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Prostituierte befürchten, dass durch den Gang zur Behörde ihre persönlichen Daten an die Öffentlichkeit geraten oder weitergegeben werden. (Foto: dpa/Perrey)

25.01.2019

Liebesdamen mit Meldehemmungen

Sozialausschuss: Ist das Prostituiertenschutzgesetz ein Erfolg? Ja, meint die Staatsregierung – die Opposition hat Zweifel

Das Mitte 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz erreicht nach Einschätzung der Staatsregierung nach Anlaufschwierigkeiten inzwischen seine Zielsetzung, die Dienstleister im Sexgewerbe besser vor Ausbeutung zu schützen und die Gefahr der Übertragung von Krankheiten zu verringern. Konkret belegen konnten dies Vertreter des Sozial- und des Gesundheitsministeriums im Sozialausschuss jedoch nicht, da die aktuellen Daten für 2018 noch nicht vorliegen und die für 2017 erhobenen Zahlen wohl noch unvollständig waren. Demnach waren Ende 2017 bayernweit 2188 vorwiegend weibliche Prostituierte sowie 578 Betriebe bei den zuständigen Kommunalbehörden gemeldet, die meisten davon in München und Nürnberg. Nach den Zahlen hatten nur 17,7 der gemeldeten Prostituierten die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit rund einem Drittel stellten Rumäninnen den höchsten Anteil.

Mit dem Gesetz wurde eine allgemeine Anmelde- und Beratungspflicht für Prostituierte eingeführt. Diese dürfen ihre Dienste nur noch mit einer behördlichen Anmeldebescheinigung legal anbieten. Innen- und Gesundheitsbehörden sollen damit einen genaueren Überblick über das Gewerbe bekommen und effektiver gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel vorgehen können. Bislang hätten sich dazu im Meldeverfahren aber kaum Hinweise ergeben, so das Sozialministerium. Die Umsetzung der Regelungen ist darauf ausgelegt, für einen in ganz Bayern einheitlichen Gesetzesvollzug zu sorgen. Dies soll durch die regelmäßige Einberufung runder Tische zum Erfahrungsaustausch gewährleistet werden.

Die Prostituierten selbst werden durch Info-Flyer in mehreren Sprachen, aber auch direkte Ansprache über die neuen gesetzlichen Regelungen informiert und auf Beratungsangebote hingewiesen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden in den ersten zehn Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes an den staatlichen Gesundheitsämtern 1070 Beratungsgespräche durchgeführt. Sie dauerten im Durchschnitt fast 2,5 Stunden. Steigenden Beratungsbedarf gebe es bei Fragen zur steuerlichen Veranlagung.

35 Euro Anmeldegebühr für Prostituierte? Wenig hilfreich, meint die SPD

Die Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina bezweifelte, dass tatsächlich alle Prostituierte der Melde- und Beratungspflicht nachkommen. Diesen Schluss lasse allein der Blick auf die genannten Zahlen zu. Im Durchschnitt vier Prostituierte pro gemeldetem Etablissement sei ein „unrealistischer Wert“, zumal viele Sexdienstleister frei anschaffend tätig seien. „Bei diesen Zahlen müssten im Ministerium eigentlich die Alarmglocken schrillen“, meinte Celina. Die Vertreterin des Sozialministeriums im Ausschuss erklärte dazu, auch die Staatsregierung sehe die Daten mit Skepsis. Sie verwies jedoch darauf, dass sich die Zahlen auf die ersten sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes bezögen. Für 2018 erwarte sie einen Anstieg der Meldezahlen.

Wie Sozial- und Gesundheitsministerium weiter mitteilten, gebe es trotz möglichst niederschwelliger Angebote auch systembedingte Hürden. Viele Prostituierte hätten Hemmungen, sich gegenüber einer Behörde zu offenbaren. So werde befürchtet, dass persönliche Daten an die Öffentlichkeit geraten oder an andere Behörden weitergegeben werden könnten. Als schwierig erweise sich zudem, dass vielfach Zuhälter darauf drängten, bei den Beratungsgesprächen dabei zu sein. Die Behörden gingen auf solche Forderungen zwar nicht ein, doch könne nicht ausgeschlossen werden, dass Prostituierte aus Furcht vor Repressalien seitens der Zuhälter den Gang zur Behörde ohne Begleitung scheuten.

Die Abgeordnete Petra Högl (CSU) betonte, um die Schutzziele des Gesetzes zu erreichen, brauche es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Betroffenen. Schließlich handele es sich um einen in vielerlei Hinsicht sensiblen Bereich. Nach ihrem Eindruck komme der Freistaat seiner Verantwortung in vorbildlicher Weise nach. Susann Enders (Freie Wähler) betonte, das Aufdecken von Zwangsprostitution und die Gesundheitsvorsorge für alle Beteiligten müssten Schwerpunkt bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben sein. Es gehe nicht nur um den Schutz der Prostituierten, sondern auch den der Kunden.

Als wenig hilfreich bezeichnete Doris Rauscher (SPD) die von den Behörden geforderte Gebühr von 35 Euro für die Ausstellung der Anmeldebescheinigung. Auch dieser Betrag könne für manche Prostituierte eine Hürde darstellen, sich ordnungsgemäß zu melden. Laut Rauscher würden viele andere Bundesländer aus diesem Grund auf die Gebühr verzichten. Die Abgeordnete Julika Sandt (FDP) forderte, mit Information und Beratung auch direkt in Asylbewerberunterkünfte zu gehen, um dort frühzeitig über Schutzrechte und Hilfsangebote im Fall drohender Zwangsprostitution aufzuklären. (Jürgen Umlauft)

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