Leben in Bayern

06.09.2019

Kampf gegen Armut und Kinderehen

Seit 20 Jahren setzt sich ein Würzburger Ärzteehepaar für das Dorf Dow-Bodié im westafrikanischen Guinea ein

Viele Guineer leben in bitterer Armut. Laut AuswärtigemAmt zählt Guinea zu den ärmsten Ländern dieser Welt. Dank Monika und Aloys Böske aber haben immerhin die Bewohner eines kleinen Dorfs eine gute Perspektive, einen Beruf zu erlernen und gesund zu bleiben. Und das ist selten: Das Ehepaar ist heute noch mit derselben Leidenschaft bei der Sache wie im Jahr 1999.

Wie in Krankenhäusern Guineas gearbeitet wird, kann man sich in Deutschland kaum vorstellen. In puncto Hygiene gehe es dort einfach schockierend zu, sagt Monika Böske. Die Würzburger Kinderärztin war entsetzt, als sie in eine guineische Klinik blicken durfte. Und so gilt als bestes Krankenhaus des Landes nun das Gesundheitszentrum, für das sie sich mit ihrem Mann Aloys Böske im Verein „Schulprojekt Ecole de la Solidarité Dow-Bodié“ engagiert. Obwohl das eigentlich gar keine echte Klinik ist.

Über die Frage, wie man Armut beseitigen kann, ist schon viel Tinte verspritzt worden. Die einen versuchen, möglichst viel Geld einzuwerben, um dem Kapitalmangel in armen Regionen abzuhelfen. Andere plädieren für Hilfe zur Selbsthilfe. Monika und Aloys Böske helfen jenseits angelesener Konzepte kontinuierlich und ganz konkret. Und das seit genau 20 Jahren. Anfangs wollte sich das Ehepaar dafür einsetzen, dass in dem Dorf ihres Freundes Yango Keita, eben in Dow-Bodié, eine Schule entsteht. Doch dann sahen sie, dass es dort an allen Ecken und Enden brennt. Aus dem Schulprojekt wurde schnell eine umfangreiche Initiative zur Dorfentwicklung mit immer mehr Facetten.

Dass sich die anfängliche Begeisterung für ein Projekt nicht allmählich verliert, ist selten. Viele private Initiativen sterben über kurz oder lang. Doch die Böskes sind heute noch mit derselben Leidenschaft bei der Sache wie im Jahr 1999. Obwohl der Einsatz anstrengend ist. Denn er erschöpft sich längst nicht darin, dass der Verein Gelder einsammelt. „Wer bei uns Mitglied werden möchte, muss einmal im Jahr zum Arbeiten nach Dow-Bodié gehen“, erklärt Monika Böske. Dazu sind aktuell 44 Männer und Frauen bereit. Viele kommen aus dem Bildungs- oder Gesundheitsbereich. Sie reisen freiwillig nach Guinea, um kranke Dorfbewohner zu operieren oder in der Schule zu unterrichten.
Und die Menschen aus und um Dow-Bodié revanchieren sich mit Geschenken. Ihre Dankbarkeit, sagt Monika Böske, sei berührend. Einmal behandelte das Helferteam einen an Malaria erkrankten Schüler: „Seine Mutter legte danach sieben Kilometer zu Fuß durch den Busch zurück, um uns als Dankeschön Bananen zu bringen.“

Herauszufinden, wo es jemandem wehtut, ist nicht immer einfach, schildert die Kinderärztin. Zwar beherrscht sie nach 20 Jahren ein wenig die Sprache der Einheimischen. Dennoch müssen oft Dolmetscher eingeschaltet werden. Doch auch jenseits der sprachlichen Schwierigkeiten unterscheiden sich Anamnesen gravierend von dem, wie sie Ärzte in Deutschland gewohnt sind. „Eine neue Erfahrung war für uns anfangs zum Beispiel, dass viele Kinder ihr Alter nicht wussten, geschweige denn ihren Geburtstag, das mussten wir einfach schätzen“, erzählt Böske.

Bevor die Böskes kamen, lernten die Mädchen im Dorf weder Lesen noch Schreiben

Dass die Böskes vor 20 Jahren erstmals ihre Reisetasche packten und nach Guinea flogen, ist einem Zufall zu verdanken. In ihrer Heimatstadt Würzburg lernten sie den damaligen Chemiestudenten Yango Keita und dessen Frau kennen. Man traf sich immer wieder. Irgendwann wurde das Ehepaar neugierig auf das Dorf, aus dem Yango Keita stammt. Was sie dann vor Ort sahen, machte einen tiefen Eindruck auf sie. Mit einer derartigen Not waren die beiden noch nie zuvor so hautnah konfrontiert worden. Das Ehepaar beschloss, für eine bessere Zukunft der Dorfbewohner zu kämpfen. Vor allem für die Mädchen, die damals kaum Zugang zu Bildung hatten. Die Frauen, schildert das Ehepaar, litten darunter, dass sie nicht lesen und schreiben konnten. Und wünschten sich für ihre Töchter eine Schule.

Bereits im Februar 2000, nur zehn Monate nach der Gründung des Vereins, konnte mit dem Bau einer dreiklassigen Schule begonnen werden. An Weihnachten 2002 wurde die Schulerweiterung anlässlich eines Besuchs der Böskes gefeiert. Inzwischen gibt es zwei Schulgebäude.

Die Einsätze vor Ort finden meist im ersten Quartal des Jahres statt. Manchmal machen sich auch zwei Teams kurz hintereinander in dieser Zeit auf den Weg. Die letzte Arbeitsgruppe reiste Mitte Januar 2019 nach Dow-Bodié. Da warteten bereits etliche Patienten darauf, operiert zu werden. Mehr, als machbar war. Die Ärztinnen und Ärzte wählten nach Dringlichkeit aus, schildert Monika Böske den Einsatz, an dem sie selbst teilnahm. „Wobei Patienten, die schon im Jahr zuvor vergeblich gewartet hatten, einen Bonus bekamen.“

Durch die primitiven Zustände in dem Dorf lassen sich die Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland nicht abschrecken. Sie haben sich daran gewöhnt, zu improvisieren, wissen, dass in Guinea nicht alles nach Plan läuft. So fiel heuer das Beatmungsgerät aus, was den Operationsplan erheblich durcheinanderwirbelte. Böske: „Schilddrüsenoperationen konnten danach nicht mehr durchgeführt werden.“ Obwohl manche der Patienten mit Schilddrüsenproblemen von weither angereist waren in der Hoffnung auf Hilfe. Insgesamt aber konnten immerhin 45 Menschen operiert werden. Meist handelte es sich laut Monika Böske um Befunde „riesigen Ausmaßes“.

Den Menschen im Dorf geht es weit besser als den meisten im Rest des Landes

Wer heute in Dow-Bodié groß wird, hat eine gute Perspektive, zu Bildung zu kommen, einen Beruf zu lernen und gesund zu bleiben. In Dow-Bodié geht es den Menschen wesentlich besser als in den meisten anderen Gemeinden Guineas. Das ist dem ausdauernden Engagement der Böskes und ihrer Mitstreiter zu verdanken. „Wir sind die einzige Organisation, die über 20 Jahre hinweg kontinuierlich in Guinea im Einsatz ist“, sagt Monika Böske. Der Erfolg des Projekts ist aber auch nicht zuletzt der engen Kooperation mit den Partnern vor Ort zu verdanken. Djiwo Diallo, Witwe des 2018 verstorbenen Yango Keita, kümmert sich in Dow-Bodié um die einzelnen Projekte.

Letztlich, wissen die Böskes, können sie nur einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass es den Menschen in Guinea besser geht. Viele Guineer leben weiterhin in bitterer Armut. Laut dem Auswärtigen Amt zählt Guinea zu den ärmsten Ländern dieser Welt. Und das, obwohl der Staat eine Vielzahl an natürlichen Ressourcen besitzt. Zum Beispiel findet sich dort das größte Bauxitvorkommen der Welt, außerdem reiche Vorkommen an Eisenerz, Nickel, Gold und Diamanten.

Der Armut zu entrinnen, ist schwer, nicht zuletzt, weil Bildung viel kostet. So betragen die Studienkosten in Guinea fast das Dreifache des durchschnittlichen Einkommens. Durch ihre Vereinsarbeit versuchen die Böskes, an die Öffentlichkeit zu bringen, dass es zumindest punktuell möglich ist, Not zu lindern. Unglaublich viel haben die beiden seit 1999 erreicht – nicht nur im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Auch beim Bau eines Brunnens halfen sie zum Beispiel mit. Und sie kümmerten sich um die Energieversorgung, indem sie ein Stromaggregat nach Guinea schickten. Immer wieder senden sie auch Container mit Behandlungseinheiten, Kleidern, gebrauchten Fahrrädern sowie Mobiliar für die Schule und das Gesundheitszentrum nach Dow-Bodié.

Und auch für bestimmte Themen macht sich der Verein in Dow-Bodié immer wieder stark. Heuer zum Beispiel wurde eine Schüler-Eltern-Lehrerversammlung im Dorf dazu genutzt, das Thema „Frühverheiratung“ anzusprechen. „Es war aufgefallen, dass die Zahl der Schülerinnen in der 5. und 6. Klasse drastisch zurückgegangen war“, schildert Monika Böske. Die Eltern hörten, wie schlecht das für ihre Töchter sei. Und der Appell scheint gewirkt zu haben. Sie versprachen am Ende der Versammlung, die Mädchen in Zukunft erst nach dem Schul- oder Ausbildungsabschluss zu verheiraten.
(Pat Christ)

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