Leben in Bayern

Mark Olival-Bartley studiert in München. Er ist stolz, dass sein Heimatstaat Hawaii in der Mehrheit die Demokraten gewählt hat. (Foto: Rudolf Stumberger)

04.11.2020

Das Sektfrühstück musste leider ausfallen

Wie erleben US-Bürger in Bayern den Tag nach der Präsidentenwahl? Stimmen und Stimmungen nach einer langen Wahlnacht

Die Präsidentenwahl polarisiert nicht nur die Menschen in den USA, wo die Spaltung  quer durch das Land geht. Und oft auch quer durch die Familien. Auch die in Bayern lebenden Amerikaner, die ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben, fiebern mit.

Emily Frömel zum Beispiel. Die 45-jährige Künstlerin lebt seit 2001 in Deutschland und wohnt außerhalb Münchens. „Als ich in der Nacht um drei Uhr schlafen gegangen bin, habe ich geglaubt, wenn ich am Morgen aufwache, ist Trump weg“, sagt sie. Doch weder am Morgen noch am Mittwochabend gibt es eine Entscheidung, sondern ein an den Nerven zehrendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump und seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden.

Frömel ist Vizevorsitzende der Democrats Abroad in München, einer Auslandsorganisation der Demokratischen Partei in den USA. Sie hat für Biden Wahlkampf gemacht, hing dazu wochenlang am Telefon oder war im Internet unterwegs. „Natürlich haben wir gehofft, dass Biden mehr Stimmen bekommt“, sagt Frömel enttäuscht. Doch jetzt müsse man zusammenstehen und Geduld haben. Und hoffen. Auch, dass es nach der Auszählung der Stimmen nicht zu Gewalttaten kommt. Frömel: „Wir haben Angst, aber wir bleiben ruhig.“ Wenn das Ergebnis feststehe, müsse man überlegen, was man tut, sagt sie.  Auch in Hinsicht auf Corona: „Wir brauchen endlich einen Plan.“

Frömels Familie kommt ursprünglich aus Kalifornien, zuletzt hat die Malerin im Bundesstaat New York gelebt und dort hat sie auch ihre Briefwahlunterlagen hingeschickt. Fest steht: New York geht klar an ihren Kandidaten Biden. Noch nicht ausgezählt sind aber einige Swing-Staaten, die wahlentscheidend sind.

Student Mark Olival-Bartley wählte Biden, seine Oma aber Trump

„In Träumen durchreise ich ein ödes Land“, diese Zeile stammt aus einem Gedicht von Edwin Arlington Robinson, einem US-amerikanischen Lyriker des 19. Jahrhunderts. Über diesen Dichter promoviert derzeit Mark Olival-Bartley an der Münchner Universität. Zusammen mit seiner Frau wohnt er im Uni-Viertel, in der Türkenstraße.

Die Verszeile könnte aber auch aktuell auf die USA passen, denn der gebürtige Hawaiianer erlebt wie viele seiner Zeitgenossen, dass die Politik sein Land und auch die Familien spaltet. Amerika habe sich verändert, beklagt Olival-Bartley. Einer seiner Brüder arbeitet als Virologe in Brooklyn, ein anderer lebt als „Hippie“ und Impfgegner in Hawaii. Der Hippie-Bruder wählte Trump, Mark wählte per Briefwahl Biden. Dass auch Mark Olival-Bartleys 95-jährige Großmutter in North Carolina zum zweiten Male Trump gewählt hat, mache ihn fertig, sagt er.  „Ich verstehe nicht, dass die Hälfte der Wähler diesen Mann wählt“. Mark ergänzt: „Ich fühle mich müde und traurig.“ Stolz aber ist der 51-Jährige allerdings auf seine Heimat: „Hawaii hat die Demokraten gewählt.“   

Auch George Kobrick in Fürth ist enttäuscht, dass das Ergebnis der Wahl noch nicht feststeht. Für ihn ist klar: „Dieses System mit den Wahlmännern ist veraltet.“ Der 51-jährige IT-Fachmann lebt seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. An diesem Mittwochnachmittag sitzt er mit seinem 27-jährigen Sohn zu Hause vor dem Computer und verfolgt den Fortgang der Wahlauszählung in den USA. „Wir sind hier am zittern“, bringt er die Stimmung auf den Punkt. Für die US-Wahl hat sich der Amerikaner extra frei genommen, denn „man muss das ja psychologisch verdauen.“ Statt eines Sektfrühstücks dann aber das große Bangen, wie es nun weitergeht.

Kobrick ist ebenfalls erklärter Trump-Gegner, er sorgt sich, wie die Politik das Land spaltet. „Ich habe noch nie so viel Freunde verloren wie in den vergangenen vier Jahren“, sagt Kobrick. Selbst seine eigenen Brüder hätten lange Zeit nicht mehr miteinander gesprochen.

Aufwühlend findet auch Traudl Schmid den Ausgang der Wahl. „Ich bin sehr aufgeregt“, sagt die Präsidentin des Deutsch-Amerikanischen Frauenclubs in München. Der pflegt seit mehr als 70 Jahren die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, organisiert einen Jugend-Austausch und Spenden bei der jährlich stattfindenden Wohltätigkeitsveranstaltung „Silbertee“. Politisch gibt man sich im Club zwar neutral, unter den Damen gibt es Biden- und Trump-Anhänger, da wolle man Kontroversen vermeiden, heißt es. „Allerdings“, sagt Schmid vieldeutig, man sei schon daran interessiert, dass die Demokratie erhalten bleibe und sich eine moderate Politik durchsetze.     
(Rudolf Stumberger)

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