Landtag

Über das britische Königshaus werde etwa in ARD und ZDF mehr berichtet als über den gesamten globalen Süden, klagte ein Experte. (Foto: dpa/Monika Skolimowska)

12.05.2023

Mehr Geld kann nicht die Lösung sein

Fachleute tauschen sich bei einer Anhörung zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wissenschaftsausschuss des Landtags aus

Wie kann man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) reformieren? Auf diese Frage erhielten die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses im Landtag am Mittwoch viele Antworten. Alle zielen in dieselbe Richtung: Nötig ist mehr Fokussierung, mehr Vielfalt, mehr Transparenz.

Der Ausschuss hatte mehrere Fachleute aus dem In- und Ausland sowie Interessenvertreter*innen eingeladen. Einig waren sich im Grunde alle darin: Bei einem Jahresetat von mittlerweile rund 10 Milliarden Euro kann mehr Geld nicht die Lösung sein, es muss massiv umstrukturiert werden. Die Zweifel, ob ARD und ZDF diese Reform von innen zustande bringen, sind groß, wie sich zeigte.

Es braucht stärkere Kontrolle. Doch ob dafür die Rundfunkräte oder ein weiteres externes Gremium wie in Großbritannien zuständig sein sollen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es muss sich nur schnell etwas tun. Junge Menschen informieren sich überwiegend über soziale Netzwerke wie TikTok statt über Nachrichtensendungen. Konzerne wie Google, Apple oder Netflix machen ARD und ZDF mit gewaltigen Budgets und neuester Technik riesige Konkurrenz. Mit künstlicher Intelligenz steht schon die nächste Technologie bereit. Aus Sicht von Lucy Küng, einer internationalen Expertin für digitale Transformation, muss der ÖRR sofort den digitalen Wandel vollziehen, will er noch relevant bleiben.

„Es gibt weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsproblem“, konstatierte Thorolf Lipp von der Deutschen Akademie für Fernsehen, die rund 800 Fernsehschaffende vertritt. Er mahnte unter anderem mehr Mitbestimmung der Kreativen an. Diese könnten dann auch auf so manches Missverhältnis in der Berichterstattung hinweisen. Über das britische Königshaus werde etwa in ARD und ZDF mehr berichtet als über den gesamten globalen Süden, klagte Lipp. Jimmy Gerum von der Bürgerinitiative Leuchtturm ARD-ORF-SRG wünschte sich auch mehr Mitsprache der Konsumierenden. Sanne Kurz (Grüne) widersprach nicht, wies aber darauf hin, dass die Bürgerinitiative auf Seiten verlinke, die Inhalte des vom Verfassungsschutz beobachteten Ideologen Ken Jebsen präsentieren.

Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, erklärte, ein starker ÖRR helfe auch dem Privat-TV. Er wünscht sich unter anderem mehr Kooperation, etwa bei Online-Plattformen.

Auch die politische Ausrichtung der qua Gesetz zur Staatsferne verpflichteten Sender kam zur Sprache. Uli Henkel (AfD) monierte, dass Abgeordnete von FDP und SPD weitaus häufiger im BR vertreten seien als seine Partei, obwohl die AfD bei der Landtagswahl 2018 deutlich mehr Stimmen erzielt hatte. Alex Dorow (CSU) sprach vom Eindruck in Teilen der Bevölkerung, dass die Sender mit „politischer Schlagseite“ versehen seien. Und Winfried Bausback (CSU) rief eine Umfrage unter Volontierenden des ÖRR in Erinnerung, wonach 57,1 Prozent die Grünen gewählt hätten und nur 3 Prozent die Union. 

Politische Schlagseite?

Ein großes Problem: Die Aufwendungen für das Personal machen schon jetzt 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten beim ÖRR aus. „Als Journalist will ich mehr Geld fürs Programm als nur die Hälfte“, beklagte sich der FDP-Abgeordnete Helmut Markwort. Ute Eiling-Hütig (CSU) fragte sich, wie die Journalist*innen mehr Zeit für die Recherche gewinnen könnten. Denn: „Wenig Zeit ist ein Qualitätskiller.“

Jürgen Kühling, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg, forderte die Einführung eines Dreistufenmodells für alle Bereiche. Vor jeder Entscheidung müsse man sich fragen: Was ist der gesellschaftliche Mehrwert? Gibt es ein solches Angebot schon, etwa bei den Privaten? Und: Stehen die Kosten in einem gesunden Verhältnis zum Nutzen? Bei konsequenter Anwendung lasse sich damit schon viel gewinnen.

Nathalie Wappler, Direktorin vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), erklärte den Abgeordneten, wie sie ihren Sender umgebaut hat: Konsequent habe sie die Finanzen konsolidiert, das SRF erreicht inzwischen ein jüngeres Publikum, gleichzeitig wurde das Alter der Belegschaft gesenkt.

Auch Lauri Kivinen, von 2010 bis 2018 CEO der Finnish Broadcasting Company, baute damals den öffentlich-rechtlichen Sender in Finnland um. Man trennte sich von unnötigen Aktivitäten, die Produktion von Radio- und Fernsehbeiträgen wurde verschmolzen, Kanäle wurden eingestellt. Gleichzeitig investierte der Sender frei gewordenes Geld in Online. „Sparen ist schmerzhaft, aber es tut gut“, sagte Kivinen. 

Dass es den reformierten ÖRR auch in Zukunft braucht, bekräftigte Annika Sehl, Inhaberin des Lehrstuhls für Journalistik mit Schwerpunkt Medienstrukturen an der Uni Eichstätt-Ingolstadt. Überall dort, wo es einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, da seien die Menschen besser informiert.

Patrick Barwise, Medienprofessor aus Großbritannien, schlug vor, in Deutschland eine Studie in Auftrag zu geben, wie sie die BBC bereits zweimal in Großbritannien gestartet hat: Alle Skeptischen mussten neun Tage lang auf alle Angebote des britischen Senders verzichten und erhielten dafür ihre Gebühr zurück. Nach dem BBC-Entzug hätten 68 beziehungsweise 70 Prozent ihre Meinung über den ÖRR geändert. (Thorsten Stark)

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