Leben in Bayern

Michael Mittermeier bei der Verleihung des Deutschen Comedypreises 2014. (Foto: dpa)

29.10.2014

"Das deutsche Fernsehen ist ein Komapatient"

Comedian Michael Mittermeier über gute und schlechte Serien, den deutschen Humor und Grenzen des Spaßes

Michael Mittermeier teilt die Menschheit ein in AKs und Nicht-AKs: In Arschlochkinder und Nicht-Arschlochkinder. Das tut der 48-jährige Stand-Up-Comedian so erfolgreich, dass er seit vielen Jahren zu den prominentesten Vertretern der deutschen Comedy-Szene gehört. RTL zeigt am 1. November sein aktuelles Programm "Blackout".

BSZ: Herr Mittermeier, Ihren Durchbruch hatten Sie mit dem Programm "Zapped", in dem Sie sich vor allem die Fernsehlandschaft vorknöpften. Hätte das Fernsehen nicht längst eine Comedy-Watschn à la "Zapped 2" verdient?
Mittermeier: Das deutsche Fernsehen ist in der Tat ein Komapatient. Da vegetieren Schauspieler in diesen Serien, die kein Mensch kennt. Vieles sieht aus, als wäre es mit einer Kamera wie vor 18 Jahren gedreht. Oder es stehen Samstagabend Kung-Fu-Mönche auf der Bühne.

BSZ: Na, das schreit doch nach einer Nummer dazu.
Mittermeier: Ich habe im aktuellen Programm "Blackout" tatsächlich zum ersten Mal wieder Fernsehnummern drin. Davor habe ich das kategorisch abgelehnt, um mich nicht zu wiederholen. Was aber viele falsch verstehen: "Zapped" habe ich nicht gemacht, weil ich das Fernsehen generell scheiße finde, sondern aus großer Liebe zum Fernsehen, indem ich die Serien einfach nacherzähle. Nur schlechte Comedians brauchen schlechte Fernsehserien, um gute Comedy zu machen. Die Kunst ist, aus einer guten Serie was Lustiges zu machen.

BSZ: Welche Serien finden Sie denn gut?
Mittermeier: Zurzeit schaue ich "Game of Thrones", aber da ist der Funke, etwas Lustiges daraus zu machen, noch nicht übergesprungen. Großartig finde ich die Zombie-Serie "The Walking Dead" und dazu habe ich auch eine kleine Nummer. Außerdem glaube ich fest, dass die Zombies irgendwann kommen - und dann überleben nur die, die wissen, mit welcher Schaufel sie sich wehren können. Wer stehenbleibt, der stirbt. Das ist wie auf dem Oktoberfest: Nur die, die unter den Zombies in Bewegung bleiben, überleben.

Er macht sich über den Papst lustig, über Fukishima und Hitler


BSZ: Sie stehen nun schon seit über einem Vierteljahrhundert auf der Bühne. Wie hat sich die Comedy-Szene seitdem verändert?
Mittermeier: Als ich in Deutschland mit Stand-Up-Comedy angefangen habe, gab's das so noch gar nicht. Das war eine Nischenangelegenheit, die als Kleinkunst in kleinen Clubs stattgefunden hat. Heute ist daraus eine ganze Industrie geworden. Das haben wir übrigens bis heute England oder auch den USA voraus.

BSZ: Sehen Sie als einer der Pioniere diese Entwicklung zum Massen-Phänomen denn kritisch?
Mittermeier: Was soll denn daran schlecht sein? Wo ist denn das Problem, wenn 5000 Leute zu einem Auftritt kommen? Da könnte man auch sagen, ein Buch soll sich nur schlecht verkaufen und es soll keiner lesen. Und das Schöne ist, dass Stand-Up-Comedian seit ein paar Jahren ein richtiger Beruf geworden ist und es gibt viele großartige kleine Gruppen, die sich heute trauen, auf die Bühne zu gehen und ihr Ding machen. Ende der 90er Jahre ging es vielen Komikern nur darum, berühmt zu werden und viele Zuschauer zu gewinnen. Heute steht wieder mehr die Kunstform im Vordergrund.

BSZ: In Ihrem aktuellen Programm machen Sie sich über den Papst, Fukushima, Natascha Kampusch und Hitler lustig. Gibt es denn Themen, die Sie lieber nicht anfassen?
Mittermeier: Nein. Vieles wird in Deutschland oft missverstanden. Ich mache ja keine Witze über tragische Ereignisse, sondern erzähle Geschichten und mache satirisch auf die Absurdität aufmerksam. Ich werde dafür zwar teilweise auch beschimpft, aber das interessiert mich nicht. Ich picke mir ja nicht eine Person heraus und mache sie fertig. Wenn ich über jemanden explizit rede, dann ist derjenige auf Augenhöhe. Die von der Leyen oder Merkel beleidige ich gerne. Dazu habe ich eine Berechtigung, denn die Damen bestimmen unsere Geschicke und das ist meine einzige Form, sie anzugehen. Wem das zu weit geht, der soll zu Helene Fischer gehen, sehen wie sie mit einem Vogel durch die Lüfte fliegt und "Atemlos" singt.

BSZ: Sie stehen als einer der wenigen deutschen Komiker auch häufig im Ausland auf der Bühne. Für unseren Humor sind wir ja nicht gerade bekannt. Wie ist es Ihnen da ergangen?
Mittermeier: Es ist natürlich generell schwierig, in der zweiten Sprache ein Programm aufzuführen. Grundsätzlich ist beispielsweise auch für einen Engländer der Deutsche erstmal nicht lustig, aber mich finden sie meistens dann offenbar doch witzig. Ich erzähle natürlich auch Dinge über Klischees, aber auch wie ich als Deutscher aufgewachsen bin: Wie oft ich den Holocaust in der Schule durchgenommen habe, oder dass ich statt Punk eben die Lederhose hatte. Klar kann man auch mal einen Hitlerwitz machen, aber als Stand-up-Comedian schreibe ich mein Programm auch je nach Land ein wenig um. In den USA muss ich keinen Witz über die Unabhängigkeitswünsche von Schottland machen. Wenn ich in Edinburgh nur mit Mel Gibson und Braveheart anfange, dann lachen schon alle.

"AfD: Arschlochkinder für Deutschland"


BSZ: Wie wichtig ist es Ihnen, das Publikum neben dem Lachen auch zum Nachdenken zu bringen?
Mittermeier: Klar habe ich diesen Anspruch, aber ich will nicht den Zeigefinger gebrauchen. Auch wenn jemand bei mir ausschließlich Ablachen will, finde ich das toll. Ich zwinge nicht jeden, eine Nachricht mitzunehmen. Aber wenn das Publikum beispielsweise über die "Arschlochkinder für Deutschland", nämlich die AfD, dann auch kritisch nachdenkt, ist das natürlich prima. Es ist doch auch wirklich ein Wahnsinn in Zeiten, in denen Hunderttausende auf der Flucht sind, zu sagen, dass wir nicht so viel Einwanderer brauchen. Sollen wir denn wieder eine Mauer bauen?

BSZ: Das klingt aber jetzt doch sehr politisch...
Antwort: Ich war immer ein politischer Mensch. Dafür gehe ich auf die Straße und auf die Bühne. Und auch in andere Länder und am liebsten mit ausländischen Kollegen. Vor allem mit jüdischen Comedians macht das Spaß. Das geht es nicht um political correctness, sondern sie fordern "Gib's mir, gib's mir!" - damit sie dann doppelt zurückschlagen können.
 Neben Touren im deutschsprachigem Raum führte Mittermeier sein Programm weltweit auch auf Englisch auf. Erlebt mit Frau und Tochter in München. (Interview: Elena Koene)

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