Ende Juli beschloss der Ministerrat, das Gesundheitsministerium nach Nürnberg zu verlegen. Das Problem: Über 90 Prozent der Mitarbeiter wollen in München bleiben – das ergab eine Umfrage des Personalrats. „Das war aber noch, bevor klar war, wie es weitergeht und in welchen Gebäuden wir unterkommen“, erklärte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) im Ausschuss öffentlicher Dienst. Jetzt wird das Ministerium wohl in das ehemalige Nürnberger Gewerbemuseum ziehen. Das sei zu Fuß nur knapp zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, schwärmte Huml. Wenn die 200 Beschäftigten – darunter 93 mit Kindern unter 18 Jahren, viele mit pflegebedürftigen Eltern oder Wohneigentum – dennoch nicht umziehen wollen, könnten sie auch pendeln oder in München bleiben. Die Reisekosten will die Ministerin bis nach Nürnberg zahlen, obwohl normalerweise nach 100 Kilometern Schluss ist.
Ab Herbst 2017 soll die Arbeit losgehen, ab 2018 sollen einzelne Mitarbeiter als „Abteilungsanker“ nach Nürnberg verlagert werden. „Dann werden wir auch beginnen, neue Mitarbeiter einzustellen“, erläuterte Huml. Um die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, erhalte das Ministerium in den nächsten Jahren übergangsweise zusätzliche 90 Stellen. Die Zusammenarbeit mit der Kopfstelle in München soll durch elektronische Akten, Rücksprachen über Skype und Videokonferenzen erfolgen. Ziel der Heimatstrategie (siehe Infokasten): gleichwertige Arbeitsbedingungen in ganz Bayern schaffen.
Die Kosten für den Umzug: 2017 rund 2,7 Millionen Euro, 2018 rund 2,9 Millionen Euro und im weiteren Verlauf 7,5 Millionen Euro. Zusätzlich läuft der Mietvertrag in München bis 2024 weiter. Jährliche Kosten: 1,6 Millionen Euro. „Dass die Räume auf Dauer leerstehen werden, glaube ich aber nicht“, sagte Huml. Auch dass die Verlagerung eines gesamten Ministeriums weg vom Sitz der Staatsregierung verfassungsrechtlich problematisch ist, kann sie sich nicht vorstellen: Die Bedenken einiger Juristen teile das Ministerium nicht.
Grüne: "Wenn der Steuerzahler belastet wird, müssen doch die Kosten ansatzweise klar sein"
Ausschusschefin Ingrid Heckner (CSU) nannte die Verunsicherung unter den Mitarbeitern „verständlich“. Sie verlangte im Rahmen des Umzugs von Huml „keine Solostücke“: Sollten rechtliche Änderungen nötig sein, dürften diese nicht nur für die Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums gelten. Außerdem dürfe es durch die Verlagerung „nicht in Bausch und Bogen zu Sackgassen in den Karrieren kommen“. Thomas Huber (CSU) nannte die Verlagerung einen Beitrag gegen die globale Verstädterungstendenz. Natürlich sei das für die Ministeriumsmitarbeiter eine Veränderung. „Eine Fahrzeit von einer Stunde mit dem ICE ist aber jedem zumutbar.“ Selbst für ihn als Oberbayer sei eine einstündige Fahrzeit nichts Ungewöhnliches.
Stefan Schuster (SPD) begrüßte die Verlagerung – solange alles freiwillig, sozialverträglich und in Absprache mit dem Personalrat ablaufe. Ausschussvize Peter Meyer (Freie Wähler) forderte von Huml ebenfalls, Entscheidungen „nicht am Personal vorbei“ zu treffen. Die Behördenverlagerung an sich sei ein „legitimes Mittel für Strukturpolitik“: „Das darf auch den Steuerzahler etwas kosten.“ Das sah Claudia Stamm (Grüne) anders: „Es kann dem Ausschuss doch nicht egal sein, was das kostet“, schimpfte sie. Wenn der Steuerzahler belastet werde, müssten die Kosten ansatzweise klar sein. „Wenn Wirtschaftsunternehmen so planen würden, dann gute Nacht.“ Zeitgleich zum Umzug nach Nürnberg würden aufgrund der Heimatstrategie 60 Beamte aus Nürnberg in strukturschwache Gebiete versetzt. Markus Ganserer (Grüne) erinnert das an das Spiel „Reise nach Jerusalem“. Während in anderen Verwaltungen die Personaldecke auf Kante genäht sei, bekomme das Ministerium 90 zusätzliche Planstellen, kritisierte er. „Für mich ergibt der Umzug nach Nürnberg keinen Sinn – und das sage ich als Nürnberger Abgeordneter.“
(David Lohmann)
INFO: „Heimatstrategie“ der Staatsregierung
Die bayerische Verfassung schreibt die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in allen Regionen vor. Die Staatsregierung will dies mit ihrer Heimatstrategie mit den fünf Säulen kommunaler Finanzausgleich, Strukturentwicklung, Breitbandausbau und eGovernment sowie Nordbayern-Initiative und Behördenverlagerung erreichen.
Neben dem Heimatministerium und dem geplanten Umzug des Gesundheitsministeriums sind in den nächsten zehn Jahren weitere Behördenverlagerungen geplant:
In Ruhstorf sollen 200 Beschäftigte des Landwirtschaftsministeriums aus dem Großraum München eine Zweigstelle der Landesanstalt für Landwirtschaft aufbauen.
In Passau soll das Deutsch-Österreichische Polizeikooperationszentrum etabliert werden, um Kontrollen zu koordinieren, Ausländer abzuschieben und die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen.
In Freyung ist ein Trainingszentrum – und mittelfristig Ausbildungszentrum – für alle Spezialeinheiten der Bayerischen Polizei geplant. 50 Mitarbeiter sind für den Betrieb der Einrichtung vorgesehen.
In Wegscheid wird die Außenstelle des Landeskriminalamts zur Zeit für die Unterbringung von 24, bis zum Jahr 2022 von 50 Mitarbeitern erweitert.
In der nördlichen Oberpfalz wird das Bayerische Rote Kreuz dabei gefördert, ein Ausbildungszentrum zur Katastrophen- und Terrorabwehr für alle Rettungsorganisationen in Bayern zu errichten. (loh)
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