Landtag

Wer sitzt nach der bayerischen Landtagswahl am Kabinettstisch? Es darf spekuliert werden. (Foto: dpa/Kneffel)

18.09.2023

Schwarz-Orange, die Zweite? Spekulationen über Söders neues Kabinett

Natürlich ist nix fix, erst recht nicht nach der Aiwanger-Affäre. Dennoch: Wie könnte das künftige bayerische Kabinett aussehen? Eine Spekulation mit einigen Unbekannten

Die Affäre um Hubert Aiwanger und ein altes antisemitisches Flugblatt haben die bayerische Politik kurz vor der Landtagswahl am 8. Oktober heftig durchgeschüttelt. Inzwischen hat sich der Sturm gelegt. Und nach vereinzelten Zweifeln spricht längst wieder alles für eine Fortsetzung der amtierenden Koalition von CSU und Freien Wählern.

Es haben sich aber neue Fragen aufgetan: Bleibt Hubert Aiwanger Minister – und stellvertretender Ministerpräsident? Bekommen die Freien Wähler, in Umfragen aktuell auf einem Rekordhoch, mehr Ministerposten? Wenn ja, welche? Und wer von den amtierenden Ministern ist auch weiterhin fest gesetzt?

Zuallererst: Dass er sein Amt behalten darf, darüber muss sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eher keine Gedanken machen. Aber um vieles andere. Galt die 40-Prozent-Marke lange als realistisches Ziel, so muss sich die CSU inzwischen Sorgen machen, ob sie überhaupt ihr schon historisch schlechtes Landtagswahlergebnis von 2018 (37,2 Prozent) erreicht. In Umfragen lag sie zuletzt bei 36 Prozent.

Wie stark werden die Freien Wähler?

Die große Frage ist: Wie stark werden die Freien Wähler? 16, gar 17 Prozent waren es für Aiwangers Partei in den jüngsten Umfragen, so viele wie nie zuvor. Aber hält dieser offensichtliche Solidarisierungseffekt mit Aiwanger bis zur Wahl an? Sollte dies so sein und sollten die Freien Wähler mit einigen Prozentpunkten mehr als 2018 (11,6 Prozent) nach Hause fahren, wird Aiwanger massiv gestärkt in Koalitionsverhandlungen mit den Christsozialen gehen.

Und obwohl es viele in der CSU gibt, die am liebsten ein Kabinett ohne Aiwanger hätten: Dass sich dieser mit dem Rückzug auf den Posten des Fraktionschefs begnügt und Florian Streibl stattdessen ins Kabinett aufrücken lässt, gilt weithin als nahezu ausgeschlossen.

Und da Söder auf keinen Fall Schwarz-Grün will und auch Schwarz-Rot rechnerisch und politisch sehr unwahrscheinlich ist, er also die Freien Wähler braucht, fehlt der CSU ein Druckmittel, um Aiwangers neuerliche Berufung zum Wirtschaftsminister zu verhindern.

Wie hatte Söder noch gesagt? "Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben." Und weiter: "Und alle Angebote der Opposition, die jetzt so gemacht werden, laufen ins Leere." Man wolle die "bürgerliche" Koalition fortsetzen. Davon wird Söder kaum glaubwürdig abrücken können, auch wenn ihn Aiwanger noch so provozieren sollte.

Wer bekommt die Ministerien?

Die nächste Frage ist dann: Wer bekommt wie viele Ministerien? Bislang hatten die Freien Wähler drei. Sollten sie ihren Höhenflug auch am Wahlabend fortsetzen, werden sie mindestens vier fordern.

Und welches das Wunschressort wäre, das hat Aiwanger schon wiederholt gesagt, und er tat dies ganz aktuell in der "Augsburger Allgemeinen" noch einmal: "Jetzt erst mal die Wahl abwarten, aber Landwirtschaft ist uns schon sehr wichtig. Da haben wir starke Wurzeln." Allerdings dürfte die CSU das Agrarressort kaum hergeben, aus Sorge, genau dort weiter an Einfluss zu verlieren, wo Aiwanger der CSU ohnehin längst am gefährlichsten ist: im ländlichen Raum und bei den Landwirten.

Auf CSU-Seite sind die allermeisten Minister weiter fest gesetzt - auch weil Söder gerne sagt, das aktuelle sei sein bislang stärkstes Kabinett. Mindestens zweien hat er schon eine Jobgarantie gegeben: Innenminister Joachim Herrmann und Finanzminister Albert Füracker.

Als ganz oder ziemlich fest fürs Kabinett gesetzt gelten - aus den unterschiedlichsten Gründen (Kompetenz, Leistung, Herkunft etc.) - auch Staatskanzleichef Florian Herrmann, Wissenschaftsminister Markus Blume, Verkehrsminister Christian Bernreiter und Justizminister Georg Eisenreich, ebenso Agrarministerin Michaela Kaniber und Digitalministerin Judith Gerlach. Auch für Sozialministerin Ulrike Scharf und Europaministerin Melanie Huml, die nach einer Panne in der Corona-Pandemie schon einmal kurz vor dem Rauswurf stand, dann aber nur das Ressort wechseln musste, könnte es nochmal weitergehen.

Wobei die Frage sein könnte, wer von den Genannten möglicherweise das Ressort wechseln muss, falls genau dieses an die Freien Wähler geht. Oder wer deshalb am Ende vielleicht doch aus dem Kabinett fliegt.

Ändern sich die Zuschnitte?

Schon vor der Affäre um Aiwanger war nicht ausgeschlossen worden, dass es gewisse Verschiebungen in den Ressortzuschnitten geben könnte. Hinter der Zukunft des Digitalministeriums etwa hatte der eine oder andere in der CSU schon Fragezeichen gemacht - dann müsste für die Unterfränkin Gerlach aber wohl ein anderes Ressort her. Andererseits wurde das Ministerium ja 2018 erst neu geschaffen.

Tatsächlich könnte es CSU-seitig eine Lücke im Kabinett geben: wenn Gesundheitsminister Klaus Holetschek, wie CSU-intern allgemein erwartet wird, tatsächlich Thomas Kreuzer als Fraktionschef beerbt.

Nach einer eigentlich unumstößlichen CSU-Gepflogenheit, dem Regionalproporz, müsste dann eigentlich ein Schwabe ins Kabinett aufrücken, auf welchen Posten auch immer. Als denkbare Namen hört man hier etwa Eric Beißwenger, Wolfgang Fackler oder Peter Tomaschko - eventuell mit kleinen Vorteilen für Beißwenger.

Oder scheitert der mögliche "Schwaben-Ausgleich" nun an stärkeren Freien Wählern? Oder wird es stattdessen doch für Melanie Huml oder Ulrike Scharf eng?

Und bei den Freien Wählern? Da wollen auch Kultusminister Michael Piazolo und Umweltminister Thorsten Glauber weitermachen - und können sich, erst recht angesichts der jüngsten Umfragewerte, starke Hoffnungen machen, dass sie auch dürfen. Ansonsten stünden Kultusstaatssekretärin Anna Stolz und Fraktionsgeschäftsführer Fabian Mehring wohl nur allzu gerne für einen Ministerposten bereit, erst recht, wenn tatsächlich ein viertes Ministerium drin sein sollte.

In manchen Spekulationen fiel zudem der Name Ulrike Müller, die sich als bisherige Europaabgeordnete als Agrarexpertin profiliert hat. Das Agrarressort aber dürfte die CSU wie gesagt kaum aus der Hand geben.

Noch aber sind es drei Wochen bis zur Wahl. Und der vergangene Monat hat gezeigt, wie schnell Dinge plötzlich ins Rutschen kommen können. (Christoph Trost und Marco Hadem, dpa)

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