Kurze Sommer, harte Winter und karge Böden: Im Oberpfälzer Wald gehört die Teichwirtschaft zu den wichtigsten Einnahmequellen. Familie Bächer aus Muckenthal lebt regelrecht für den Karpfen. Geht es ans Abfischen der 56 Teiche, helfen alle Angehörigen und Freunde mit. Denn abgefischt wird mit reiner Muskelkraft. Auch die Staatszeitung hat mit angepackt. Die Luft hat jetzt kurz nach 8 Uhr nur wenige Grad über Null. Von unten ist man im kalten Wasser durch Gummistiefel und dicke Socken halbwegs geschützt, aber die nackten Hände sind nach kurzer Zeit puterrot. Schwer hängen an ihnen die Zugnetze im bis zum Oberschenkel reichenden trüb-braunen Wasser, in dem die Fische immer enger zusammengetrieben werden.
Das Abfischen am Fischhof Bächer im zur Gemeinde Wiesau gehörenden Dörfchen Muckenthal im Landkreis Tirschenreuth ist im vollen Gange. Und alles passiert mit Muskelkraft – nichts automatisiert. Früher kamen statt der Allrader Pferdefuhrwerke zum Einsatz – aber das ist auch schon die einzige Modernisierung in den vergangenen 800 Jahren, seit Zisterziensermönche hier in dieser Region mit ihren kargen Böden, den kurzen Sommern und harten Wintern die Teichwirtschaft als Einnahmequelle für die Menschen etablierten: ein Knochenjob seit vielen Jahrhunderten und Generationen. Das Gelände lässt den Einsatz von Maschinen einfach nicht zu.
Die randvollen Körbe werden den Hang hochgeschleppt
Der abgelassene Teich mitten im Wald sieht an diesem Morgen nur noch aus wie ein großer brauner Sumpf. Das wenige verbliebene Wasser sammelt sich in einer Pfütze, Teichlache genannt, am linken

unteren Rand tummeln sich die ganzen Fische, ein Gewusel und Gewimmel, das Wellen wirft und spritzt. Unzählige Goldorfen sind zu erkennen – kleine Zierfische, die nicht zum Verzehr bestimmt sind, sondern für Aquarien. Der wichtigste Akteur des Tages aber: der Karpfen.
Familie und Freunde packen mit an, vom neunjährigen Max bis zum fast 80-jährigen Opa Alfons. Seit dem frühen Morgen sind alle auf den Beinen. Immer wieder gilt es, die schweren, randvollen Körbe mühsam den schlammig-glitschigen, steilen Hang des Teichufers hinaufzuwuchten. Oben stehen Allradfahrzeuge samt Anhänger bereit, darauf riesige Wannen, in die der Fang entleert wird. Die Karpfen starren, derart in der Ruhe und Behaglichkeit ihres Teiches gestört, mit ihren großen Glubschaugen fast ein wenig vorwurfsvoll.
56 Teiche bewirtschaften die Bächers. Manche sind nur einen halben Hektar groß, der größte misst acht Hektar. Da gibt es eine Menge zu tun. Die Familie lebt aber regelrecht für den Karpfen, sie züchtet ihn nicht nur. Während Vater Klaus und Schwiegersohn Florian (24) meist direkt an den Teichen im Einsatz sind, hat Tochter Lena den Marketing- und Werbeteil des Betriebs übernommen. Die 19-jährige Studentin der Agrarwissenschaft wurde für zwei Jahre zur „Teichnixe“ gekürt – vergleichbar einer Weinkönigin andernorts – und ist in diesem Ehrenamt für das Promoten der Branche auf Messen und vor Touristen zuständig.
Gattin Manuela (45) und Oma Elsa (67) wirken im zur Karpfenzucht gehörenden Restaurant „Fischerstüberl“ hinterm Herd. Und wer einmal ihr Karpfenfilet im Bierteig probiert hat, der meldet Zweifel an, ob der Schweinebraten zu Recht das Nationalgericht der Bayern ist. Die Bächers sind

natürlich bei Weitem nicht die einzigen Teichwirte im Landkreis: Wie besprenkelt mit kleinen und mittelgroßen Wasserflächen zwischen Wäldern und Wiesen, so wirkt dieser dünn besiedelte Landstrich. Der offizielle Marketingname der Oberpfalz – „Land der 1000 Teiche“ – ist hier im äußersten Norden des Bezirks nicht übertrieben.
Die oberpfälzische Teichwirtschaft kennt zwei große Erntezeiten im Jahr: Im Frühjahr – je nach Wetter zwischen Ende März und Ende April – werden vor allem die Setzlinge und die Brut für den Besatz abgefischt und alle Teiche neu besetzt. Für den wirtschaftlichen Erfolg des Fischjahres ist das eine ganz entscheidende Phase. Beim Abfischen lässt man das Wasser weitgehend aus dem Teich heraus. Von den großen Wannen gehen leicht schräg gestellte Sortiertische nach unten, auf denen die Fische – auch das selbstverständlich von Hand – nach Art, Größe und Fettgehalt sortiert werden.
„Die Winterteiche, in denen wir die Tiere von September bis April unterbringen, sind heuer zu trocken“, klagt Teichwirt Klaus Bächer (47). „Es hat zu wenig geschneit, wie auch schon in den vergangenen Wintern – also gab es nicht das übliche Wassern der Schneeschmelze.“
Die klassische Zucht in freier Natur wie schon im Mittelalter könnte deshalb bei fortschreitendem Klimawandel irgendwann zur Disposition stehen. „Dann gibt es halt nur noch eingesperrten und künstlich gemästeten Karpfen“, sagt Klaus Bächer und verzieht das Gesicht – wohl keine Perspektive, die ihm gefällt. „Aber es geht: Einer der wichtigsten Karpfenproduzenten weltweit ist mittlerweile Israel und das ist ein Wüstenland.“
Der Klimawandel gefährdet die Zucht in freier Natur
Doch nicht nur das sich ändernde Klima macht den Karpfen zu schaffen – sondern auch Fressfeinde aus der einheimischen Fauna. „Die meisten Menschen denken dabei zuerst an den Kormoran“, sagt Klaus Bächer. „Der wütet auch, natürlich – aber fast noch schlimmer für unsere Teiche ist inzwischen der Fischotter.“
Während gegen die sich explosionsartig vermehrenden Kormorane – europaweit sind es inzwischen 1,5 Millionen Tiere – seit einiger Zeit etwas unternommen werden darf, blocken Tierschützer sämtliche

Maßnahmen gegen den Otter entschieden ab. „Und der breitet sich, weil er keine natürlichen Feinde hat, im Freistaat immer weiter aus“, warnt Klaus Bächer. „Ein Weibchen wirft bis zu drei Mal im Jahr und die Jungtiere suchen sich dann neue Reviere.“ In der südlichen Oberpfalz hat der Bezirk reagiert und einen Otterberater berufen, um den Konflikt zu entschärfen.
Ganz so schlecht schaut es aktuell in Muckenthal aber nicht aus. Bis zu 400 Karpfen tummeln sich im Schnitt pro Hektar Teich. Ein zwei Jahre altes Exemplar – umgangssprachlich „K2“ genannt – bringt zwischen einem Pfund und 700 Gramm auf die Waage. Das Schlachten lohnt sich ab einem Gewicht von einem Kilogramm, besser sind aber mindestens 1200 Gramm.
Und wie groß können Karpfen generell werden? Teichwirt Bächer schmunzelt: „Im Prinzip riesig. Ein Karpfen wächst und wächst immer weiter – bis er irgendwann stirbt. Der größte, den ich je im Netz hatte, wog fast 15 Kilogramm.“ Aber es geht noch massiger. Es sollen angeblich schon Fische gefangen worden sein, die das 100. Lebensjahr überschritten hatten.
Vielleicht ist so einer ja im nächsten Teich mit dabei. Denn mit diesem sind die Bächers durch und machen sich auf den Weg zum nächsten. Es gibt für die Familie an diesem Tag noch viel zu tun.
(
André Paul)
Fotos (Paul): Alle helfen mit: Max (9) ... natürlich Vater Klaus Bächer ... und auch Opa Alfons, fast 80.
http://www.bayern.by/traditionell-anders/land-der-tausend-teiche/
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