Leben in Bayern

Mit Sicherheitsmaßnahmen wie Pollersperren um das Gelände herum will die Polizei die Gefahr eines Anschlags minimieren. (Foto: Stark)

20.09.2024

Die Angst bleibt draußen

Polizei und Stadt versichern, dass die diesjährige Wiesn das sicherste Volksfest der Welt sei – und überall herrscht Vorfreude

Es ist ein Kommen und Gehen an diesem Nachmittag so kurz vor der Eröffnung des Oktoberfests. Unzählige Lastwagen, Lieferwagen, Fußgänger*innen wollen auf das Gelände oder wieder weg. Es ist noch viel zu tun, bis am Samstag das weltbekannte „Ozapft is“ ertönen kann. An einem Stand, an dem man bald gebrannte Mandeln kaufen kann, werden noch letzte Schrauben ins Holz gedreht. Ein Gabelstapler transportiert Biertische ins nächste Bierzelt, ein anderer hievt einen Container an seinen Platz. Daneben wird gerade noch ein Weg asphaltiert. Alles ist in Bewegung. Nur die Karussells stehen – sieht man einmal von kurzen Testfahrten ab. An den Zugängen zum Gelände stehen Ordner und kontrollieren die Genehmigungen von allen, die auf die Theresienwiese wollen. Sie haben viel zu tun.

Auch Clemens Baumgärtner (CSU) war an diesem Tag schon auf dem Gelände. Der Wirtschaftsreferent der Stadt München und damit auch der Wiesnchef schwor die Ordner noch einmal darauf ein, wirklich nur diejenigen aufs Gelände zu lassen, die dazu auch berechtigt sind. Und das hat einen Grund: Gerade erst gelang nämlich Mitgliedern der Inninger Landjugend ein Coup. Sie stahlen am Wochenende den Maibaum des Hofbräufestzelts vom Gelände. Offenbar kamen sie bei der Aktion auch unbehelligt vom Sicherheitsdienst auf das Gelände und wieder herunter. Das darf sich nicht wiederholen.

Auch ein potenzielles Ziel für Attentate

Denn bei all dem geschäftigen Treiben und all der Vorfreude auf das größte Volksfest der Welt kann man leicht vergessen, dass das Fest eben nicht nur Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt ist, die dort eine tolle Zeit erleben wollen. Es ist auch ein potenzielles Ziel für Attentate – gerade vor dem Hintergrund des Terroranschlags beim Stadtfest in Solingen, bei dem vor Kurzem drei Menschen ums Leben kamen, und des vereitelten Anschlags in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums in München kurz darauf.

Ortswechsel. Das Münchner Polizeipräsidium und das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt haben zur gemeinsamen Pressekonferenz geladen. Polizeieinsatzleiter Christian Huber spricht von einer „hohen abstrakten Gefährdungslage“, mit Betonung auf „abstrakt“. „Es gibt keine Erkenntnisse, das irgendwas in Verbindung mit dem Oktoberfest bevorstehen würde“, sagt Huber. Aber natürlich werde die Polizei die Lage durchgehend neu analysieren. Huber versichert: „Die Wiesn ist deutschlandweit, wenn nicht weltweit das sicherste Volksfest.“

Huber verweist auf drei Sperrringe im Umkreis des Geländes, eine Flugverbotszone im Radius von 5,5 Kilometern um das Oktoberfest herum und den Zaun. Auf dem Gelände selbst beobachtet die Polizei das Geschehen durch 54 eigene Videokameras, die laut Huber praktisch jeden Winkel erfassen. Mehr als 600 Polizist*innen werden auf dem Gelände unterwegs sein, einige davon auch aus anderen Bundesländern und dem Ausland.

Massiv aufgestockt wird die Zahl der Ordner*innen. 1200 bis 1500 von ihnen sind während der Wiesn im Einsatz. Sie sollen auch erstmals stichprobenartig Metalldetektoren an den Eingängen und in den Zelten verwenden, um mögliche Messer oder andere Waffen zu entdecken. Es gilt auf dem gesamten Gelände ein komplettes Stoß-, Hieb- und Stichwaffenverbot. „Auch der berühmte Hirschfänger, aber auch der Hammer oder der Schraubenzieher“, erklärt Hanna Sammüller-Gradl (Grüne), die Leiterin des Kreisverwaltungsreferats.

Kiffverbot wird die Polizei am meisten beschäftigen

Was die Polizei diesmal besonders beschäftigen wird, ist das Cannabisverbot auf der Wiesn. Bußgelder von 500 bis 1500 Euro drohen bei Missachtung. Huber kündigt an, auch konsequent gegen das Kiffen vorzugehen: „Deswegen der Appell: Rauchen Sie das Zeug nicht auf dem Wiesngelände.“ Mehr Sicherheit vor Belästigungen soll die App „SafeNow“ bringen. Benötigt man schnelle Hilfe, klickt man einfach auf einen Button – damit werden Securitykräfte oder einem Nahestehende alarmiert.

„Straftaten gibt es immer“, sagt Huber. „Aber man kann mit ruhigem Gewissen den Wiesnflair genießen.“ Dem stimmt Sammüller-Gradl zu: „Ich freue mich auch sehr auf den Auftakt.“

Auch Wiesnchef Baumgärtner freut sich – ganz ohne mulmiges Gefühl. Er verweist auf die unzähligen Sicherheitsmaßnahmen. „Was willst du mehr machen? Ich glaube, dass wir sicherer sind als jedes andere Volksfest, das ich kenne.“

Für ihn ist die diesjährige Wiesn aus einem anderen Grund eine ganz besondere: Es ist seine letzte als Wiesnchef. Seine Amtszeit endet im Februar. Wegen der rot-grünen Mehrheit im Stadtrat hat die SPD das Vorschlagsrecht bei der nächsten Referent*innenwahl. Es gilt als sicher, dass der jetzige Ingolstädter Oberbürgermeister Christian Scharpf den Posten erhält. CSU-Mann Baumgärtner will nicht verhehlen, dass er damit nicht einverstanden ist. „Mich ärgert, dass ich nicht weitermachen darf. Ich habe ja keine goldenen Löffel gestohlen. Ich glaube, dass ich das Haus gut geführt habe – und dass dann die Kündigung kommt, ist ärgerlich“, sagt er.

Allerdings möchte er in anderer Funktion zurückkehren: Baumgärtner ist CSU-Kandidat für die nächste Oberbürgermeisterwahl. Den Amtsinhaber Dieter Reiter (SPD) schlagen und dessen Nachfolger werden? „Ich würde mir nichts sehnlicher wünschen“, sagt Baumgärtner. Einstweilen gilt es für ihn aber, seinen Job als Wiesnchef zu erledigen. Während des Oktoberfests wird Baumgärtner an jedem der 16 Tage von früh bis spät da sein. „Mir macht das Freude.“

Die empfindet auch Dennis Hartmann jedes Mal. Schon seit zwölf Jahren arbeitet er auf der Wiesn. Hartmann ist für die Reinigung des Weinzelts verantwortlich, für ihn arbeiten rund 30 Personen. Der Anschlag von Solingen und der vereitelte Terrorakt in München – so tragisch diese auch gewesen seien – beschäftigen die Menschen hier nicht, sagt Hartmann. Eher denke man in den Schaustellerkreisen an den 20-jährigen Arbeiter, der am Montag unglücklicherweise bei einer Achterbahntestfahrt vom Zug erfasst wurde und starb. Aber auch das müsse man irgendwann ausblenden.

„Wir wollen alle Geld verdienen“

„Wir wollen alle hier Spaß haben, Geld verdienen. Viele sind auch darauf angewiesen“, sagt Hartmann. Außerdem seien ja genug kräftige Polizei- und Ordnungskräfte anwesend, die schnell eingreifen könnten, wenn etwas passieren würde. Hartmann glaubt nicht, dass die Angst bei dieser Wiesn mitschwingt: „Spätestens beim Einmarsch am Samstag ist das alles vergessen.“ Und dann werden auch wieder Millionen Menschen aufs Gelände strömen. (Thorsten Stark)

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