Landtag

An Gymnasien erhielten 25 Prozent der männlichen Lehrkräfte eine gute Bewertung – aber nur 12 Prozent der Frauen. (Foto: dpa)

08.01.2016

Gute Noten gibt’s vor allem für Männer

Schriftliche Anfrage der Grünen: Weibliche Lehrer erhalten in allen bayerischen Schultypen deutlich schlechtere dienstliche Beurteilungen als Männer

Zu Beginn lesen sich dienstliche Beurteilungen von Lehrern durch die Schulleiter oft gut – doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sie sich nicht selten als MA, also als Leistung, die Mängel aufweist (siehe Info). „Sollen sie doch Klartext reden, dass für mich nicht mehr drin ist und mir nicht vorher Honig ums Maul schmieren“, schimpft ein Lehrer – nachzulesen in einer Publikation der Gewerkschaft GEW. Eine andere klagt dort, die Beurteilung sei „wie ein Schlag ins Gesicht“ gewesen. Besonders ärgerlich für die Pädagogen: Die Benachteiligung hat im Gymnasium unmittelbare Auswirkungen auf die Beförderungsperspektive und in allen Schultypen auf die Karrierechancen. Dabei blieben, da sind sich viele Lehrkräfte einig, viele Schulleiter bei ihrem Unterricht weit hinter den eigenen Standards zurück.

Lehrerinnen leiden besonders unter den schlechten Beurteilungen – das geht aus der Antwort des Kulturministeriums auf eine Anfrage des bildungspolitischen Sprechers der Grünen im Landtag, Thomas Gehring, hervor. Frauen und Teilzeitlehrkräfte erhalten demnach in allen bayerischen Schultypen deutlich schlechtere dienstliche Beurteilungen als Männer und Vollzeitkräfte. Während an den Realschulen nur acht Prozent der weiblichen Lehrkräfte eine gute oder sehr gute Beurteilung erhielten, waren es bei den männlichen Lehrkräften doppelt so viele. An Gymnasien erhielt sogar jeder vierte Lehrer ein Gut oder Sehr gut – aber nur jede achte Lehrerin. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Grundschulen (16 Prozent Männer, neun Prozent Frauen), Förderschulen (13 Prozent Männer, sieben Prozent Frauen) und beruflichen Schulen (16 Prozent Männer, neun Prozent Frauen). Gegenüber dem Jahr 2011 hat sich das Bewertungsbild bei Lehrerinnen sogar noch ein wenig verschlechtert.

„Die Vorstellung, dass Frauen generell schlechtere Lehrkräfte als Männer sein sollen, ist absurd“, ärgert sich Grünen-Abgeordneter Gehring. Er spricht deshalb von einem „offensichtlichen Konstruktionsfehler des Beurteilungssystems“. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Verena Osgyan, fordert, die dienstlichen Beurteilungen bei der Entscheidung über Schulleitungs-Berufungen nicht mehr zu berücksichtigen. „Wenn Frauen durch dieses System derart eklatant benachteiligt werden, darf das nicht Entscheidungsgrundlage sein“, erklärt die Abgeordnete. Stattdessen müsse für die Besetzung ein Diversity-Programm aufgelegt werden.

„Die Vorstellung, dass Frauen generell schlechtere Lehrkräfte als Männer sein sollen, ist absurd“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bayern fordert sogar die sofortige Abschaffung des „anachronistischen Instruments“ der Regelbeurteilung. „Es ist hinreichend belegt, dass es sich dabei um ein unzeitgemäßes und ineffektives Instrument der Personalführung handelt“, schimpft die Hauptpersonalrätin Gele Neubäcker. Vorgegebene Quotierungen der Ergebnisse würden zwar vom Kultusministerium regelmäßig bestritten, schienen aber zumindest mündlich zu existieren. „Dies bestätigen Beurteiler hinter vorgehaltener Hand immer wieder.“ Stattdessen verlangt Gehring eine modulare Zusatzausbildung auf dem Weg zur Schulleitung. „Es ist zu vermuten, dass gewisse Bewertungsquoten erfüllt werden sollen – und Frauen oder Teilzeitkräften generell kein Karriereinteresse unterstellt wird“, mutmaßt Osgyan.

Das Kultusministerium widersprach auf Anfrage der Staatszeitung den Vorwürfen: „Die Beurteilungsrichtlinien tragen dem Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung, verbieten sowohl eine geschlechtsspezifische Benachteiligung wie auch, dass Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung sich nachteilig auf die Beurteilung auswirken können“, erklärt ein Sprecher. Die Grünen wollen das Ressort von Ludwig Spaenle (CSU) jetzt mit einem Berichtsantrag zur detaillierten Auskunft über Hintergründe des Bewertungs-Ungleichgewichts auffordern. (David Lohmann)

INFO: Dienstliche Beurteilung von Lehrern und Schulleitern Dienstliche Beurteilungen erfüllen gemäß den Richtlinien des Kultusministeriums folgende Zwecke:
1) Personalführung und Qualitätssicherung des Unterrichts: Die Beurteilungen haben die Aufgabe, der einzelnen Lehrkraft zu zeigen, welches Leistungs-, Befähigungs- und Eignungsbild die Vorgesetzten von ihr gewonnen haben.

2) Überblick über das Leistungspotenzial: Die dienstliche Beurteilung ist ein Instrument der Personalplanung, das eine wesentliche Grundlage ist bei Auswahlentscheidungen über die dienstliche Verwendung und das berufliche Fortkommen der Lehrkräfte bildet.

3) Besoldung: Die dienstliche Beurteilung ist eine maßgebliche Grundlage für Entscheidungen über Leistungsfeststellungen.

Bei der Beurteilung von Lehrkräften wird das Gesamtergebnis der Beurteilung in folgenden Bewertungsstufen ausgedrückt:
HQ: Eine Leistung, die in allen Belangen von herausragender Qualität ist;
BG: Eine Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt;
UB: Eine Leistung, die die Anforderungen übersteigt;
VE: Eine Leistung, die den Anforderungen voll entspricht;
HM: eine Leistung, die den Anforderungen in hohem Maße gerecht wird;
MA: Eine Leistung, die Mängel aufweist;
IU: Eine Leistung, die insgesamt unzureichend ist. (LOH)

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