Den Gutschein für den Flug bekam er von seinen Kindern. Für den 54-jährigen Schreinermeister Robert Sellmeier entwickelte sich das Geschenk allerdings zum Albtraum. Nur mit Glück überlebte er die Notlandung. Im vergangenen Jahr verdoppelte sich die Zahl der Abstürze mit Todesfällen. Die Linke fordert nun eine von Unternehmen und Verbänden unabhängige Kontrollstelle.
Es sollte für Robert Sellmeier die Erfüllung eines lange gehegten Traums werden. „Doch statt einem der schönsten Tage in meinem Leben wurde daraus ein Albtraum“, sagt der 54-Jährige. Seit vielen Jahren

lässt der Schreinermeister aus Zolling im Landkreis Freising schon Modellflugzeuge in die Luft steigen. „Ich wollte aber immer schon einmal selbst mit einem Leichtbauflugzeug im Cockpit mitfliegen.“ Seine Kinder hatten ihm einen Gutschein für einen Flug bei einer Veranstaltungsagentur geschenkt. Der Pilot sollte niemand anderes sein als der Schauspieler Steffen Wink.
„Und es begann auch perfekt“, erinnert sich Sellmeier an den Montag vergangener Woche. Der Himmel war weitgehend wolkenlos, als der 50-jährige Wink mit Sellmeier an Bord im oberbayerischen Sauerlach startete. Doch bereits nach kurzer Zeit trat in der zehn Jahre alten Maschine ein technischer Defekt auf, der TV-Mann und Sellmeier wurden bei der Notlandung auf einem Feld schwer verletzt.
„Es kam aus dem Nichts. Ich genoss gerade den schönen Ausblick, als plötzlich der Motor zu stottern anfing“, erinnert sich Sellmeier. Aus gut 50 Metern Höhe sei die Maschine plötzlich im Sturzflug abgeschmiert. „Ich dachte: Jetzt ist es aus.“ Sellmeier hatte Todesangst. Doch glücklicherweise habe Wink richtig reagiert, das Steuer gerade noch rechtzeitig herumgerissen und eine Notlandung auf einem Feld hingelegt.
Doch noch waren sie nicht außer Gefahr. „Der Motor rauchte und wir waren vorne im Cockpit eingeklemmt“, berichtet Sellmeier. Hobbypilot Wink sei bewusstlos gewesen. Flugbenzin sei aus dem Wrack ausgelaufen. „Eine Stange des Fahrwerks hat sich in mein Bein gebohrt“ erzählt Sellmeier. Und die Tür klemmte. „Ich dachte: Jetzt überlebe ich den Crash und dann verbrenne ich.“ Doch Sellmeier und Wink hatten großes Glück. Zwei Bauern, die den Unfall beobachtet hatten, kamen sofort herbeigeeilt. „Irgendwie gelang es ihnen, uns beide herauszuholen.“
Viele der Unglückspiloten sind 60 Jahre oder älter
Andere Insassen von Ultraleichtbauflugzeugen (ULF) hatten weniger Glück. Allein in den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Crashs mit den Kleinfliegern. Mitte Oktober stürzte im hessischen Grebenhain eine zweisitzige Maschine in einen Wald – der 66-jährige Pilot starb. Und im thüringischen Kreis Schmalkalden-Meiningen, nicht weit von der bayerischen Grenze, kam ein 62-Jähriger mit seiner Maschine ins Trudeln und verunglückte tödlich. Auch im schleswig-holsteinischen Glinde, dem sächsischen Taucha und in der Nähe von Hannover gab es heuer Crashs mit Schwerverletzten oder gar Toten.
Die Zahl der tödlichen Unfälle nahm dabei zuletzt zu: Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung registrierte 2016 acht Tote bei Unfällen mit Ultraleichtflugzeugen – 2015 waren es „nur“ vier. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr zwar. Da in der veröffentlichten Statistik der Behörde aber nur Abstürze mit Toten enthalten sind, geht sie von einer hohen Dunkelziffer an Unfällen aus.
Auch in Bayern gab es in jüngster Zeit eine Reihe von Unglücken: Mitte Oktober musste ein 62-Jähriger aufgrund eines technischen Defekts auf einem Acker im unterfränkischen Landkreis Würzburg notlanden und wurde dabei verletzt. In Vilshofen bei Passau ist ein Ultraleichtflugzeug beim Landeanflug in den Boden gekracht. Und ein 76-jähriger Pilot stürzte Ende August in Bruck im Landkreis Schwandorf in einen Wald.
Viele der Unglückspiloten sind 60 Jahre oder älter. Oft ist die Ursache ein technischer Defekt, häufig sind aber auch Flugfehler, selbst bei eigentlich erfahrenen Piloten, der Auslöser. Das Fatale: Die Leichtflieger können dann auch für Unbeteiligte brandgefährlich sein. Ende August krachte eine Maschine in Baden-Württemberg bei einer Notlandung in einen Traktor. Auch Kollisionen mit Windrädern und Hausdächern gab es schon. Einmal stürzte ein Flugzeug auch in einen Badesee. Sogar eine Autobahn musste Sportfliegern schon mal als Notpiste dienen.
Die Verbände kontrollieren selbst: Funktioniert das?
In Deutschland gibt es über 10 000 sogenannter Ultraleichtflugzeuge. Viele Besitzer sind sehr wohlhabend, auch mancher Tüftler besitzt eine Maschine. Doch wird genug für die Sicherheit getan? 2009 hatte die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung dem Spiegel mitgeteilt, eine Untersuchung zeige, dass die Selbstkontrolle der Flugverbände nicht ausreichend sei. Auf Nachfrage der BSZ zur Sicherheit von Ultraleichtflugzeugen verweist die Behörde nun auf das Luftfahrtbundesamt und die privaten Flugverbände. Doch dort sei man gar „nicht für Ultraleichtflugzeuge zuständig“, sagt eine Sprecherin des Amtes. Zuständig unter anderem für Lizenzierung und Zulassung seien der Deutsche Aero Club (DAeC) oder der Deutsche Ultraleichtflugsportverband.
Beim DAeC hält man die derzeitig gültigen Sicherheitskontrollen für Ultraleichtflugzeuge für ausreichend. Die Sicherheitsvorkehrungen seien „sehr umfangreich“. Auch die Selbstkontrolle durch die Verbände funktioniere. Man überprüfe etwa regelmäßig die Flugschulen. „Außerdem müssen die Flugzeuge zugelassen sein und werden jährlich nachgeprüft“, erklärt eine Sprecherin. Die mit dem TÜV vergleichbaren Untersuchungen der Maschinen würden damit sogar häufiger stattfinden als etwa beim Auto-TÜV. Dazu kommt: „Um die Berechtigung zum Fliegen zu erhalten, müssen die Piloten immer zwölf Mindestflugstunden, eine Übungsstunde mit einem Fluglehrer oder eine Befähigungsüberprüfung in den vergangenen zwei Jahren nachweisen können“, so die Sprecherin.
Kritik kommt dagegen von Bayerns Linken-Chef Ates Gürpinar: „Die hohe Anzahl der Unfälle zeigt, dass eine von Unternehmen und Verbänden unabhängige Kontrollstelle nötig ist.“ Die Verbände seien „ganz offensichtlich nicht in der Lage, diese Aufgabe anständig auszuüben“. Gürpinar schimpft: „Wenn die millionenschweren Piloten sich dieser Gefahr aussetzen, ist es ihre Sache. Die Bürger müssen aber vor Unfällen und Abstürzen geschützt werden.“
Klar ist: Die Bergung der Verunglückten stellt die Feuerwehren und Notärzte mitunter vor schwierige Probleme: 2016 saß ein bei Schwäbisch-Gmünd abgestürzter Pilot eines Leichtfliegers zwölf Stunden eingeklemmt in 20 Metern Höhe in einer Baumkrone fest. Kosten der Rettung: 18 000 Euro.
Sellmeier weiß, wie viel Glück er hatte. „Ich verdanke den beiden Landwirten, die uns rausgeholt haben, mein Leben. Das sind echte Helden.“ Ein Problem: Es gebe bei „derlei kleinen Fliegern keine Überwachung wie bei großen Maschinen“, sagt Sellmeier. „Wer weiß, ob uns jemand rechtzeitig gefunden hätte – mein Handy war aus dem Flieger geschleudert worden.“ Tatsächlich sind längst nicht alle Ultraleichtflugzeuge mit einem Notfallsender für den Katastrophenfall oder einem sogenannten Transponder ausgerüstet. Letzterer soll der Flugsicherung die Position des Fliegers übermitteln.
Sellmeier geht es nach einer Operation besser. Sechs Wochen werde er aber nicht arbeiten können. Für ihn ist dies ein Problem, da er nun seine Kunden nicht bedienen könne. Auch den Internet-Shop könne er nur eingeschränkt betreiben. Er habe Angst, „auf dem Schaden sitzen zu bleiben“.
Vor allem aber sei er dankbar, überlebt zu haben – dank Wink, Feuerwehr und Notärzten. Mit Wink, der sich noch von seinen schweren Verletzungen erholt, hatte Sellmeier bereits Kontakt. Die Landwirte will er nun ebenfalls bald treffen, um Danke zu sagen.
(
Tobias Lill)
Foto (Meisseller): Hatte Todesangst: Vergangene Woche stürzte Robert Sellmeier ab.
Kommentare (1)