Leben in Bayern

Marga Beckstein (rechts) und Barbara Regitz mit ihrer Schafkopffibel: Sie wollen die Tradition retten, denn sie fürchten: "Was früher bald jedes Kind von Freunden lernte, was in vielen Familien, in vielen Gasthäusern gespielt wurde, gerät allmählich in Vergessenheit." (Foto: Tucher Brauerei)

19.06.2015

"Man nimmt den Alten nicht nur ins Bett"

Immer mehr Frauen erobern Bayerns Kartelrunden – auch dank Marga Beckstein und Barbara Regitz, die eine kleine Schafkopffibel für die Handtasche geschrieben haben

In vielen Gaststätten heißt es heute: Schafkopfen verboten! Die ehemalige Ministerpräsidenten-Gattin Beckstein und die Nürnberger Stadträtin Regitz sorgen sich um die Tradition. Sie haben deshalb mit Tucher-Chef Fred Höfler die Initiative „schafkopffreundliche Gastronomie“ ins Leben gerufen. Und veranstalten Schafkopf-Kurse für Anfängerinnen, bei denen auch Männer willkommen sind. Was haben Politik und Schafkopfen gemeinsam? „Bei beidem geht es darum, mit möglichst vielen Trümpfen Stiche zu machen“, sagt die Nürnberger CSU-Stadträtin Barbara Regitz und lacht. Das ist aber nicht die einzige Parallele. Das bayerische Traditions-Kartenspiel gilt nach wie vor als Männerdomäne. Doch ebenso wie in der Politik erobern sich auch dort immer mehr Frauen einen Platz am Tisch. Und den Respekt der dort versammelten Mannsbilder.

„Denn es ist schon so, dass man sich beim Schafkopfen erst einmal Respekt verschaffen muss“, meint Regitz. Gerade Frauen hätten oft Angst, nicht ernst genommen zu werden. Und auch die mitunter derben Sprüche am Kartentisch schreckten manche Dame ab. „Schafkopfisch“ hat seine nicht ganz so feinen Eigenheiten. Die Alte und die Hundsgfickte sind zum Beispiel Namen für Eichel- und Schelln-Ass. Ein beliebter Spruch in Regitz’ Runde: „Nimmst wieder den Alten bloß ins Bett, spiel ihn halt aus“. Der Alte ist der Eichel-Ober und in der Regel die höchste Karte im Spiel.

Männer können oder wollen nicht einfach erklären

Berührungsängste abbauen und so mehr Mitspielerinnen gewinnen, ist ein Ziel von Regitz. Deshalb gibt sie Schafkopf-Lehrstunden für Anfängerinnen – gemeinsam mit Bayerns ehemaliger First Lady Marga Beckstein. Mit ihr kartelt Regitz seit Jahren gemeinsam. „So oft haben wir Frauen jammern gehört, dass ihre Männer sie nicht mitspielen lassen“, sagt Beckstein der Staatszeitung. „Und wenn doch, können oder wollen Männer das Spiel nicht einfach erklären.“ Anschaulich erklären – das kann Marga Beckstein, schließlich war sie mal Lehrerin. Und auch Barbara Regitz hat mittlerweile einige Erfahrung in Sachen Schafkopf-Unterweisung. „Anfangs haben wir vor allem Frauen in die Geheimnisse des Schafkopfens eingeweiht“, sagt Regitz, die auch Vorsitzende der Frauenunion Nürnberg-Fürth-Schwabach ist. „Inzwischen kommen aber auch immer mehr Männer.“ Und auch ihnen bringen die beiden Profis Beckstein und Regitz  die Regeln des bayerischen Kultspiels gerne bei. „Für die Raffinessen aber reicht ein Abend nicht aus“, betont Beckstein.

Seit Kurzem gibt es von den beiden Damen sogar eine Trainingshilfe für Zuhause und unterwegs, die in „jede Handtasche passt“, wie Regitz betont. „Meine kleine Schafkopffibel“ heißt sie. Liebevoll gestaltet ist „die kleine Fibel für Damen“ und „handlich, praktisch, unentbehrlich“, schreiben Regitz und Beckstein im Vorwort. Das sehen anscheinend auch viele Schafkopffreunde so. Denn das Büchlein, aufgelegt von der Nürnberger Traditionsbrauerei Tucher, die Damen zur Zusammenarbeit gewinnen konnten, ist schon vergriffen. „Das ging blitzartig“, berichtet Beckstein, die sich wundert, dass nicht nur Neulinge die Fibel wollten. Denn für blutige Anfängerinnen sei sie schließlich gedacht. Erklärt wird darin zum Beispiel, wie ein Schafkopfblatt aussieht, welchen Wert eine Karte hat und welche Spiele es gibt. Einige wenige strategische Überlegungen aber finden sich auch.

Beim Schafkopfen wird es halt schon mal laut

Nun soll die Schafkopf-Fibel neu aufgelegt werden, verspricht Tucher-Chef Fred Höfler. Schließlich ist sie ein Teil seiner Initiative „Schafkopffreundliche Gastronomie“, mit der „das Kultspiel auch bei den Wirten wieder Trumpf werden soll“. Höfler, Regitz und Beckstein sorgen sich nämlich um die Tradition. Auch weil es in immer mehr Wirtshäusern Bayerns heißt: Schafkopfen verboten! „Das wurde irgendwie Mode – selbst in der Sportgastronomie“, klagt der Brauereichef. Ein Grund: Zum Schafkopfen gehört es  dazu, das Spiel Revue passieren zu lassen. „Und da wird es halt schon mal lauter, wenn darüber gestritten wird, wer Recht hat“, erklärt Höfler. Er will die Wirte vom Wert des Traditionsspiels überzeugen. „Schafkopfen ist ein Kulturgut und ein Teil unserer Lebensart, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde“, betont Höfler. Jeder Wirt, der das ähnlich sieht, kann ein Schild bei der Brauerei bestellen – auf dem der Schriftzug „Schafkopffreundliche Gastronomie“ alle Schafkopf-Freunde Willkommen heißt. Kostenpunkt: 80 Euro. Denn auch Gaststätten, die nicht Tucher ausschenken, können das Schild verwenden, Werbung findet sich nicht darauf.

Über 40 Gaststätten machen bereits mit

„Über 40 Gaststätten machen bereits mit“, freut sich Höfler. „Und viele haben festgestellt: Die Aktion bringt mehr Leben in die Gastronomie.“ Mittags zum Beispiel, wenn die Wirtshäuser verstärkt mit Bäckereien, Imbissbuden und Tankstellen um Kundschaft im Wettbewerb stehen. „Jetzt finden sich Rentner zum Schafkopfen ein, die sich zuvor gar nicht mehr haben fragen trauen, ob sie die Karten auspacken dürften.“

Für Höfler gehört Schafkopfen einfach zum Leben dazu, auch zum gesellschaftlichen: „Man trifft sich dabei regelmäßig mit dem Bürgermeister, Pfarrer und anderen Bürgern“, erklärt er. Und be- spricht dabei auch die wichtigsten Dinge. „Neudeutsch würde man das heute Jour Fixe nennen.“ Und noch einen Vorteil des Spiels betont der Brauereichef: „Es verbindet die Menschen über alle Schichten hinweg.“
Allerdings: Die Schafkopfer werden immer älter, stellt Höfler fest. „Wir haben früher nach der Schule extra einen Zug später genommen, um am Bahnhof noch eine Runde spielen zu können“, erzählt er. Dass zu Regitz und Beckstein auch junge Schafkopf-Neugierige kommen, freut ihn deshalb besonders. „Da ist alles dabei – von 18 bis 80 Jahren“, sagt Regitz. „Aber wer stellt sich denn nun bei den Schafkopf-Kursen  besser an: Die Damen oder die Herren? „Die Damen stehen den Herren jedenfalls in nichts nach“, sagt Regitz. „Denn auch wenn es der Trumpf heißt, heißt es immer noch die Karte!“
(Angelika Kahl)

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