Landtag

Die neue Ausstellung im Maximilianeum zeichnet den Widerstand der Weißen Rose und das Netzwerk der Unterstützer nach. (Foto: Landtag/Poss)

29.01.2016

"Vorbilder, an die wir uns erinnern sollten"

Ausstellungseröffnung: Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts würdigt der Landtag den Kampf von Studenten gegen den Nationalsozialismus

Sophie Scholl bezahlte ihren Kampf für christliche und humanistische Werte mit ihrem Leben. Sie beteiligte sich ab 1942 an der Herstellung und Verbreitung von Flugblättern der studentischen Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ (siehe Info), die zum Kampf gegen Hitlers Terrorregime aufrief. Dabei hätte Sophie Scholl ihr Leben retten können: Der Gestapo-Beamte Robert Mohr wollte ihr beim Verhör wohl eine Chance geben, als er sagte: „Wenn Sie das alles bedacht hätten, so hätten Sie sich doch nie zu derartigen Handlungen hinreißen lassen.“ Doch Sophie Scholl wollte sich nicht als junge, naive Mitläuferin darstellen lassen oder sich gar von den Taten distanzieren. Stattdessen bewies sie Standhaftigkeit und antwortete: „Sie täuschen sich, ich würde alles genau noch einmal so machen.“ „Wir wissen nicht, warum manche Menschen zu Zivilcourage fähig sind und manche nicht“, erklärte Landtagspräsidentin Barbara Stamm zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts und zur Ausstellungseröffnung von Die Weiße Rose im Maximilianeum. Dafür gebe es wohl keine Formel. „Aber es gibt Vorbilder, und an die wollen wir immer wieder erinnern.“ Was wir daraus lernen können? „Dass Menschen immer Entscheidungen treffen können“, sagte Stamm. Und dass die Demokratie von jedem einzelnen Bürger geschützt werden müsse. Besonders kritisierte sie das Unwort des Jahres „Gutmensch“, das Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd diffamiere. „Die Weiße Rose und ihre Mitstreiter waren Gutmenschen“, betont Stamm. Die Antwort von Sophie Scholl auf die Frage nach ihren Beweggründen gelte auch heute: „Einer muss ja doch mal schließlich damit anfangen.“ Ziel der Ausstellung ist es, zu erinnern, aus der Geschichte zu lernen und Impulse für eine selbstverantwortliche Persönlichkeit zu setzen, wie die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung Hildegard Kronawitter erklärt. Bis zum 25. Februar werden im Kreuzgang des Landtags auf 47 Tafeln die Lebensläufe der Hauptakteure wie der Geschwister Scholl, Christoph Probst, Kurt Huber, Willi Graf und Alexander Schmorell dargestellt. Dabei zeichnet die Exposition ihren Weg in den Widerstand und das Netzwerk der Unterstützer nach: Flugblätter der Gruppe wurden nicht nur in München verteilt, sondern gelangten unter anderem bis nach Berlin und Salzburg. „Schon im zweiten Flugblatt prangerten sie die Ermordung der Juden als menschenverachtend an“, betont Kronawitter. Dieses wurde bereits im Juni 1942 gedruckt, als die meisten Menschen noch nichts vom Holocaust wussten oder wissen wollten. Und im fünften Flugblatt im Januar 1943 hieß es bereits visionär: „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.“

Stamm: "Die Weiße Rose und ihre Mitstreiter waren Gutmenschen"

„Die Flugblätter sind Zeugnisse eines anderen Deutschland und Wegbereiter einer neuen Kultur“, bestätigt die Professorin für Kirchengeschichte an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, Renate Wind. Und das in einer Zeit, in der die Deutschen den totalen Krieg forderten und die Kirchen schwiegen. Doch was bringt Menschen dazu, für ein Leben ohne Angst, Krieg und Terror ihr eigenes zu opfern? In vielen Widerstandsbiographien gebe es Parallelen, erläutert Wind: „Seine eigene Identität und Integrität zu erhalten.“ Sich selbst nicht zu verraten sei der Sieg über die Peiniger. Ähnlich war es auch bei Hans Scholl, Sophies Bruder. Nachdem er am 22. Februar 1943 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ hingerichtet wurde, fanden die Wärter eine mit Bleistift geschriebene Notiz an seiner Zellenwand. Hans Scholl zitiert Goethe: „Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten.“ (David Lohmann)

Die Weiße Rose. Der Widerstand von Studenten gegen Hitler, München 1942/43. Noch bis 28. Februar im Kreuzgang des Landtags. Geöffnet: Mo bis Do 9 bis 16 Uhr, Fr von 9 bis 13 Uhr.
INFO: Widerstandsgruppe und Stiftung „Die Weiße Rose“
Der Name: Hans Scholl erklärte dazu in einem Gestapo-Verhör: „Der Name ,Die Weiße Rose’ ist willkürlich gewählt. Es kann sein, dass ich gefühlsmäßig diesen Namen gewählt habe, weil ich damals unmittelbar unter dem Eindruck der spanischen Romanzen von Brentanos ,Rosa Blanca’ gestanden habe.“

Die Entstehung: Christoph Probst und Alexander Schmorell waren Schulfreunde. Sie lernten Willi Graf und Hans Scholl während ihres Medizinstudiums 1941 und 1942 an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität kennen. Dort studierte ab Mai 1942 auch Sophie Scholl. Sie hörten mit anderen kritischen Studenten die Vorlesungen von Professor Kurt Huber.

Die Aktionen: Nach den Erfahrungen an der Front und den Massenmorden in Polen und Russland verfassten Alexander Schmorell und Hans Scholl im Juni 1942 die ersten vier Flugblätter. Ende Juli 1942 müssen sie während der Semesterferien an die Ostfront – nach ihrer Rückkehr im Spätherbst erschien ihr fünftes, nach dem Kampf um Stalingrad im Januar 1943 das letzte Flugblatt. Auch in anderen Städten verteilen Freunde Flugblätter. Selbst die Häftlinge in Dachau hörten von diesen „Stimmen der Freiheit“ – und konnten kaum glauben, dass sie von jungen Deutschen kamen.

Die Stiftung: Sie wurde 1987 von Überlebenden, Familienangehörigen und Freunden der Widerstandsgruppe gegründet. Die Stiftung will die Erinnerung wachhalten und demokratisches Bewusstsein fördern. Schwerpunkte der Arbeit sind Ausstellungen und historisch-pädagogische Projekte mit Schulen. (LOH)

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