Leben in Bayern

Wann hat man zuletzt im Umfeld eines Kirchenmannes solch eine Begeisterung gesehen? Bischof Stefan Oster kommt an. Foto: Tobias Köhler/mediendenk

23.05.2014

"Ich versuche halt irgendwie normal zu bleiben"

Am Samstag weiht Kardinal Reinhard Marx im Passauer Stephansdom Stefan Oster zum Bischof. Die Staatszeitung hat den charismatischen Kirchenmann vorab getroffen

Er war Clown, Journalist und seit fast sieben Jahren in einer festen Beziehung. Doch dann entschied sich Stefan Oster für ein Theologiestudium samt Priesterweihe. Am Samstag nun wird der 48-Jährige zum Bischof von Passau geweiht. Und der Hype um seine Person ist kaum zu bremsen – auch wenn der ihm etwas Unbehagen bereitet. Sogar Bewerbungen von Haushälterinnen sollen sich häufen.

Sein Antrittsbesuch wurde zu einem ausgelassenen Kirchenfest. 2 300 Bürger beklatschten im Passauer Stephansdom den neuen Bischof Stefan Oster. Junge Anhänger aus Benediktbeuern schlugen Gitarren und sangen von „bedingungsloser Liebe, die alles trägt und nie vergeht“. Im Altarraum, der Priestern und Ministranten vorbehalten ist, drängten sich wegen Überfüllung die Menschen. Die siebzehn grauhaarigen Herren vom Domkapitel betrachteten die ungewöhnliche Begeisterung erst skeptisch. Aber dann packte auch sie die Freude und viele klatschten mit.
Wenige Wochen nach diesem Begrüßungsspektakel trifft die BSZ Stefan Oster zum Gespräch. Kein Prunkraum, der Ehrfurcht erweckt. Kein Schreibtisch, der die Gesprächspartner distanziert. Man trifft sich an einer Parkbank im Garten des Priesterseminars, an einer alten Mauer am Rande des Dombergs. „Hier war ich noch nie“, sagt Oster. Der 48-Jährige stellt einen Fuß auf die Bank und genießt den Blick über seine Bischofsstadt, in der gerade der Frühling sprießt. Oster hat jetzt schon in Passau eine große Fangemeinde. Bewerbungen von Haushälterinnen sollen sich häufen. Die Hälfte der Stadträte ist mit ihm auf Facebook verbunden. Er antwortet im Netz jeder Freundschaftsanfrage, und erklärt dazu: „Wenn diese eher vordergründige Verbundenheit über die Medien dem Ziel dient, dass wir Christus und einander näher kommen, dann danken wir auch dafür dem Herrn.“
Geboren wurde Stefan Oster 1965 in Amberg in der Oberpfalz. Vater Offizier, Mutter Hausfrau. Er hat eine zwei Jahre ältere Schwester. Im Alter von 30 vollzog sich in seinem Leben eine radikale Wende. Der ausgebildete Zeitungs- und Hörfunkredakteur kehrte der Medienwelt den Rücken und trat ins Kloster ein. Nach Priesterweihe und Theologiestudium hatte er seine Professur in der Tasche. Und am Samstag nun der vorläufige Höhepunkt: Oster wird zum Bischof von Passau geweiht.
Plötzlich steht er nun auch im Fokus der Medien – vor allem die Boulevardpresse interessierte sich für den jungen Kirchenmann. „Für mich war die schwierigste Zeit, als ich vier, sechs Wochen lang durch die Medien gegeistert bin und mich nicht äußern konnte“, sagt Oster dazu. „Ich wusste zwar, dass die Hintergründe nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, aber manchmal geschehen Indiskretionen ja auch, um einen möglichen Kandidaten zu verbrennen.
Diese Sorge war unbegründet. Mit Passau hat es geklappt. Eineinhalb Jahre zuvor war er schon mal für Regensburg im Gespräch. Ein kleiner Schock war die Nachricht, dass er nun tatsächlich zum Bischof berufen werden sollte, aber dennoch: „Es hat mir zunächst Mal den Magen umgedreht“, sagte er kürzlich dazu. Warum? „Es gibt eine Vielzahl von Gründen. Ich bin Seelsorger für viele junge Menschen, Seelsorger in den Pfarreien. Ich habe das sehr, sehr gerne gemacht und sehe darin meine Aufgabe. Ich bin kein Mann des Apparates, meine Führungserfahrung ist relativ begrenzt“, gesteht Oster. „Jetzt stehe ich plötzlich einer Diözese vor mit 10 000 kirchlichen Mitarbeitern, einem Domkapitel und allem, was dazugehört. Wenn ich ehrlich bin, mich haben Kirchenpolitik und Hierarchie nie so besonders interessiert.“ Und dann lacht er und fügt an: „Bischof war nicht mein Berufsziel.“

„Ich weiß ja noch nicht, wie Bischofsein geht“


Aber der neue Bischof kommt unglaublich gut an: Bei seinem ersten Auftritt in Passau war die Stimmung euphorisch. Glaubt er, diese Begeisterung aufrechterhalten zu können? „Wissen Sie, ich habe keine Strategie für so etwas“, sagt Oster. „Ich bin einfach wie ich bin, und versuche halt irgendwie normal zu bleiben.“ Und er hofft auch auf Hilfe von außen. Oster: „Ich weiß ja noch gar nicht, wie Bischofsein geht.“
„Die Begegnung mit Christus“ begann für Oster zunächst eher im Kopf. Zuerst sei es darum gegangen, bestimmte Erfahrungen vom Evangelium her verstehen und deuten zu lernen. Über die „Kopfmühle“ sei sein Herz erreicht erreicht worden, sagt Oster. „Und mein Leben hat sich dramatisch verändert.“ Und auch das seiner Lebensgefährtin. Seit fast sieben Jahren war Oster damals in einer festen Beziehung. „Sie wusste schon länger, dass ich mir ziemlich radikale Fragen stelle und nicht damit aufhöre, bevor ich weiß, was wahr ist. Wir waren ein Journalistenpaar“, sagt Oster dazu. Und: „Wenn man so lange zusammen ist, ist eine Trennung immer sehr schwierig, mühselig, schmerzhaft.“ Mehr möchte er dazu nicht sagen.
Im Mittelpunkt zu sein – das kennt Oster übrigens bereits. Als Clown und Jongleur stand er schon auf der Bühne. „Das wird  auch ein wenig überbewertet“, relativiert Oster. Tatsächlich aber hatte er gewisse Ambitionen. „Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich nicht davon leben könnte“, erzählt er. Aber das sei lange her.
Passau kennt Oster schon ein wenig. Bereits als junger Reporter beim Straubinger Tagblatt ist er in der Gegend herumgekommen. „Freunde von mir haben hier studiert und eine wilde WG gehabt“, berichtet Oster. Und im Kloster Mariahilf hat er im Jahr 2007 Peter Seewald, Papstschreiber und ehemaliger Herausgeber der Passauer Kleinen Zeitung, getraut.
 Hinter dem umstrittenen Zölibat übrigens steht der junge Bischof fest. „Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Mensch dieser Gesellschaft, der überzeugt ist: Bindungen sind eh schlecht, keiner ist zur Treue mehr fähig und Kinder wollen Sie auch nicht“, sagt Oster. „Jetzt trifft Sie der Schlag, denn Sie lernen die Frau ihres Lebens kennen. Viele ihrer elementaren Überzeugungen werden über den Haufen geworfen. Sie denken sich: In einer Ehe mit ihr zu leben, Kinder mit ihr zu haben, das ist vielleicht doch nicht so verkehrt.“ Bei der Begegnung mit Christus sei es ähnlich. „Sie hat wirklich ein Veränderungspotenzial, wir fangen dann an, anders über Menschsein, Wirklichkeit und damit auch über menschliches Zusammenleben und Sexualität zu denken.“ Man müsse zuerst von der Begegnung mit Christus als lebendige, umstürzender Erfahrung ausgehen und nicht zuerst von den moralischen Vorschriften, betont Oster.
Etwas aber will er sich nicht nehmen lassen: Oster liebt Pizza und Theater. „Ich hoffe, dass ich das auch künftig noch machen kann.  Wenn ich locker Zeit habe, werde ich freilich in eine Pizzeria gehen“, so Oster. Und fügt dann lachend hinzu: „Aber wenn mich auf den Weg dorthin am Domplatz 30 Leute aufhalten, dann ist das schlecht, denn dann kommt man nie zum Essen.“
(Hubert Jakob Denk) (Foto: Stefan Oster lacht gern und viel – auch während des BSZ-Gesprächs; Tobias Köhler/mediendenk)


Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist eine Barzahlungsobergrenze von 10.000 Euro sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.