Seit fast 20 Jahren wird im „Beer Garden Inn“ Bier nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut und ausgeschenkt – und das mitten in der äthiopischen Hauptstadt. Der Laden von Banshebi Tejiwe brummt. Kein Wunder, hat der Braumeister sein Handwerk doch nicht nur in Weihenstephan gelernt. Er verwendet für sein Bier auch ausschließlich Hopfen aus der Hallertau.Die Bar und das danebenstehende kleine Bierzelt von Banshebi Tejiwe sind fast jeden Abend gerammelt voll. Neben seinen Hotelgästen aus der ganzen Welt kommen auch viele Äthiopier ins „Beer Garden Inn“. Sie alle verbindet eines: die Liebe zum deutschen Bier. Denn Braumeister Tejiwe hat sein Handwerk vor allem in Bayern gelernt und versorgt inzwischen seit fast 20 Jahren seine Gäste in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba mit Bier, das streng nach dem bayerischen Reinheitsgebot gebraut wird.
In seinem Hotel hat er sich inmitten der afrikanischen Metropole sein ganz persönliches Stück Deutschland geschaffen. In der gemütlichen, holzvertäfelten Schankstube stehen große kupferfarbene Braukessel aus Oberfranken, in denen Tejiwe zwei verschiedene Sorten des hauseigenen Bieres „Garden Bräu“ herstellt – das Helle „Blondy“ und das Dunkle „Ebony“. Gebraut wird nur mit aus der Hallertau importiertem Hopfen. Der Schriftzug „Hopfen und Malz Gott erhalt´s“ prangt an einer Wand, zudem unterstreichen Gerstenähren, Rechen und viele andere bäuerliche Gegenstände den bayerischen Stil des Hauses.
Nach Deutschland und zum Bierbrauen kam Tejiwe allerdings eher zufällig. „Mit dem Brauwesen hatte ich als Jugendlicher nichts am Hut. Eigentlich wollte ich Elektrotechnik studieren“, berichtet der 62-Jährige.

Zu Zeiten von Studentendemonstrationen und Unruhen wurde die Universitätszulassung in Äthiopien in den Siebzigern allerdings stark vom Staat reguliert und die Unis teilweise geschlossen. Tejiwe bekam keinen Studienplatz – und jobbte stattdessen bei der äthiopischen Brauerei St. George. „Eigentlich hatte ich dazu keine Lust“, blickt der Braumeister zurück. Doch die Arbeit erwies sich bald als Glücksfall: „Ich war immer gut in Mathe, Physik und Chemie. Und als ich entdeckt habe, dass das Brauen viel mit Naturwissenschaft zu tun hat, war mein Interesse geweckt.“
Auch seine Frau hat er aus Bayern mitgebracht
Ein deutscher Brauer bei St. George führte den talentierten Äthiopier in die Kunst der Bierherstellung ein und vermittelte ihn schließlich nach Deutschland. Zunächst besuchte Tejiwe die Braumeisterschule in Ulm, später studierte er Brauwesen in Weihenstephan. „Als ich in der Mittagspause zum ersten Mal vom Reinheitsgebot gelesen habe, wollte ich das auch in Äthiopien anwenden“, sagt er. Ein Traum war geboren: Ein Gasthaus und eine Brauerei in der Heimat mit deutscher Gestaltung sollte es werden.
Bis dahin war es aber noch ein weiter Weg. Zunächst musste seine künftige Frau, die er in Deutschland kennengelernt hatte, vom Umzug nach Afrika überzeugt werden. „Ich habe sie alleine zu meinen Eltern geschickt, die ihr jede schmutzige Ecke von Addis Abeba gezeigt haben“, sagt Tejiwe lachend. Erst als sie für Afrika bereit gewesen sei, habe er sie geheiratet. 1983 ging die Familie schließlich nach Äthiopien, die Eröffnung eines Restaurants lag im damaligen sozialistischen System allerdings noch in weiter Ferne.
Nicht einmal Wasser und Strom gab es anfangs
Bis genug deutsche und äthiopische Partner und Investoren gefunden waren und mit dem Ende des sozialistischen Regimes die Gefahr von Enteignung gebannt war, vergingen noch Jahre. Im Dezember 1996 öffnete das „Beer Garden Inn“ endlich seine Pforten – und es fiel sogar deutlich größer aus als ursprünglich erträumt: Neben einem Restaurant mit 60 Plätzen und der Schankstube und dem Bierzelt für insgesamt 300 Gäste gehört auch ein Hotel mit 32 Zimmern zum Haus. Ein weiterer Ausbau ist in Planung.
Heute liegt das „Beer Garden Inn“ mitten im Business-Distrikts Bole-Medhanialem. Zur Eröffnung sah das allerdings noch anders aus: „Das war früher ein freies Feld. Hier gab es nicht einmal eine Straße. Wir waren die Ersten, die hier etwas gebaut haben. Sogar die Strom-, Wasser- und Abwasseranschlüsse haben wir selbst gemacht“, berichtet Tejiwe. „Die Leute kamen in Gummistiefeln hierher“, erinnert sich seine Tochter Addisitu Funder, die in Deutschland eine gastronomische Ausbildung absolviert hat und seit 2006 Geschäftsführerin des Hotels ist.
Doch das deutsche Ambiente stieß von Beginn an auf große Resonanz in Afrika: „Vor allem in den ersten sechs Monaten haben uns die Leute die Türen eingerannt. Es gab nur Stehplätze und alles war voll“, sagt der Braumeister.
Hendl zum Bier – Sauerkraut mögen die Äthiopier nicht
Den Erfolg führt er vor allem auf das Bier zurück. Denn im Gegensatz zu den meisten einheimischen Biersorten bekomme man vom „Garden Bräu“ weder Kopfschmerzen noch Blähungen. Im Gegenteil: „Einige sagen sogar, dass sie von unserem Bier geheilt wurden, zum Beispiel von Nierensteinen“, sagt Funder mit einem Lachen. Doch nicht nur beim Bier und bei der Dekoration sind die deutschen Einflüsse zu erkennen. Auch die Speisekarte weist deutsche Klassiker wie Grillhendl oder Schnitzel statt traditioneller äthiopischer Gerichte aus. Zu ausgefallen darf es für die Äthiopier aber auch nicht sein. „Sauerkraut essen zum Beispiel meistens nur die Chinesen“, erklärt sie.
Trotz des Erfolgs in Addis Abeba blicken Vater und Tochter manchmal auch mit Wehmut zurück nach Deutschland – vor allem deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit und Effizienz vermissen sie in Äthiopien. „Hier ist alles viel ruhiger, gediegener, gelassener“, sagt die Geschäftsführerin. Zudem sei es schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Derzeit beschäftige sie 105 Angestellte. „In Deutschland würden etwa 60 Personen ausreichen“, erklärt Funder und zuckt dabei mit den Schultern. Aber in der gemütlichen Atmosphäre des „Beer Garden Inn“ ist auch eine etwas längere Wartezeit auf das Essen oder die Rechnung verkraftbar. Das zeigt der Erfolg.
(Daniel Wenisch)
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