Landtag

Auf Druck der Freien Wähler wurden die „Strabs“ abgeschafft. (Foto: dpa/Armer)

20.05.2022

Härtefälle mit Jahreseinkommen von 200.000 Euro

Der Freistaat zahlt 50 Millionen Euro Straßenausbaubeiträge zurück – auch an Wohlhabende

Die Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge (Strabs) hat nach gut drei Jahren ihre Arbeit beendet. Insgesamt musste sie knapp 20 000 Anträge auf Rückerstattung der Ende 2017 abgeschafften Beiträge für Grundstückseigentümer bearbeiten, teilte der ehrenamtlich tätige Vorsitzende der Kommission, der frühere ORH-Präsident Heinz Fischer-Heidlberger, in seinem Abschlussbericht vor dem Innenausschuss mit. Fischer-Heidlberger sprach von einem „sehr komplexen Verfahren“. „Wir Mitglieder der Härtefallkommission hatten am Anfang keine Ahnung, welchen Arbeitsaufwand das für uns bedeuten würde“, sagte er. Neben unklaren Verfahrensvorgaben durch den Gesetzgeber klagte Fischer-Heidlberger über die von Kommune zu Kommune unterschiedliche Beitragsberechnung und die mäßige Mitwirkungsbereitschaft der Antragsteller. So seien in zwei Drittel aller Fälle nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht worden, was vielfach telefonische Nachfragen zur Folge gehabt habe.

Antragsberechtigt waren Grundstückseigentümer, die von ihrer Gemeinde zwischen 2014 und 2017 einen Strabs-Bescheid erhalten hatten. Ihr zu versteuerndes Einkommen im Jahr der Bescheidausstellung durfte als Einzelperson nicht höher als 100 000 Euro liegen, bei Ehepaaren nicht höher als 200 000 Euro. Die Mehrzahl der berechtigten Antragsteller lag letztlich im Einkommensbereich zwischen null und 40 000 Euro. Nach Angaben Fischer-Heidlbergers entsprachen nur 55 Prozent der Anträge den gesetzlichen Kriterien und waren demnach zulässig. Als häufigste Ablehnungsgründe nannte er eine unter dem Selbstbehalt von 2000 Euro liegende Antragssumme, Anträge auf die nicht förderfähige Rückerstattung von Erschließungsbeiträgen und die unzureichende Mitwirkung der Antragsteller. 98,5 Prozent der Antragsteller hätten die Bescheide akzeptiert, knapp 300 hätten Klage erhoben. 

Für den Härtefallausgleich standen insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung, die durchschnittliche Auszahlungssumme lag damit knapp unter 5000 Euro pro genehmigtem Antrag. Nur 52 Prozent der berechtigten Antragsteller erhielten dabei den möglichen Höchstbetrag ausbezahlt, weil sie alle Kriterien voll erfüllten. Die regionale Aufteilung der Anträge wies große Unterschiede auf. Die zahlenmäßig meisten Anträge kamen mit einem Anteil von 27 Prozent aus Unterfranken, die wenigsten mit 3 Prozent aus Niederbayern. Die Unterschiede ergaben sich vor allem daraus, dass nicht alle Kommunen die Beiträge verlangt hatten.

Manfred Ländner (CSU): "Strabs sind mit der größte Quatsch, den der Landtag je beschlossen hat"

Die Strabs waren Ende 2017 auf Druck der damals noch oppositionellen Freien Wähler von der seinerzeitigen CSU-Alleinregierung abgeschafft worden. Zahlreiche Abgeordnete kritisierten den Vorgang im Ausschuss rückblickend. Johannes Becher (Grüne) sprach von einem „schlecht gemachten Gesetz“, das das Ziel einer Härtefallregelung verfehlt habe. Viele Berechtigte hätten kein Geld bekommen, weil ihr Beitrag unter dem Selbstbehalt von 2000 Euro gelegen habe. Bei Ehepaaren mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 200 000 Euro könne man zudem nicht von Härtefällen sprechen.

Ähnlich äußerte sich Alexander Muthmann (FDP). „So reich kann man gar nicht sein, um dieser staatlichen Leistung nicht zu entgehen“, spottete er. Franz Pschierer (CSU) erklärte, er halte die hohen Einkommensgrenzen „fast schon für einen gesellschaftlichen Skandal“. Außerdem bemängelte er die hohen Verwaltungskosten für die Bearbeitung der Anträge von mehr als fünf Millionen Euro. Manfred Ländner (CSU) bezeichnete die Abschaffung der Strabs als „mit den größten Quatsch, den der Landtag je beschlossen hat“. Klaus Adelt (SPD) nannte das Abschaffungsgesetz „Murks“. Immerhin sei es der Härtefallkommission gelungen, die schlimmsten Auswüchse zu beseitigen. Lob kam von Teilen der CSU und den Freien Wählern. Deren Abgeordneter Robert Riedl sprach von einem „schönen Tag“. Es habe vielen Strabs-Zahlenden geholfen werden können. (Jürgen Umlauft)

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