Leben in Bayern

Der Aktionskünstler Wolfram Kastner zeigt ein Foto mit dem Denkmal für den als Kriegsverbrecher hingerichteten General A. Jodl, das auf der Fraueninsel im Chiemsee zu sehen ist. (Foto: dpa)

02.02.2017

Gedenken an einen Nazi-Verbrecher

Ein Künstler bemalt ein Grabkreuz für einen Nazi-General mit roter Farbe und hängt ein Schild mit der Aufschrift "Keine Ehre für einen Kriegsverbrecher" daran. Dann erhielt er eine einstweilige Verfügung – jetzt wehrt er sich

Die Insel Frauenchiemsee gehört zu den wohl malerischsten Flecken Bayerns. Sie ist Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt - und für Rechtsextreme. Denn auf dem Gemeindefriedhof steht ein Grabkreuz für den Nazi-Kriegsverbrecher Alfred Jodl.

Viele Anwohner und Besucher haben kein Verständnis für den Gedenkort. Der Künstler Wolfram Kastner (Jahrgang 1947) hat unter anderem mit einem Hinweisschild mit der Aufschrift "Keine Ehre für einen Kriegsverbrecher" gegen das Kreuz protestiert. Damit handelte er sich den Ärger der Nachkommen Jodls ein.

Jetzt wehrt sich Kastner gegen eine einstweilige Verfügung von einem der Jodl-Nachfahren, der derlei Aktionen verhindern will. In der Zivilverhandlung am Donnerstag am Landgericht München I verkündet der Richter jedoch noch keine Entscheidung und setzt hierfür einen neuen Termin an. Die beiden Parteien haben sich zunächst nicht einigen können.

In der Grabstätte sind vier Angehörige Jodls beerdigt, darunter seine beiden Ehefrauen. Jodl selbst liegt dort nicht begraben, sein Name ist jedoch in großen Buchstaben in das steinerne Kreuz eingemeißelt. Der einstige Chef des Wehrmachtsführungsamtes wurde im Nürnberger Prozess 1946 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt.

Der Künstler muss sich im März strafrechtlich verantworten

Nach der Hinrichtung wurde der Leichnam des gebürtigen Würzburgers verbrannt und die Asche Jodls in der Isar verstreut. So sollte vermieden werden, dass ein Grab eines Nazi-Verbrechers zur Pilgerstätte wird. Nun sei das Grab der Jodl-Angehörigen zum Anziehungspunkt für Rechtsextreme geworden, findet Kastner.

Der Künstler steht nicht alleine da mit seiner Meinung. Einer der Bewohner der Fraueninsel sagt als Zeuge in der Verhandlung, über das Kreuz werde immer wieder gesprochen. Die Leute könnten nicht verstehen, dass so ein Gedenken an einen Nazi-Verbrecher möglich sei. Tenor sei: "Naja, da kann man eben nichts machen."

Im Sommer 2015 und im Herbst 2016 schließlich schritt der Künstler Kastner zur Tat und hängte Hinweisschilder an den Grabstein. Bei der zweiten Aktion beschmierte er das Kreuz zudem mit roter Farbe als Symbol für das unter der Nazi-Herrschaft vergossene Blut. Dafür muss er sich im März auch noch strafrechtlich verantworten.

In der Zivilverhandlung um Unterlassung erklärt sich Kastner am Donnerstag bereit, auf weitere künstlerische Aktionen zu verzichten, sofern die Nachfahren Jodls ein Hinweisschild mit einem Erklärtext zu dem Kriegsverbrecher an dem Grabkreuz anbringen würden. Der Nachkomme lehnt dies ab. Er erkenne die schwere Schuld seines Vorfahren voll an, wolle aber verhindern, durch ein Schild zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Grabkreuz zu lenken, sagt sein Anwalt.

Einen zweiten Gütevorschlag von Seiten Kastners, nämlich Namen und Funktion Alfred Jodls von dem Grabkreuz zu entfernen, lehnt der Nachkomme schließlich nicht ab - bittet aber darum, sich mit Verwandten besprechen zu können. Zudem verlangt er von Kastner eine Übernahme der Reparatur- und Reinigungskosten für das Grab in Höhe von rund 4000 Euro. Der Richter vertagt daraufhin die Entscheidungsverkündung um zwei Wochen.

Eigentümer der Grabstelle ist die Gemeinde Chiemsee. Der in dem Verfahren als Kläger auftretende Nachkomme Jodls hat die Grabnutzungsrechte geerbt. Diese laufen wohl Anfang 2018 aus. Dann könnte sich das Problem von selbst lösen. (Ute Wessels, dpa)

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