Leben in Bayern

Die Flotte der „Freien Lastenradler“: Neun Räder stehen kostenlos für das gesamte Münchner Stadtgebiet bereit. (Fotos Stumberger, Stadt München)

25.08.2017

Die Umwelt schützen auf drei Rädern

Trend Lastenfahrräder: In Bayerns Städten sind immer mehr der alternativen Transportfahrzeuge unterwegs

Stickoxid und Feinstaub: Auspuffgase verdrecken die Luft in Bayerns Städten. Eine immer beliebtere Alternative zu stinkenden Motoren: Lastenfahrräder. In München wird der Kauf gefördert. Kostenlos ausleihen kann man sie auch. Und nicht nur bei jungen Familien kommen die Gefährte gut an. Auch die Lieferbranche fängt langsam an, sich für die umweltfreundliche Transportvariante zu interessieren. Also los geht’s. Rauf auf das Radl mit seinen drei Rädern und losgestrampelt. Aber hoppla! Gewöhnungsbedürftig ist das Gefährt schon. Das Lastenfahrrad neigt sich, wenn das Trottoir sich absenkt. Instinktiv will man mit dem Körper gegenlenken. Und auch das Kurvenfahren will geübt sein. „Beim Dreirad nimmt man jede schiefe Ebene mit“, erklärt Uli Borde. Der gelernte Schmiedemeister betreibt zusammen mit seinem Bruder den „Velo“-Laden in der Münchner Schleißheimer Straße. Seit neun Jahren beschäftigt er sich mit Lastenrädern. Diese Gefährte sind gerade dabei, Bayerns Städte zu erobern. Die Stadt München sponsert sie zum Beispiel mit bis zu 2000 Euro pro Bürger.

Bis zu 2000 Euro: München sponsert Lastenfahrräder

Es gab sie schon einmal, vor einigen Jahrzehnten, und Borde hat so einen Oldtimer im Laden stehen: ein Lastenfahrrad. Hinten sitzt der Fahrer, vorne ist die Ladefläche, Zuladung bis zu 100 Kilo. Neben dem Oldie stehen die zeitgenössischen Modelle, mit denen sich heute die Großstadtmenschen fortbewegen. Da ist zum Beispiel das „Nihola Low“, ein Fahrrad mit einem runden Behälter vorne dran. Das Ganze sieht ein wenig aus wie ein antiker Streitwagen und kostet rund 2500 Euro. Schräg gegenüber steht ein Christiana-Lastenfahrrad, vorne mit einer Transportkiste versehen, die einen Viertelkubikmeter umfasst. Hier muss der Kunde rund 2000 Euro anlegen.

Die Firma Nihola kommt aus Dänemark, Christiana aus Schweden und beide Länder sind Vorreiter, was Fahrradkultur überhaupt und was Lastenfahrräder im Besonderen anbelangt. Heute gibt es „unendlich viele Hersteller“, erklärt Borde. Und so zahlreich sind auch die Varianten, unter denen man wählen kann. Es gibt sogar ein Lastenfahrrad extra für den Transport von Rollstühlen. Und auch eines mit einer fahrenden Art Litfasssäule, das „Posterbike“.

Obwohl Lastenräder eigentlich für die gewerbliche Nutzung gedacht sind, werden sie meist von jungen Familien gekauft, die damit ihre Kinder transportieren wollen. Bei Uli Borde und seinem Bruder machen sie rund 80 Prozent des Geschäfts aus.

Außerdem gibt es neben den Lastenrädern mit reiner Pedalkraft auch solche mit elektrischem Antrieb. Die heißen dann „Pedelecs“, der Name entspringt wohl der Kombination von Pedal und Elektrik. Diese Gefährte werden durch Elektromotoren, gespeist mit Batteriestrom, unterstützt. Sie dürfen nicht schneller als 25 Kilometer pro Stunde fahren, sonst benötigen sie wie Mofas ein kleines Kennzeichen. Das „Pedelec“ ist bequem, aber es gibt auch Nachteile. „Man sollte es in einer Garage unterstellen, die Elektronik ist gegen Wind und Wetter noch sehr anfällig“, sagt Borde. Und es gibt Nachfolgekosten, zum Beispiel wenn ein neuer Akku fällig ist. Der kostet 600 Euro.

Größter Vorteil aber natürlich: Die Räder sind umweltfreundlich. Angesichts der starken Luftverschmutzung in der Stadt unterstützt München deshalb die Anschaffung von Pedelecs. Das Förderprogramm Elektromobilität „München e-mobil“ hat das Ziel, die lokalen CO2-Emissionen und die Feinstaubbelastung zu senken. Und auch den Motoren-Lärm in der Stadt zu mindern. Die Anschaffung eines Lasten-Pedelecs fördert die Stadt mit der Übernahme eines Viertels des Kaufpreises – maximal 1000 Euro. Weitere 1000 Euro bekommt der, der sein altes Auto zugunsten eines Lastenfahrrads verschrottet.

Doch längst muss man sich nicht mehr ein eigenes Lastenrad kaufen, um umweltschonend Dinge in der Stadt zu transportieren. Seit 2015 kann man sich bei den Freien Lastenradlern solch ein Transportgefährt kostenlos ausleihen. Mittlerweile stehen neun Räder für das ganze Stadtgebiet zur Verfügung. Es genügt, sich auf der Webseite www.freie-lastenradler.de zu registrieren und den Termin anzugeben, wann man das Lastenrad nutzen will. Die Gefährte kann man auch gleich für mehrere Tage buchen. Mittlerweile haben fast 500 Münchner dieses Angebot ausprobiert.

Per Crowdfunding haben die Lastenradler Raphael Draeger und Thomas Schmidt Geld gesammelt. Dank der Unterstützung vieler Menschen und einiger Werbepartner reichte das für zehn Lastenräder. Ehrenamtlich ist auch die Arbeit der Lastenrad-Verleihstationen, die auf ganz München verteilt sind. Bundesweit gibt es knapp 40 weitere Initiativen und Vereine, die das kostenlose Ausleihen von Lastenrädern ermöglichen. Vorbild war das erste freie Lastenrad „Kasimir“ in Köln.

Doch nicht nur im privaten Bereich sind die Lasten-Drahtesel inzwischen unterwegs. So findet sich seit Neuestem mitten im Münchner Glockenbachviertel ein brauner Container des UPS-Paketdienstes. Dorthin werden die Pakete zwar noch mit normalen Lastwagen angeliefert. Doch die Verteilung im Stadtviertel erfolgt dann per Lastenrad. Damit sollen immerhin drei benzinbetriebene Zustellfahrzeuge ersetzt werden können. Das Ganze läuft im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Namen „City2Share“, an dem zehn Projektpartner beteiligt sind, darunter die Landeshauptstadt, BMW, die Stadtwerke, der Carsharing-Anbieter DriveNow und eben UPS.

Auch die TU München erprobt Transport per Radl

Und das ist keineswegs das einzige Testfeld in München. Am nordwestlichen Ende der Hackerbrücke steht neuerdings ein sogenanntes Microdepot. Das Verfahren gleicht dem von UPS: Autokuriere deponieren an dem Standort ihr Transportgut, das dann von Fahrradkurieren ausgeliefert wird. Das Projekt „Civitas Eccentric“ – begleitet von der TU München – erprobt zukunftsorientierte und umweltfreundliche Mobilität gleich in mehreren europäischen Städten. (Rudolf Stumberger) Foto: Münchens OB Dieter Reiter hat’s getestet: das Rad von UPS.

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