Landtag

Ein Beispiel von vielen: Farbanschlag auf ein CSU-Bürgerbüro in München Mitte Januar. (Foto: Pilsinger)

24.01.2020

Zwei Jahre Knast für Online-Beleidigungen

Um Kommunalpolitiker besser zu schützen, wollen CSU und Freie Wähler das Strafrecht verschärfen

Politiker sind immer häufiger Anfeindungen, Bedrohungen oder sogar körperlichen Angriffen ausgesetzt. Um sie besser vor Beleidigungen zu schützen, wollen CSU und Freie Wähler Hasskommentatoren härter bestrafen – dafür gibt es von allen Fraktionen Beifall. Dass der Anlass aber genutzt werden soll, um die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür wieder einführen, zu stößt vor allem den Grünen sauer auf.

Politiker sind immer häufiger Anfeindungen, Bedrohungen oder sogar körperlichen Angriffen ausgesetzt. Erst letzte Woche wurde auf das gemeinsame Bürgerbüro des Landtagsabgeordneten Josef Schmid und des Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger (beide CSU) in München ein Anschlag verübt. Die Fensterscheibe wurde mit einem Hakenkreuz und dem Wort „Volksverräter“ beschmiert. Der Landtag hat wegen der zunehmenden Fallzahlen insbesondere bei Kommunalpolitikern bereits im November 2019 eine Expertenanhörung durchgeführt. Diese Woche wurde im Innenausschuss über die Konsequenzen beraten.

CSU und Freie Wähler stellten in ihren gemeinsamen Anträgen, die alle Zustimmung fanden, eine Verschärfung des Strafrechts in den Mittelpunkt. So soll der Strafrahmen für Beleidigungen in sozialen Netzwerken oder im Internet von einem Jahr auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden. „Den Leuten muss klargemacht werden, dass bei Beleidigungen lange Gefängnisaufenthalte drohen“, sagte Max Gibis (CSU). Faktisch kann der Freistaat das Strafgesetzbuch aber nicht im Alleingang ändern, sondern müsste dies über eine Initiative auf Bundesebene anstoßen. Außerdem sollen künftig auch Kommunalpolitiker explizit zu Personen des politischen Lebens zählen und so besser vor übler Nachrede und Verleumdung geschützt werden. Das ist bisher nicht der Fall.

Um künftig bei Hate Speech die Menschen hinter den Pseudonymen ausfindig machen zu können, setzen sich CSU und Freie Wähler auch für eine Neuregelung der Verkehrsdatenspeicherung auf europäischer Ebene ein. Zusätzlich zielt das Antragspaket darauf, die fächerübergreifende politische Bildung an den Schulen zu intensivieren. Nicht zuletzt soll die Staatsregierung den Landtag über Fallzahlen zur Bedrohungssituation und Angebote zur Unterstützung Betroffener vor Ort berichten. „Wir wollen praktikable, schnelle Lösungen und die Präventionsarbeit ausbauen“, resümierte Joachim Hanisch (Freie Wähler).

Für die Grünen stimmte zwar die grundsätzliche Richtung des Antragspakets. „Den Anlass zu nutzen, um die Verkehrs- und Vorratsdatenspeicherung wieder auszugraben, schießt aber übers Ziel hinaus“, schimpfte deren Abgeordneter Johannes Becher. Die meisten Hasskommentatoren würden sowieso mit ihrem echten Namen posten. Außerdem kritisierten die Grünen, dass die Staatsregierung nur über die offiziellen Fallzahlen zur Bedrohungssituation von Kommunalpolitikern berichten soll. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, erklärte Becher. Er forderte eine sogenannte Dunkelfeldstudie, bei der Wissenschaftler in Gesprächen mit Kommunalpolitikern zum Beispiel auch die Zahl der nicht angezeigten Straftaten erheben.

Grüne: Die gemeldeten Vorfälle sind nur die Spitze des Eisbergs

In ihrem Antrag forderten die Grünen eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene, Berichte der Staatsregierung zur personellen Ausstattung von Polizei und Justiz sowie deutlich mehr Zeit im Schulunterricht für politische und mediale Bildung. Der Antrag wurde mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern und AfD abgelehnt.

Die SPD machte sich in ihrem Antrag für eine zentrale Telefonnummer stark, an die sich Kommunalpolitiker bei Beleidigungen, Drohungen oder Angriffen wenden können. Außerdem verlangte Klaus Adelt (SPD) mehr Personal für die Justiz. „Was nutzt es, wenn die Polizei den Täter schnell findet, aber bei Gericht die Leute fehlen, um sie verurteilen zu können?“, fragte der Abgeordnete. Dem Antrag stimmte außer der SPD keine Fraktion zu.

Die FDP forderte in ihren zwei Anträgen einen Bericht der Staatsregierung, welche Konsequenzen sie aus der Expertenanhörung zieht. Während dieser angenommen wurde, fand der zweite Antrag keine Mehrheit. Darin verlangte die FDP wie auch schon die Grünen, eine Dunkelfeldstudie durchzuführen. „Das wirkliche Ausmaß der Anfeindungen und Beleidigungen kommt so weiterhin nicht ans Licht“, kritisierte deren Abgeordneter Alexander Muthmann. Ihm wäre es lieber gewesen, sich auf wissenschaftliche Fakten statt auf Gefühle zu verlassen.

Die AfD brachte als einzige Fraktion keinen eigenen Antrag zum Schutz für Kommunalpolitiker ein – sie kritisierte stattdessen den politischen Gegner. Den Anträgen von Grünen und SPD warf der AfD-Abgeordnete Richard Graupner „politische Einseitigkeit“ vor, weil sie den Blick ausschließlich auf den Rechtsextremismus richten und dabei den Linksextremismus vergessen würden. Den Anträgen von FDP sowie von CSU und Freien Wählern stimmte die AfD hingegen zu. Besonders die Verkehrsdatenspeicherung hielt Graupner, der von Beruf Polizist ist, für ein wesentliches Element, um Kommunalpolitiker besser zu schützen. „Wer schon mal einen Täter nicht ermitteln konnte, weil entsprechende Daten gefehlt haben, weiß, wie ärgerlich das ist“, sagte er. Der Europäische Gerichtshof urteilte 2016, dass die anlasslose Speicherung von Verbindungsdaten nicht mit EU-Recht vereinbar ist. (David Lohmann)

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