolz. Davon profitieren allerdings in erster Linie nur die größeren Städte.

Während beispielsweise die Zahl der Geschäfte in Landshut um vier und in Rosenheim um drei zunahm, ging sie im direkten Umland auf zwölf beziehungsweise 17 zurück. Die meisten Gemeinden ohne Supermarkt gibt es aktuell im Landkreis Donau-Ries (20), Ansbach und Main-Spessart (je 16). Nicht zuletzt werden die Geschäfte immer größer: Die durchschnittliche Verkaufsfläche stieg von 708 Quadratmetern im Jahr 2005 auf 929 Quadratmeter im vergangenen Jahr. Die Verlierer sind kleine Supermärkte unter 400 Quadratmetern.

SPD-Mann Adelt fordert für die betroffenen Kommunen staatliche Unterstützung: „Wenn Marktmechanismen dazu führen, dass die Nahversorgung in der Fläche gefährdet ist, muss die öffentliche Hand etwas dagegen tun.“ Als Gründe für den Rückzug aus der Fläche sieht er einen tiefgreifenden Strukturwandel und Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel. Eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Nahversorgung kommt für Adelt den Dorf- und Stadtteilläden (siehe Infokasten) zu. Das von der Staatsregierung herausgegebene Handbuch zur Gründung solcher Geschäfte sei daher viel zu wenig: „Wenn wir nichts gegen das Ladensterben tun, werden noch mehr Läden schließen“, warnt er. „Der Markt regelt eben nicht alles.“ (David Lohmann)

INFO Dorfläden – eine Maßnahme gegen das Ladensterben?
Die SPD-Landtagsfraktion will die Gründung von Dorf- und Stadtteilläden erleichtern. Dazu fordert sie:
Servicestellen, die bei den Bezirksregierungen angedockt sind. Bisher gibt es keine zentralen Ansprechpartner, die über Fördermöglichkeiten aufklären. Nahversorgung muss als kommunale Pflichtaufgabe festgeschrieben werden. Das gibt gerade finanzschwachen Kommunen mehr Handlungsspielraum. Zentrale Förderung durch den Freistaat. Das würde die Neugründung erleichtern und damit verbundene bürokratische Hürden aus dem Weg räumen.
Einzelhandelskonzepte, mit denen Städte und Gemeinden den Erhalt von Einkaufsmöglichkeiten strategisch begleiten können. Um die Kosten für solche Konzepte zu stemmen, muss der Freistaat helfen.

Ein Dorfladen basiert auf der Eigeninitiative vor Ort und dem Engagement der Bürgerschaft.
Zahl: Bayernweit wurden in den letzten zehn Jahren rund 110 gegründet, die meisten davon in Schwaben (30) und Oberbayern (29).
Ziel: Die Grundversorgung sichern, teilweise ergänzt durch Dienstleistungen bis hin zur Schaffung von fair bezahlten oder integrativen Arbeitsplätzen.
Mitarbeiter: Ein Durchschnittsbetrieb hat eine Vollzeitkraft, drei Teilzeitkräfte und drei Aushilfskräfte. Schließung: In den letzten zehn Jahren haben fünf Dorfläden wieder dicht gemacht.
Problem: Rein statistisch kommen auf einen neuen Dorfladen sechs geschlossene Supermärkte.
Handbuch unter http://bit.ly/Dorfladen (loh)

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