Leben in Bayern

Immer mehr Gaststätten müssen zusperren – weil ihnen das Personal fehlt. Längst sind nicht nur Fachkräfte verzweifelt gesucht. (Foto: dpa/Kalaene)

26.05.2023

Geschlossen wegen Personalmangel

Während Corona sind auch die ungelernten Beschäftigten in Läden und Lokalen gegangen – wo sind die eigentlich hin?

Sichtbar enttäuscht steht die Passantin vor der geschlossenen Bäckerei in der Müllerstraße im Zentrum von München. „Ja, wo krieg ich jetzt mein Brot her?“, seufzt Christine Wiesmeier und blickt sich fragend um. Seit Langem kaufte die Übersetzerin, die im Glockenbachviertel arbeitet, hier ihre Backwaren ein, doch in den letzten Monaten hatte das Geschäft nur mehr am Vormittag offen. Jetzt wurde der Laden ganz dichtgemacht, aus „Personalmangel“ wurde die Hofpfisterfiliale „dauerhaft geschlossen“, ist auf einem Zettel zu lesen, der an der Schaufensterscheibe klebt.

Personalmangel, dieses Wort charakterisiert die Dienstleistungsbranche nach Corona, von der Gastronomie bis zum Einzelhandel. Doch wo sind sie nur alle hin, die früheren Mitarbeitenden?
„Geschlossen“, steht an der Eingangstür zur Gaststätte im Eine-Welt-Haus an der Schwanthalerstraße. Das Haus wird von allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen für ihre Treffen genutzt, von den Anonymen Alkoholikern bis hin zu Deutschkursen für Ausländer*innen. Die Gastwirtschaft im Haus hat dabei eine wichtige kommunikative Funktion, hier trifft man sich, ratscht und bespricht gemeinsame Vorhaben.

Mittlerweile fehlen nicht mehr nur Kochprofis

Das ist jetzt erst mal auf Eis gelegt, bis ein neuer Pächter gefunden ist. „Die Vielschichtigkeit des Hauses erfordert eine flexible Gastronomie, die in ihrem Angebot das Konzept des Hauses widerspiegelt“, ist in der neuen Ausschreibung für das Lokal zu lesen. Doch warum hat der alte Pächter aufgegeben? Gäste erinnern sich, dass er des Öfteren geklagt hätte, wie schwer es sei, einen Koch und anderes Personal zu finden.

„Der Personalmangel war sicherlich auch ein Grund“, warum die Gaststätte schließen musste, sagt Stephan Kowalski, Geschäftsführer vom Eine-Welt-Haus. Ein anderer Grund: die schwierigen Startbedingungen des Pächters in der Corona-Zeit.

Szenenwechsel vom Stadtzentrum hinaus nach Gräfelfing, einer Gemeinde im Westen von München. Hier bietet das Restaurant Femerling in der Würmstraße seit 2015 seine Gerichte an. Mittlerweile aber nur noch an zwei Tagen in der Woche.

Auf ihrer Homepage erklärt die Betreiberfamilie, warum. Da sei zum einen die Geburt des Sohnes gewesen. Und: „Das zweite war die Corona-Pandemie. Wir mussten unzählige Male unser Konzept und unsere Arbeitsweise umstellen, weil sich die Regeln so oft geändert haben. In dieser Zeit ist es viel schwieriger geworden Mitarbeiter zu finden, die bei uns in Gräfelfing arbeiten möchten.“ Man hat die Konsequenzen gezogen: „Diese Einflüsse haben uns dazu bewogen, unser Konzept umzustellen. Der normale Restaurantbetrieb wird vorerst nur noch am Donnerstag und Freitag stattfinden.“

Die Suche nach Mitarbeitenden ist schwierig, bei der Münchner Bäckereikette Hofpfister ist die Liste der offenen Stellen lang. Da werden vor allem Verkaufskräfte gesucht, für die Filialen in Bayern, Berlin und Baden-Württemberg. Als Fachverkaufspersonal, Urlaubsvertretung, Abteilungsleitung, auf Minijobbasis und als Springer*innen. Aber auch Personal in den Bereichen Sachbearbeitung, Prokura und Elektrik stehen auf der Liste.

Aber wo sind sie nun, die bisherigen Mitarbeitenden? Eine Antwort auf diese Frage weiß Wilfried Hüntelmann, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in München. Er sagt: „Aus dem Fachkräftemangel ist ein Arbeitskräftemangel geworden.“ Beispiel Hotel- und Gastronomiebranche: Dass Fachkräfte wie Kochprofis auch vor Corona eher Mangelware waren und von den Hoteliers dringend gesucht wurden und werden, ist bekannt. Aber Corona habe bewirkt, dass auch Servicekräfte während der Krise in andere Bereiche abgewandert sind.

Das Personal ist während der Pandemie abgewandert

Zwar habe es für die Angestellten Kurzarbeit gegeben, aber was fehlte, war das Trinkgeld, ein nicht unerheblicher Teil der Einkünfte. So orientierten sich die Beschäftigten beruflich woanders, etwa im Lebensmitteleinzelhandel oder als Auslieferungsfahrer. Nach Corona konnte man nun den Personalstand nicht einfach wieder hochfahren.

Bei den ausgebildeten Kräften in Bäckereien, aber auch den Metzgereien, weiß Hüntelmann, gebe es schon seit Jahren einen Fachkräftemangel: „Es gehen zu wenig junge Leute in diese Berufe.“ Das liege auch an den Arbeitsbedingungen wie dem frühen Arbeitsbeginn im Backhandwerk. „Die Arbeitgeber müssen die Berufe attraktiver machen“, so seine Einsicht.

Der Arbeitskräftemangel sei mittlerweile deutschlandweit ein Problem, aber Städte wie München seien wegen ihrer Branchenstruktur – mit Gastronomie, Tourismus und Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest – besonders betroffen, so der Leiter des Arbeitsamts. Und für Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiteten, sei es schwierig, in einer teuren Stadt wie München zu leben. Die bayerische Landeshauptstadt und der Landkreis verzeichnen derzeit mit 1,2 Millionen einen Höchststand an Beschäftigten.

Für die Zukunft sieht Hüntelmann kaum Entspannung: „Die Probleme des Personalmangels werden sich durch die demografische Entwicklung verstärken.“ Weil nun die Generation der sogenannten Babyboomer aus den 1950er-Jahren in Rente geht. Was kann man tun? „Wir müssen alle Potenziale ausschöpfen und zum Beispiel Frauen und ältere Menschen qualifizieren“, so der Fachmann. (Rudolf Stumberger)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.