Landtag

FDP-Fraktionschef Martin Hagen auf einer Demo. Bei der Corona-Politik nimmt die FDP für sich in Anspruch, das Schlimmste verhindert zu haben. (Foto: dpa/Felix Hörhager)

21.10.2022

"Wir sind in der Ampel ein wichtiges Korrektiv"

FDP-Fraktionschef Martin Hagen über schlechte Umfragewerte, seine Strategie für die Landtagswahl und Ratschläge, die er nicht mehr hören mag

Für die FDP läuft es nicht gut. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verlor sie Stimmen und flog aus der Regierung, in Niedersachsen schaffte sie es nicht mehr in den Landtag. Und vergangene Woche sah eine Umfrage die Liberalen in Bayern bei nur noch 3 Prozent.

BSZ: Herr Hagen, Ihre Partei kassiert eine Niederlage nach der nächsten. Was läuft schief?
Martin Hagen: Die Bürgerinnen und Bürger sind derzeit wegen des Ukraine-Krieges, der Energiekrise und einer fortschreitenden Inflation tief verunsichert, viele sind von Abstiegsängsten geplagt. Und die Bundesregierung konnte die Menschen offenbar trotz dreier Hilfspakete noch nicht davon überzeugen, dass sie die Lage im Griff hat. Die FDP, die vor allem wegen ihrer Wirtschaftskompetenz gewählt wird und die ja Teil dieser Bundesregierung ist, bekommt das zu spüren. Obwohl wir für das Richtige eintreten, etwa längere AKW-Laufzeiten. 

BSZ: Immerhin hat der Kanzler aber jetzt ein sogenanntes Machtwort gesprochen und klargestellt, dass drei Kernkraftwerke bis April 2023 laufen sollen. Beruhigt Sie das?
Hagen: Fürs Erste schon. Unsere Forderung war ja stets, die drei noch laufenden AKW länger laufen zu lassen, damit wir gut durch den Winter kommen. Das wurde lange von den Grünen blockiert, aus ideologischen Gründen und mit fadenscheinigen Argumenten. Aber die FDP ist hartnäckig geblieben, und der Kanzler hat die grüne Blockade schließlich mit seinem Machtwort aufgelöst, um Schaden von unserem Land abzuwenden. Für den Moment ist das also gelöst. Was die Energieversorgung für den Winter 2023/24 angeht – da liegt der Ball jetzt bei Wirtschaftsminister Habeck. Ich bin noch nicht überzeugt, dass wir dann auf Kernkraft verzichten können.

BSZ: War es ein Fehler, dass die FDP in die Ampel-Koalition eingetreten ist?
Hagen: Nein. Die FDP ist aus staatspolitischer Verantwortung in die Ampel eingetreten, weil es nach der Bundestagswahl realistischerweise keine andere Option gab. Markus Söder hat ja zuerst den Wahlkampf von Armin Laschet sabotiert und dann die Tür zu Jamaika zugeschlagen. Deshalb kam es zur Ampel.

BSZ: Wenn man auf die Umfragen blickt, hat es Ihrer Partei nicht genutzt. Offenbar sehen die Menschen nicht, wo die FDP Verbesserungen erreicht hat.
Hagen: Die gibt es aber. Zum Beispiel hat Finanzminister Christian Lindner den Abbau der kalten Progression durchgesetzt, also steuerliche Entlastungen für die arbeitende Mitte unserer Gesellschaft. Das war ein wichtiger Teil des dritten Entlastungspakets.

BSZ: Ist das aus FDP-Sicht tatsächlich eine gute Idee? Riesige Entlastungspakete für alle? Warum setzt man das Geld nicht zielgerichtet für die Bedürftigen ein?
Hagen: Der Staat darf sich nicht zulasten der Bürger an der Inflation bereichern. Der Abbau der kalten Progression ist deshalb ein Gebot der Gerechtigkeit. Was die Gaspreisbremse angeht: Zielgerichtetes Fördern klingt gut, würde aber bedeuten, dass man von jeder Privatperson und jedem Unternehmen eine Bedürftigkeitsprüfung durchführt. Das erfordert einen gewaltigen bürokratischen Aufwand, würde alles verzögern und außerdem neue Ungerechtigkeiten schaffen – warum wird dieser unterstützt und jener nicht? Die Regierung deckelt jetzt den Gaspreis für alle, um soziale und wirtschaftliche Härten abzufedern. 

BSZ: Bei der Corona-Politik nimmt die FDP für sich in Anspruch, das Schlimmste verhindert zu haben, indem sie Freiheitsrechte gesichert hat. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat der FDP jetzt diesen Erfolg abgesprochen und behauptet, er habe 95 Prozent seiner Wünsche durchsetzen können.
Hagen: Wir haben bundesweit als einzige Maßnahmen noch die Maskenpflicht in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen und im Fernverkehr. Jeder, der die Debatte verfolgt hat, weiß, dass das nicht 95 Prozent dessen entspricht, was Herr Lauterbach wollte. Wir haben die Rückkehr zur Normalität weitgehend geschafft. Wie Lauterbach seine angeblichen Erfolge hier bewertet, ist mir egal.

BSZ: Ihnen kann aber nicht egal sein, dass die Menschen Ihnen das, blickt man auf die Umfragen, nicht danken.
Hagen: Für die Wiederherstellung des Normalzustands kriegt man keinen Applaus, auch wenn es ein harter Kampf war.

BSZ: Die FDP müsse ihr Profil schärfen, wird oft gesagt. Richtig?
Hagen: Ja, richtig. Wer der FDP rät, mehr so zu werden wie andere Parteien, etwa wie die Grünen, meint es nicht gut mit der FDP. Sondern will nur, dass es die Grünen einfacher haben mit der FDP. Dafür sind wir nicht gewählt. Wir sind innerhalb dieser Ampel ein wichtiges Korrektiv.

BSZ: Nächstes Jahr findet in Bayern die Landtagswahl statt. Warum sollen die Leute in Bayern FDP wählen?
Hagen: Die FDP tritt an für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, für bessere Bildung, eine digitalere Verwaltung. Wir wollen eine schlanken und effizienten Staat. Dazu gehört auch, dass wir durch unser Volksbegehren einen aufgeblähten Landtag verhindern.

BSZ: Das ist alles bekannt. Trotzdem lag Ihre FDP vergangene Woche bei 3 Prozent.
Hagen: Die 3 Prozent stammen aus einer Umfrage, die unmittelbar nach der Landtagswahl in Niedersachsen erhoben wurde. Das war natürlich kein positives Umfeld für die FDP. Diese Woche liegen wir in Bayern schon wieder bei 6 Prozent. Die politische Großwetterlage macht es uns gerade nicht einfach, aber das wird sich auch wieder ändern. Wir lassen uns jedenfalls nicht verrückt machen. (Interview: Waltraud Taschner)

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