Landtag

Nachdem die Haftpflichtprämien von Hebammen um fast 400 Prozent auf 7639 Euro gestiegen sind, fehlt Kliniken Personal. (Foto: dpa)

11.05.2018

Wegen Personalmangel ein Kaiserschnitt

Trotz steigender Geburtenrate sinkt zum ersten Mal seit 2003 die Zahl der Hebammen – Hauptursache dürften die teuren Haftpflichtprämien sein

Eine in Vollzeit arbeitende Hebamme betreut nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands pro Jahr rund 100 Geburten – in Großbritannien und Norwegen sind es nur rund 30. „Dass in deutschen Kreißsälen oft drei bis vier Geburten gleichzeitig mit nur einer Hebamme ablaufen, ist keine Seltenheit“, sagt der Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal der Staatszeitung. Er wollte daher von der Staatsregierung wissen, wie sich die Zahl der Hebammen, Geburtshilfestationen und Kaiserschnittgeburten in den letzten Jahren entwickelt hat.

Das Gesundheitsministerium schreibt in seiner Antwort, der Vergleich mit Großbritannien und Norwegen hinke. Erstens lebe der Großteil der Bevölkerung in Ballungsräumen, was die Versorgung von Gebärenden erleichtere. Zweitens sei die Pflicht zur 1:1-Betreuung in Norwegen „nicht gelebte Wirklichkeit“ – 40 Prozent der Hebammen würden mehr als eine Gebärende gleichzeitig betreuen. Der größte Unterschied aber, schreibt das Ressort von Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU): „Die unterstützende Hilfe der Hebamme in der Zeit nach der Geburt ist in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien und Norwegen weit besser ausgebaut.“

Insgesamt ist die Geburtenrate im Freistaat 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent auf 125 689 gestiegen – so viel wie seit 1990 nicht mehr. Die höchste Zunahme gab es im regionalen Vergleich mit 8,9 Prozent in Schwaben. Gleichzeitig ist die Zahl der Hebammen im Jahr 2015 zum ersten Mal seit mindestens 2003 gesunken – auf aktuell 3591 Hebammen und Entbindungspfleger. Der Großteil davon ist selbstständig. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Ministerin Huml hat aber die baldige Fertigstellung einer Studie zur Hebammenversorgung mit „validen Fakten“ versprochen (siehe Infokasten).

Seit 2007 haben 28 Geburtshilfestationen dauerhaft geschlossen

Aktuell gibt es in Bayern 110 Geburtshilfestationen – allerdings sind derzeit sieben davon vorübergehend geschlossen. Das betrifft nicht nur die Geburtenversorgung auf dem Land, sondern auch Ballungsgebiete wie München. Seit 2007 haben insgesamt 28 Stationen dauerhaft geschlossen. Laut Ministerium konnten zeitweise am Klinikum Erding nur Kaiserschnittgeburten durchgeführt werden, da für natürliche Geburten nicht genügend Hebammen zur Verfügung standen. Von einem „Zwang“ zur Kaiserschnittgeburt will das Huml-Ressort dennoch nicht sprechen. Insgesamt ist der Anteil der Kaiserschnittgeburten allerdings zwischen 2005 und 2015 um 2,7 Prozent auf 31,2 Prozent gestiegen. Inwieweit ein Zusammenhang mit der Hebammenversorgung besteht, lässt sich nicht sicher sagen.

Die Einkommenssituation, insbesondere die der freiberuflichen Hebammen, ist laut der letzten IGES-Studie von 2012 sehr „inhomogen“, wie das Ministerium schreibt. „Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung lag die durchschnittliche Abrechnungssumme bei rund 28 465 Euro je Hebamme und Jahr.“ Bei der privaten Krankenversicherung wurden durchschnittlich 1242 Euro je Versicherter ermittelt. Einen Vergleichswert nennt das Ministerium nicht. Aufgrund der Vergütungserhöhungen in den letzten Jahren sei der Verdienst inzwischen sicher gestiegen, glaubt das Ministerium. Allerdings sind zwischen 2007 und 2017 auch die Beiträge der selbstständigen Hebammen für ihre Haftpflicht von 1587 Euro um fast 400 Prozent auf 7639 Euro gestiegen.

Der SPD-Abgeordnete Rosenthal fordert daher schnell eine faire Vergütung und bezahlbare Versicherungen. „Viele freiberufliche Hebammen können sich steigende Prämien nicht mehr leisten und entscheiden sich zunehmend gegen die Ausübung der Geburtshilfe“, klagt er. Jetzt müsse dringend die flächendeckende Versorgung im Bereich der Geburtshilfe sichergestellt werden, damit die Wahlfreiheit des Geburtsortes weiterhin garantiert bleibt. (David Lohmann)

INFO: Ausbau der Hebammen-Hilfe
Zukunftsprogramm Geburtshilfe: Noch in diesem Jahr sollen Landkreise und kreisfreie Städte von der Staatsregierung für jedes neugeborene Kind eine Förderung von bis zu 40 Euro für Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Hebammenversorgung in Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung erhalten.

Hebammenbonus: Die Staatsregierung unterstützt ab Oktober alle in der Geburtshilfe tätigen freiberuflichen Hebammen, die im Jahr mindestens vier Geburten betreut haben, jährlich mit 1000 Euro. Kostenpunkt vier Millionen Euro pro Jahr.

Hebammenausbildung: Da die Versorgungsaufgaben infolge des medizinischen Fortschritts immer komplexer geworden sind, will die Staatsregierung die Ausbildung von Hebammen akademisieren. Das Verfahren zur Novellierung des entsprechenden Hebammengesetzes wurde vom Bundesgesundheitsministerium bereits eingeleitet und von Bayern unterstützt.

Erhebung: Seit Oktober läuft eine Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat. Es soll insbesondere ermittelt werden, in welchen Bereichen die Hebammen tätig sind und wie sie in Bayern verteilt sind. Laut Staatsregierung wird die Studie derzeit fertiggestellt. Danach sollen weitere Initiativen für die Versorgung mit Hebammenleistungen geprüft werden.

Sicherstellungszuschlag: Die Staatsregierung setzt sich für die bundesrechtliche Einführung des Haftpflichtausgleichs für freiberuflich geburtshilflich tätige Hebammen ein. Bisher wurden in Bayern noch keine Beiträge erstattet. (loh)

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