Leben in Bayern

Seit 18. März muss sich ein Landwirt vor dem Amtsgericht Rosenheim verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Tiertötung und quälerische Tiermisshandlung vor. Bei dem Foto handelt es sich um ein Symbolbild. (Foto: dpa/Marcus Brandt)

22.04.2024

Landwirt nach Tod von 33 Rindern vor Gericht

Abgemagert, krank, in den eigenen Exkrementen stehend – so fanden Veterinäre Dutzende Rinder auf dem Hof eines Bauern im Chiemgau. 33 Tiere starben. Nun wird das Urteil gegen den Landwirt erwartet

Bis zu 30 Zentimeter hoch stand die Gülle in dem Stall, darin lagen tote Kühe. Die noch lebenden Tiere waren teils ausgezehrt, von Parasiten befallen und mit Exkrementen beschmiert. Seit 18. März muss sich deswegen ein Landwirt vor dem Amtsgericht Rosenheim verantworten, die Staatsanwaltschaft wirft ihm Tiertötung und quälerische Tiermisshandlung vor. Am 25. April werden die Plädoyers und das Urteil erwartet. 

33 Kühe überlebten die mangelnde Versorgung nicht, sie starben laut Staatsanwaltschaft. Dutzende weitere waren verwahrlost und unzureichend ernährt. 89 wurden laut Anklage weitere erhebliche Leiden zugefügt.

Der Bauer hatte vor Gericht über seine Pflichtverteidiger ein Geständnis abgelegt und sich für seine Taten entschuldigt, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Dem 49-Jährigen sei alles über den Kopf gewachsen, berichteten die Anwälte. Die Folgen einer Corona-Erkrankung, die pflegebedürftige Mutter und der Hof bei Rimsting im Landkreis Rosenheim, den er allein bewirtschaften musste - der Bauer versank, so jedenfalls argumentierten seine Anwälte, in Depression.

Mehrfach vor Gericht

Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Mehrfach standen Landwirte aus verschiedenen Teilen Deutschlands wegen Vernachlässigung ihrer Tiere vor Gericht, und mehrfach waren Überforderung und psychische Probleme ein Grund.  Dennoch, so betont der Bayerische Bauernverband (BBV), handele es sich um Einzelfälle. 

"Die Tierhalterinnen und Tierhalter gehen grundsätzlich höchst verantwortungsvoll mit den ihnen anvertrauten Tieren um und kümmern sich 365 Tage im Jahr um sie", sagte BBV-Sprecher Markus Drexler. Die Gründe für Überforderung von Menschen seien vielschichtig. "Dabei verstärkt die in vielen Bauernfamilien inzwischen extrem hohe Arbeitsbelastung die Gefahr, dass bei außergewöhnlichen Ereignissen wie zum Beispiel Krankheits-, Pflege- oder Todesfall in der Familie dann die Aufgaben nicht mehr zu bewältigen sind." 

Der Fokus müsse verstärkt auf Prävention liegen. Der Bauernverband biete Beratung und Hilfe. Es gehe darum, dass sich Betroffene frühzeitig und ohne falsche Scham Unterstützung holten, bevor es zur Überforderung mit Folgen für Tiere, aber auch Menschen und Familien komme. "Diese Ansätze erachten wir als weitaus sinnvoller als mit noch mehr Regeln oder Kontrollen alle Tierhalter zu belasten und sie unter Generalverdacht zu stellen", sagte Drexler.

Großeinsatz im Mai 2023

Im Rimstinger Fall hatten Veterinäre des Landratsamts mehrfach den Hof kontrolliert. Im Jahr 2021 stellten sie tierseuchen-, lebensmittel- und tierschutzrechtliche Verstöße in der Tierhaltung fest. Unter anderem kam es zu einem Rückstau im Mistkanal, der zu einem Aufstau von Gülle im Laufgang führte. Die Mängel behob der Bauer laut Anklagebehörde trotz Aufforderung durch das Landratsamt nur teilweise.

Im Mai 2023 entdeckte dann ein Polizist, der wegen einer anderen Sache den Hof aufsuchte, ein totes Tier im Stall. Es folgte Medien zufolge ein Großeinsatz von Polizei, Veterinären, Freiwilliger Feuerwehr und Technischem Hilfswerk. 
Die dabei entdeckten Kadaver von 33 Tieren waren teils schon so stark verwest, dass laut Anklage nur noch Umrisse erkannt werden konnten. Bei einigen Kadavern sei der blanke Schädel freigelegt gewesen.

"Die Tiere wiesen unterschiedliche Verwesungszustände auf, wurden teilweise vollständig von der Gülle verdeckt, lagen übereinander und wiesen Spuren von Rattenfraß auf", erläuterte Oberstaatsanwalt Rainer Vietze damals. Die noch lebenden Tiere wurden in einen Notstall gebracht, von wo aus sie weitervermittelt werden sollten. 

Im Raum steht, ob der Landwirt aufgrund seiner psychischen Situation vermindert schuldfähig ist. Ein psychiatrischer Sachverständiger sollte voraussichtlich am Donnerstag vor den Plädoyers noch sein Gutachten erstatten. Der Bauer, der nicht vorbestraft ist, könnte eine Haftstrafe mit oder ohne Bewährung bekommen. Zudem dürfte gegen ihn ein langjähriges Tierhalteverbot verhängt werden.

Schlimme Zustände

Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Fälle von vernachlässigten Tieren auf Bauernhöfen bekannt, auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Nicht zuletzt im Allgäu hatten die Behörden mehrfach katastrophale Zustände vorgefunden. 

In einem Fall bekam ein Landwirt 2022 vor dem Landgericht Memmingen eine Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und ein Tierhaltungsverbot von fünf Jahren, sein Vater kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Die beiden hatten kranke Tiere nicht von gesunden getrennt und keinen Tierarzt gerufen. Einige Tiere mussten notgeschlachtet werden. 

2021 verurteilte das Landgericht Kempten drei Landwirte wegen Tierschutz-Verstößen in mehr als hundert Einzelfällen zu Bewährungsstrafen. In den betroffenen Betrieben hatten Kontrolleure überfüllte Ställe, abgemagerte Rinder und in Kot liegende Tiere gefunden.

In Mittelfranken gingen rund 160 vernachlässigte Rinder qualvoll zugrunde. Der Landwirt bekam eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und ein lebenslanges Tierhaltungsverbot. Weil er einem Gutachter zufolge an einer Depression litt, war er zu dem Zeitpunkt vermindert schuldfähig. (Sabine Dobel, dpa)

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