Landtag

Kinos gehen neue Wege: Die zweite Staffel der Serie „LOL“ feierte in Lichtspielhäusern Premiere, obwohl sie vom Streamingdienstanbieter Amazon Prime hergestellt wurde. Auf dem roten Teppich: Bastian Pastewka, Michael Bully Herbig, Anke Engelke und Tahnee (von links). (Foto: dpa/Felix Hörhager)

22.10.2021

"Wir können nicht ewig subventionieren"

Corona, Netflix & Co: Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) spricht im Landtag über die Situation der bayerischen Kinos

Das Kino ist zurück. Das versicherte zumindest Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) bei ihrem Bericht zum Thema „Status quo und Perspektiven für die bayerische Kinokultur“ im Kunstausschuss des Landtags. Allein der neue James-Bond-Film habe schon 3,5 Millionen Menschen ins Kino gelockt. „Auch unser bayerischer 007 Franz Eberhofer leistet mit seinem Kaiserschmarrndrama gute Dienste“, ergänzte Gerlach. Bundesweit zählen Kinos seit Juli schon eine Viertelmillion Besucher*innen – „damit liegen die Zahlen im dritten Quartal trotz der immer noch eingeschränkten Kapazitäten über denen von 2018“. 

Die Erholung der Branche dürfte dennoch noch lange dauern. Bundesweit lag die Zuschauerzahl 2020 bei 38 Millionen – weniger als ein Drittel des Vorjahrs. Entsprechend brach der Umsatz um durchschnittlich 68 Prozent ein. Immerhin ist die Zahl der Kinos in Deutschland während Corona nur um ein Prozent auf 1716 gesunken, in Bayern haben während dieser Zeit sechs Spielstätten geschlossen. Gerlach betonte, dass dies aber „normale Marktschwankungen“ seien, beispielsweise durch persönliche Gründe, Besitzerwechsel oder neue Mietverträge. 

Dass die Zahl der Betriebsstätten nahezu konstant geblieben ist, lag laut Gerlach an den Finanzhilfen von Bayern und Bund. Der Freistaat habe bereits Anfang Mai 2020 Soforthilfen in Höhe von 775 000 Euro bewilligt. Die Filmtheaterprämien in Höhe von 860 000 Euro, die normalerweise im Herbst vergeben werden, wurden auf Juni vorgezogen. Zusätzlich seien 1,28 Millionen Euro Kinoinvestitionsförderung ausgegeben worden. Der größte Betrag waren aber die Anlaufhilfen für Kinos in Höhe von 24 Millionen Euro in 2020 und 2021, um Liquiditätsschwierigkeiten zu vermeiden. In 56 Fällen gab es allerdings Rückforderungen seitens der Staatsregierung. Seit 1. Juli 2021 gibt es den Sonderfonds Kultur, bei dem der Bund Spielstätten mit bis zu 500 000 Euro im Monat unterstützt. 

Sorgen bereitet Gerlach die zunehmende Konkurrenz für Kinos durch Streaming-Anbieter. Sie konnten ihre Kundschaft im Vergleich zu 2019 um fast ein Drittel ausbauen. „Allein Netflix und Amazon hatten während Corona einen Zuwachs von vier Millionen Abonnenten“, rechnete Gerlach vor. Zusätzlich stellen die Anbieter immer öfter die Exklusivverwertung im Kino infrage. Den Film Mulan konnten Fans beispielsweise direkt zum Start auf Disney+ streamen. „Das ist auch für bayerische Kinos schwierig.“ Die Ministerin forderte, an der Exklusivität für Kinos festzuhalten, aber die Sperrfrist zu verkürzen – zum Beispiel, wenn ein Film beim Publikum floppt.

Allerdings mahnte Gerlach Kinobetreiber*innen auch, sich um neue Geschäftsmodelle zu kümmern. „Wir können Kinos nicht dauerhaft subventionieren, um sie am Leben zu halten.“ Sie müssten sich zu Event-Orten entwickeln, so Gerlach. Dazu gehörten innovative Marketingmaßnahmen, eine digitale Kundenansprache auf Social-Media-Plattformen, ein besseres Qualitätsmanagement, die Nutzung von Streaming-Plattformen, die Weiterbildung des Personals und eine verstärkte Zusammenarbeit untereinander. Zum Abschluss ihres Berichts forderte Gerlach aber auch ein Umdenken bei der Filmförderung. „Nicht jeder Film gehört ins Kino“, sagte sie. „Mehr Mittel auf weniger Filme könnten den deutschen Wettbewerb verbessern.“ 

In der anschließenden Aussprache forderte Volkmar Halbleib (SPD), unter 3G-Voraussetzungen in Kinos die Maskenpflicht abzuschaffen. Nur weil bisher fast alle Kinos überlebt hätten, sei es für eine Entwarnung mit Blick auf die wirtschaftlichen Perspektiven noch zu früh. Er kritisierte die hohe Rückforderungsquote von 20 Prozent bei den Liquiditätshilfen und Gerlachs Vorschläge zur Filmförderung. Außerdem verlangte Halbleib, nicht nur Produktionen in München zu unterstützen. „Von 4000 Drehtagen im Jahr in Bayern finden nur 120 in Franken statt.“

„Nicht jeder Film gehört gefördert und ins Kino“

Ingo Hahn (AfD) hält Kinos für weniger zukunftsträchtig als andere Medien. „Der Staat soll daher nicht zu sehr über die Mittelvergabe eingreifen“, sagte er. Insbesondere, wenn es sich um angloamerikanische Filme handelt, sollte das nicht noch mit „unserem“ Geld gefördert werden. Er verglich das mit der Förderung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und nicht-wirtschaftlicher Printmedien. Außerdem forderte Hahn Gerlach auf, in Zukunft im Ausschuss Deutsch zu sprechen. Statt „Streaming“ könnte man auch „Direktübertragung“ sagen. 

Sanne Kurz (Grüne) kritisierte die unklaren Vorgaben bei der Finanzhilfe für Kinobetreiber*innen. Zuerst habe ein Liquiditätsengpass bestanden, wenn die monatlichen Einnahmen nicht ausreichten, später seien es dann die Gesamteinnahmen gewesen. Kurz forderte die Staatsregierung auf, künftig auch verstärkt nichttechnologische Ideen von Kinos zu unterstützen und bei der Filmförderung zwischen wirtschaftlicher und kultureller Förderung zu unterscheiden: „Sonst konkurrieren Arthouse-Filme mit Blockbustern.“

Hoffnungsvoll stimmte der Bericht Kerstin Radler (FW). Um Kinos zu einem Erlebnisort zu machen, wünschte sie sich zusätzliche Förderprogramme. „Technik allein reicht nicht, es geht um Emotionalität.“ Ausschussvize Wolfgang Heubisch (FDP) empfahl Gerlach, sich mit dem Wirtschafts- und Kunstminister zusammenzusetzen, um sich als Trio schlagkräftiger für die Kinolandschaft einsetzen zu können. Ausschusschef Robert Brannekämper (CSU) kündigte an, das Thema im Frühjahr 2022 noch mal auf die Tagesordnung zu setzen. (David Lohmann)

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