Nein, es gibt keine Revolution und keinen Umsturz in der CSU-Landtagsfraktion an diesem Mittwoch, und wohl auch nicht auf absehbare Zeit. "Am Ende war breite Geschlossenheit", berichtet Fraktionschef Thomas Kreuzer anschließend. "Ich habe abgelehnt, zurückzutreten, und erklärt, dass ich mir keine Ultimaten stellen lasse." CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder lässt sich zu der 90-minütigen Aussprache nachher nur einen Satz entlocken: "Das war eine sehr gute Diskussion." Und der Abgeordnete Ernst Weidenbusch, der offenkundig Auslöser der ganzen Debatte war? Der will öffentlich lieber gar nichts mehr sagen und eilt schnellen Schrittes davon.
Rücktritt, Ultimatum? Allein, dass derlei Vokabular in der CSU-Fraktion im Raum steht, und das eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl, ist bemerkenswert. Was ist da los, was ist passiert?
Auslöser war ein öffentlicher Frontalangriff Weidenbuschs auf Kreuzer. "Mit Thomas Kreuzer werden wir die Wahl nicht gewinnen", hatte Weidenbusch vergangene Woche dem Bayerischen Rundfunk gesagt. Seiner Meinung nach blieben Kreuzer "noch etwa sechs Wochen Zeit, von sich aus seine Nachfolge zu organisieren" - sonst werde es eine Dynamik in der Fraktion geben, die er nicht mehr aufhalten könne.
Breiter Proteststurm bleibt aus
Sollte Weidenbusch auf zahlreiche Abgeordnete gehofft haben, die ihm beispringen, so wird diese Hoffnung allerdings in den Tagen darauf enttäuscht. Zwar gibt es einzelne Kollegen, die hinter vorgehaltener Hand Kritik äußern, etwa wegen mangelnder Kommunikation, nicht ausreichender Beteiligung oder unzureichender öffentlicher Sichtbarkeit der Fraktion - doch ein breiter Proteststurm bleibt aus.
Am Dienstag schließt dann zuerst der Fraktionsvorstand die Reihen hinter Kreuzer, am Mittwoch auch die Gesamtfraktion. "Der Vorstand und die Fraktion haben sich hinter mich gestellt - es waren nur einzelne kritische Stimmen", berichtet Kreuzer. Ein "konstruktiver Austausch" sei es gewesen. Und dann kündigt er an, die Fraktion wolle nach den Corona-Krisen-Jahren wieder neue Themen aufgreifen, auch andere Dinge nach vorne bringen - dafür solle es jetzt Zeit geben.
War's das? Fast. Zum einen weist Kreuzer Weidenbusch zurecht, dass dieser öffentlich via Interview Kritik geübt habe, ohne diese vorher intern zu äußern. "Dies ist eine Sache, die einer Partei immer schadet - weil es nach massivem Streit nach außen aussieht." Auf der anderen Seite gibt es aber schon einige wenige Abgeordnete, die sich in der Fraktionssitzung zu Wort melden und Veränderungen fordern.
Das gehört zur Wahrheit auch dazu: Wenn man sich unter Abgeordneten umhört, gibt es bei einigen durchaus eine latente Unzufriedenheit über Abläufe, die sich seit Corona eingespielt haben: Dass Söder mit seinen Ministern die Politik quasi im Alleingang gestalte, dass die Fraktion nur wenig zu melden habe, dass die eigene Sichtbarkeit und Wahrnehmbarkeit gelitten habe. Früher bezeichnete sich die Fraktion gerne als "Herzkammer" der CSU - das können einzelne Abgeordnete nach eigenem Bekunden heute nicht mehr so einfach unterschreiben.
Söder schätzt Kreuzers klare Kante gegen die Grünen
Auch wenn Kreuzer nun erst einmal gestärkt aus der Auseinandersetzung mit Weidenbusch hervorgeht: Vereinzelte Zweifel, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, gibt es schon, ob der 62-Jährige wirklich auf Dauer noch der ideale Fraktionschef ist. Erste Anzeichen dafür hatte es schon vor einem Jahr gegeben: Da wurde Kreuzer turnusgemäß zur Halbzeit der Legislaturperiode zwar klar im Amt bestätigt - er erhielt mit rund 78,5 Prozent allerdings ein deutlich schlechteres Ergebnis als zu Beginn der Legislaturperiode 2018 (97,5 Prozent).
Von Söder weiß man, dass er den Fraktionschef auch deshalb schätzt, weil Kreuzer mit seiner klaren Kante etwa gegen die Grünen im Landtag insbesondere die konservative Stammklientel der CSU anspricht. Andererseits gilt Kreuzer, das räumen auch wohlmeinende Abgeordnete vorsichtig ein, nicht gerade als Inbegriff der neuen, modernen CSU, die Söder so gerne propagiert. Aber es gibt auch niemanden in der Fraktion, der sich aktuell unbedingt als Nachfolger oder Nachfolgerin aufdrängen würde. Die, die meist für geeignet gehalten werden, sitzen im Kabinett - und das hat Söder eben erst umgebildet.
Klar ist bei alledem: Am Ende geht es bei der CSU um den Erfolg bei der Landtagswahl im Herbst 2023. Darauf richtet sich die ganze Partei aus, insbesondere Söder. Sollten auf dem Weg dorthin die CSU-Umfragewerte einbrechen, sind die nächsten Personaldiskussionen in der Partei wohl programmiert. Doch erst einmal ist nun Ruhe.
(dpa)
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