Leben in Bayern

Der Ingolstädter Landwirt Stefan Froschmeir ist froh, dass zumindest die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge vom Tisch ist. (Foto: Stark)

16.02.2024

„Hört auf die Praktiker!“

Der Ingolstädter Landwirt Stefan Froschmeir kann die Wut in seiner Branche auf die Politik gut verstehen – in einem neuen Gremium arbeitet er an Vorschlägen für eine bessere Zukunft

Hühner haben immer Hunger. Und so muss Stefan Froschmeir seine 12.000 Legehennen natürlich auch jetzt im Winter füttern. Auch im eigenen Getreidelager – der Biobetrieb handelt mit Speise- und Futtergetreide – ist immer was zu tun. Nur auf den insgesamt 140 Hektar Ackerfläche, auf denen Froschmeir gemeinsam mit seinem Bruder Getreide, Eiweißpflanzen wie Bohnen und Gemüse anbaut, ist noch nichts los.

Doch auch drinnen ist viel zu tun. Der 30-Jährige ist auf Fachmessen unterwegs, um Netzwerke zu pflegen, in dieser Woche zum Beispiel auf der Biofach, der größten Messe für Biolebensmittel in Deutschland. Er kümmert sich vom heimischen Büro aus um die Direktvermarktung eines Teiles seiner Produkte und informiert sich darüber, was sich wieder gesetzlich geändert hat. Denn irgendwas verändert sich immer – ob auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene. „Bürokratie ist wie ein dumpfer Nebel, der über allem liegt“, sagt Froschmeir.

Die Hälfte der Arbeitszeit geht für Bürokratie drauf

Und diese Bürokratie ist – neben den hohen Kosten für die Landwirtschaft und den immer niedrigeren Preisen am Markt – das Hauptproblem der Landwirtschaft. „In allen Bereichen wird der Dokumentationsaufwand immer mehr“, klagt Froschmeir. Veterinärverordnungen, Steuerrecht, Feldbewirtschaftung, alles müssen die Landwirt*innen auf dem Schirm haben. „Wenn ich zum Feld rausfahre, weiß ich erst mal nicht, was ich da machen darf.“ Der Landwirt schätzt, dass mittlerweile gut die Hälfte seiner Arbeitszeit für Bürokratie draufgeht.

Immerhin hat das bayerische Landwirtschaftsministerium jetzt den sogenannten Praktikerrat ins Leben gerufen. Rund 30 Vertreter*innen aus der Landwirtschaft, von Verbänden und Branchen entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette trafen sich erstmals Ende Januar, um sinnfreien und sich teilweise doppelnden Vorschriften den Kampf anzusagen. Stefan Froschmeir ist eines der Mitglieder des Rates. Ziel ist, möglichst bis Mitte des Jahres eine Liste mit Reformvorschlägen zu erstellen. Außerdem soll das Gremium unter der Leitung des früheren bayerischen Umweltministers Marcel Huber (CSU) Vorschläge für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU erarbeiten. Die GAP, die Subventionen und Umweltziele für die Landwirtschaft in den Mitgliedstaaten regelt, soll praxisorientierter werden.

„Die erste Runde war vielversprechend“, sagt Froschmeir. „Es wurde nur kurz geschimpft, dann ist man schnell in den Arbeitsmodus übergegangen.“ Der Landwirt ist zuversichtlich, dass der Praktikerrat „einen guten Diskussionsbeitrag liefern wird“. Was dann daraus wird, da ist freilich die Politik gefragt. „Der Druck zur Veränderung ist aber da“, sagt Froschmeir. „Denn der Unmut ist auch in den anderen Ländern der EU vorhanden.“

Dieser Unmut über die europäische Agrarpolitik führte zuletzt zu etlichen Demonstrationen in mehreren europäischen Ländern. Der Beginn der Protestwelle war Ende vergangenen Jahres in Deutschland, nachdem die Bundesregierung ihre Sparpläne zulasten der Landwirtschaft bekannt gegeben hatte. Die Subvention für Agrardiesel sollte auf einen Schlag entfallen, dazu wollte die Ampel-Regierung eine Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge einführen. Letztlich strich die Regierung die Einführung einer Kfz-Steuer wieder und veränderte den Entwurf so, dass die Agrardiesel-Subvention über mehrere Jahre hinweg reduziert wird. Doch die Proteste gehen unverändert weiter.

Froschmeir kann das verstehen, auch wenn er selbst nicht demonstriert hat, sondern eher auf das persönliche Gespräch mit der Politik setzt. „Die Stimmung ist angespannt, bei manchen sogar aggressiv. Man fühlt sich an den Rand gedrängt“, sagt er. „Der Agrardiesel ist ja ein Synonym für vieles.“

Tausende Euro Mehrkosten durch Sparplan des Bundes

Für den Ingolstädter würde der komplette Wegfall der Subvention einige Tausend Euro Mehrkosten im Jahr bedeuten. Anderen Landwirt*innen dürfte es ähnlich gehen. Dabei müssen die Betriebe gleichzeitig immer mehr für Personal, Energie und Maschinen und sich häufig ändernde Auflagen aufwenden. Dazu kommt der extreme Preisdruck des Einzelhandels. „Am einzelnen Stück verdient der Landwirt nicht mehr viel“, sagt Froschmeir. „Ohne Subventionen würde es nicht gehen.“ 50 Prozent der Einnahmen seines Betriebs, der Birkenschwaige, kommen aus Steuergeldern, was sogar unterdurchschnittlich ist. Der durchschnittliche Anteil der Beihilfen am Gewinn der bayerischen Betriebe beträgt laut Agrarbericht des Landwirtschaftsministeriums 60 Prozent.

Im Grunde habe jeder Betrieb nur zwei Möglichkeiten, um zu überleben: weiter zu wachsen oder sich mehr an der Wertschöpfungskette zu beteiligen. Die Birkenschwaige hat sich für Letzteres entschieden. Der Betrieb setzt auf Direktvermarktung, baut das Futtermittel für die Hühner selbst an und bietet anderen Bauernhöfen unterschiedlichste Dienstleistungen an. Doch Froschmeir weiß, dass nicht jeder Betrieb diese Möglichkeiten hat.

Der Landwirt baute schon während seines Agrarmanagement-Studiums ein Netzwerk auf und übernahm dann den Hof seines Vaters, der nur als Nebenerwerb Landwirtschaft betrieben hatte. Ein ungewöhnlicher Weg. In der Regel geht es heutzutage eher in die andere Richtung. Von den rund 103.000 Höfen in Bayern werden schon mehr als 60 Prozent im Nebenerwerb betrieben. Jährlich nimmt der Nebenerwerbsanteil weiter zu, während die Gesamtzahl der Betriebe sinkt. Gleichzeitig nimmt aber auch die bewirtschaftete Fläche der verbliebenen Betriebe zu. Sie beträgt aktuell 36,9 Hektar, was im Vergleich zum Bundesdurchschnitt – 64 Hektar – sehr wenig ist.
90 Prozent seiner Kommiliton*innen fanden nach dem Studienabschluss eine Stelle in einem nachgelagerten Bereich im Agrarwesen, etwa in Verbänden, erklärt Froschmeir. Nur 10 Prozent übernahmen eine Landwirtschaft. Es waren diejenigen, die den Betrieb ihrer Eltern übernehmen konnten – und dann auch wollten.

Vier Personen arbeiten in der Birkenschwaige fest mit, dazu kommen zehn bis 15 Saisonarbeitskräfte. Schon jetzt setzt der Betrieb Digitaltechnik zur Einsparung von Personalkosten ein. Ein Roboter sät, übers Internet gesteuert, Zuckerrüben und pflückt das Unkraut zwischen den Früchten heraus. In Zukunft werde man auch auf Bayerns Feldern sehr viel mehr automatisierte Maschinen im Einsatz sehen, schätzt Froschmeir. Nur manchmal bleibt sein Roboter auf einem der Felder stehen. Dann, wenn er keinen Internetempfang hat.

Während der Proteste im Senegal unterwegs

Als die Proteste in Deutschland aufflammten, war Froschmeir gerade im Senegal unterwegs. In dem sehr landwirtschaftlich geprägten Land gibt es tatsächlich flächendeckenden Internetempfang, aber nur wenige Maschinen. Um das zu ändern, haben dort die Maschinenringe, ein landwirtschaftlicher Dienstleister, inzwischen mehrere Dependancen gegründet, über die Bauern Zugriff auf Maschinen haben. Bisher setzen die Betriebe dort überwiegend auf Handarbeit. In diesem Land spielt Agrardiesel keine Rolle, sagt Froschmeir grinsend. „Die sind froh, wenn sie einen Esel haben.“ (Thorsten Stark)
 

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