Leben in Bayern

Der Passauer Bischof Stefan Oster spricht sich dafür aus, kirchliche Hochzeiten häufiger durch einfache Segensfeiern zu ersetzen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

13.03.2017

"Traditionalisten beschimpfen mich als Verräter"

Er ist relativ jung, hat Charisma und tummelt sich in den sozialen Medien. Das unterscheidet Stefan Oster von anderen katholischen Oberhirten. Bisher galt der Bischof als ziemlich konservativ

Der Passauer Bischof Stefan Oster hat sich dafür ausgesprochen, kirchliche Hochzeiten häufiger durch einfache Segensfeiern zu ersetzen. "In diese Richtung sollten wir denken", sagt Oster. Denn vielen Brautpaaren sei nicht klar, was eine sakramentale Trauung bedeute. Die katholische Ehevorbereitung müsse deutlich besser werden. Frage: Bischof Oster, am Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Stört es Sie, dass in Niederbayern dann immer ein politisches Volksfest mit viel Bier gefeiert wird?
Oster: Das stört mich eigentlich nicht. Das ist eine Tradition, die sich hier eingespielt hat. Ich muss natürlich auch die Zivilgesellschaft und ihre Traditionen ernst nehmen. Aber dass CSU und CDU sich selbst fragen dürfen, was das C für eine Bedeutung hat, dafür trete ich schon ein. Da ist auch Vertiefungsbewusstsein nötig - übrigens auch für uns als Christinnen und Christen in der Kirche. Wenn das allgemeine gläubige Bewusstsein sich verdünnt, dann meint man bisweilen, man wäre schon Christ, wenn man ganz nett ist. Frage: Machen Sie sich Sorgen, dass die christliche Prägung Deutschlands auch durch den Zuzug muslimischer Flüchtlinge abnimmt?
Oster: Ich sehe es eher als Herausforderung: Wenn wir als Christen in unserer eigenen Identität klar und tief wären, dann hätten wir keine Angst vor den Fremden. Christen waren in ihrer Geschichte immer auch Fremde. Jesus war ein Flüchtlingskind; Maria und Josef mit ihm waren Heimatvertriebene. Christliche Identität betont nicht Nationalität. Was nicht heißen soll, dass wir nicht unser Land lieben und nicht - im guten Sinn verstanden - Patrioten sein dürfen. Aber wir sind's dann auch im guten Sinn, wenn wir Menschen aufnehmen und ihnen helfen können. Frage: Laut Studien gibt es unter Kirchenmitgliedern einen genauso hohen Anteil an Fremdenfeindlichkeit wie in der Gesamtbevölkerung. Woran liegt das?
Antwort: Wer sind denn die Kirchenmitglieder? Wir erleben ja, dass fast 90 Prozent der Katholiken nicht mehr zum Gottesdienst kommen. Wir haben einen regelmäßigen Kirchenbesuch von etwa elf Prozent. Das Evangelium erreicht also nicht alle automatisch, nur weil sie einen Taufschein haben. Und dann ist es so, dass wir alle Kinder dieser Zeit und dieser Gesellschaft sind. Mit einer Erosion des gläubigen Lebens insgesamt passen sich Christen auch dieser Gesellschaft an. Frage: Nicht nur Donald Trump, sondern auch manche Politiker in Deutschland werfen Medien eine verfälschende Berichterstattung vor. Sie, Herr Bischof, haben mal bei einer Zeitung volontiert und eine Morgensendung im Privatradio moderiert. Wie beurteilen Sie den Vorwurf der Lügenpresse?
Antwort: Ich sehe auch in der Berichterstattung über uns als Kirche von Passau oder mich persönlich, dass es tatsächlich einen Trend gibt: Medien sind unter Druck und suchen deswegen bisweilen eher Emotionalisierung als Information. Ich mag keine generelle Medienschelte - dafür kenne ich zu viele Kollegen, dafür war ich selbst in dem Geschäft und ich komme auch mit vielen gut aus. Aber unter dem Druck des Verkaufen-Müssens, der Schnelligkeit und der Polarisierungstendenzen neigt man, glaube ich, schon dazu, stärker zu emotionalisieren als früher.

"Lieber segnen statt trauen"

Frage: Im Netz wird mit Hasskommentaren sehr stark emotionalisiert. Gibt es so etwas auch innerhalb der Kirche? Verroht auch dort die Sprache?
Oster: Ich weiß, dass es das gibt, bin auch hin und wieder betroffen, aber habe jetzt nicht das Gefühl, dass es in der Kirche tendenziell mehr wäre, sondern eher weniger. Aber ich kriege jetzt auch zum Teil Briefe oder Kommentare, wo ich von besonders Traditionellen als Verräter beschimpft werde. Frage: Wegen Ihrer Umsetzung des Papstschreibens "Amoris Laetitia", das wiederverheirateten Geschiedenen in Einzelfällen den Zugang zur Kommunion ermöglicht?
Oster: Ich glaube, ich war der erste Bischof in Deutschland, der dazu eine praktische Handreichung gemacht hat. Das ist von mehreren Seiten kritisiert worden, weil es einerseits sehr verbindlich ist im Blick auf die bisherige Lehre, andererseits aber im Sinn des Papstes wirklich Möglichkeiten für den Einzelnen sondieren will. Diese Differenzierung wird nur schwer wahrgenommen. Ich bin auch von anderer Seite heftig kritisiert worden, weil ich gesagt habe, die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene wird eine Ausnahme bleiben. Frage: Inzwischen haben alle katholischen Bischöfe in Deutschland diese Tür geöffnet. Kommt es jetzt zu einer uneinheitlichen Praxis, weil manche Seelsorger großzügiger damit umgehen als andere?
Oster: Vermutlich gibt es vor Ort ohnehin schon länger eine unterschiedliche Praxis - was gegen den Wunsch des Papstes ist: Es darf keine schnelle Ausnahme geben und nicht der Eindruck entstehen, die Kirche halte sich nicht an die Weisungen Jesu. Frage: Der Kirche fällt es schwer zu vermitteln, was der tiefere Sinn des Ganzen ist.
Oster: Ja, die Eucharistie ist so etwas wie die große Hochzeits- und Versöhnungsfeier Christi mit seiner Braut, der Kirche und den Menschen in ihr. In dieses Mysterium hineingestellt ist jede christliche Ehe von zwei Getauften. Wenn ich so etwas sage, dann schauen die Leute ganz überrascht, weil sie es nicht gewusst haben. Würden wir heute unsere eigene Sakramententheologie streng auslegen, dann gäbe es ganz viele, die nicht zur Kommunion gehen könnten. Frage: Zum Beispiel?
Oster: Die Kirche sagt ja zum Beispiel von ihrer Lehre her: Versäumnis der Sonntagspflicht ist etwas Schwerwiegendes - also erst einmal beichten, bevor du zur Kommunion gehst. Ähnlich ist es mit jeder Form von Sexualität außerhalb der Ehe. Frage: Wenn eine katholische Trauung etwas bedeutet, was viele Brautpaare gar nicht verstehen, sollte die Kirche dann nicht viel häufiger stattdessen nur eine Segensfeier anbieten?
Oster: Ja, in diese Richtung sollten wir denken. Die Ehevorbereitung ist eigentlich ein Schwachpunkt. Da müssen wir besser und intensiver werden. Das Problem ist: Unser Kirchenrecht sagt uns: Jeder Getaufte hat ein Recht auf das Sakrament. Daher ist es nicht leicht, eine Art einheitlichen Standard von verpflichtender Ehevorbereitung zu finden. Andererseits können wir den Menschen oft nicht klarmachen, dass Ehevorbereitung richtig wichtig ist. Wir bereiten jedes Kommunionkind und jedes Firmkind monatelang auf das Sakrament vor - und bei der Ehevorbereitung genügt's im Grunde, wenn man einmal mit dem Pfarrer spricht und hofft, dass er dabei nicht zu viele peinliche Fragen stellt.

"Wir haben Geld - und wir tun auch etwas mit dem Geld"

Frage: Werden Sie das im Bistum Passau jetzt ändern?
Oster: Wir sind dran. Aber das ist im immer noch bestehenden volkskirchlichen Katholizismus ein richtig dickes Brett. Wenn jemand zum Pfarrer kommt und sagt: "Wir heiraten jetzt", und der Pfarrer sagt: "So oft habe ich Euch hier noch nicht gesehen - wollen wir nicht eine Segensfeier machen?", dann kommt die Antwort: "Sind wir minderwertige Christen?". Solange die selbstverständliche Praxis die kirchliche Heirat in Weiß mit dem Sakrament ist, solange ist es richtig schwierig zu sagen: "Jetzt machen wir mal eine schöne Segensfeier, und wenn sich die Beziehung zwei, drei Jahre christlich vertieft hat, dann kommt Ihr nochmals." Frage: Das Erzbistum München und Freising hat im vergangenen Jahr sein Vermögen offengelegt und kam auf über sechs Milliarden Euro. Wie sieht es im Bistum Passau aus?
Oster: Wir sind inzwischen HGB-konform für die wichtigsten Rechtsträger im Bistum, das heißt den Bischöflichen Stuhl, die Diözese, die Emeritenanstalt und das Domkapitel. Die Jahresabschlüsse 2015 haben wir im Sommer veröffentlicht und werden das künftig jährlich tun. Das Eigenkapital und das zweckgebundene Vermögen dieser Rechtsträger belaufen sich auf circa 715 Millionen Euro. Die Grundstücke und Immobilien wurden HGB-konform bewertet. Frage: Ist das ein Widerspruch zur Forderung des Papstes nach einer armen Kirche für die Armen?
Oster: Mir ist schon ganz wichtig, dass wir möglichst transparent sind. Wir haben Geld - und wir tun auch etwas mit dem Geld: Seelsorge, Unterhalt von Kirchen, Schulen, Caritas und anderes. Es geht kaum eine Kirche weltweit so sehr an die Ränder wie wir mit unseren Caritaseinrichtungen für behinderte Menschen, für Alte, Kranke, Menschen in Not. Unser Problem ist eher, dass die Wahrnehmung, dass das Kirche ist, nicht mehr so groß ist. Die Mitarbeiter machen gute, professionelle Sozialarbeit, aber ein intensives Zeugnis des Glaubens ist damit nicht immer automatisch verbunden. Frage: Vieles von dieser Arbeit der Caritas wird vom Staat voll gegenfinanziert.
Oster: Voll nicht, wir geben immer dazu. Und manche Dienste wie Ehe-, Familien- und Lebensberatung und Telefonseelsorge finanzieren wir voll oder zum allergrößten Teil. Wir sprechen immer vom diakonischen Dienst oder vom Liebesdienst. Aber ist uns überhaupt noch bewusst, dass der Glaube zu einer Liebe befähigt, die tiefer ist und weiter geht als das, was wir durchschnittlich für Liebe halten? Frage: Inwiefern?
Oster: Die Mutter Teresa war eine große Beterin - und die konnte eben deshalb richtig weit rausgehen, jedem die Würmer aus der Nase ziehen, den Hintern abwischen, ihn verbinden, ihn umarmen. Warum konnte sie das? Weil sie mit Christus verbunden gelebt hat. Das ist das Herz unseres Zeugnisses. (Interview: Bernward Loheide, dpa)

ZUR PERSON:
Stefan Oster (51) ist seit 2014 Bischof des katholischen Bistums Passau. Zuvor war er Dogmatikprofessor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Salesianer in Benediktbeuern. Oster stammt aus Amberg in der Oberpfalz. Er ist Vorsitzender der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz.

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