Leben in Bayern

Ob schwul oder hetero: Der Bierdurst auf der Wiesn eint. (Foto: dpa)

18.09.2017

Übers Ziel hinaus

Leben und leben lassen. Das Münchner Motto für Toleranz. Ausgerechnet auf dem Oktoberfest hat nun eine Wiesn-Warnung für Schwule eine Debatte ausgelöst

Auf dem Oktoberfest feiern sie einträchtig zusammen: unterschiedliche Hautfarben und Nationalitäten, Junge und Alte, Schwule und Heteros. Beim Bierkonsum fallen Schranken - die Münchner sind stolz auf ihre Wiesn, die Menschen vieler Völker im Bierzelt eint.

Ausgerechnet für die Wiesn, wo Etikette im Bierdunst der Zelte wenig zählt, warnt nun eine Internetseite Schwule: Sie sollten sich lieber etwas zurücknehmen. "Nicht jeder Besucher des Oktoberfests ist so tolerant, dass er sich über schwule Männerpaare freuen kann", mahnt "oktoberfestportal.de", das neben den offiziellen Seiten der Stadt wie eine Reihe anderer Portale regelmäßig Tipps zum Oktoberfest gibt - und auch eine Seite "rosawiesn.de" mit Terminen bestückt. Nun wird darüber heiß debattiert, mehrere Medien berichten darüber.

Grüne schreiben besorgten Brief an OB Reiter

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck und die Münchner Grünen-Chefin Gudrun Lux wandten sich in einem besorgten Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Es könne nicht sein, dass Schwule und Lesben das größte deutsche Volksfest nicht gefahrlos besuchen können. "Auf der Wiesn darf kein Platz sein für Homosexuellenfeindlichkeit."

Wie die Macher der Seite zu ihrer Warnung kamen, dazu wollten sie sich auf Anfrage nicht äußern. Sie rieten aber, die schwulen und lesbischen Besucher sollten "Augen und Ohren offen halten, ob Ihr für Gesprächsstoff sorgt. Das Bierzelt ist jedenfalls nicht der richtige Ort, um den Menschen Begriffe wie "Toleranz" und "Gleichberechtigung" zu erklären."

Thomas Niederbühl, schwuler Münchner Stadtrat von der Rosa Liste, sieht die Sache entspannt. "Ein typisches Beispiel für mich für: gut gemeint und voll daneben", sagt er. "Sie meinten, sie tun uns etwas Gutes, wenn sie uns zu Zurückhaltung auffordern. Das ist aber Quatsch." Schließlich wollten sich Schwule nicht verstecken. Und die Wiesn sei keineswegs für besondere Schwulenfeindlichkeit bekannt. "Ich kenne wenig Vorfälle auf der Wiesn, die als homophob zu bezeichnen wären."

Der Schwulen-Sonntag: Aus einem Missverständnis entstanden

Am ersten Wiesn-Wochenende hatten Schwule, Lesben und Transgender ausgelassen wie eh und je gefeiert, offensichtlich unbehelligt. Rund 7000 Menschen kamen laut Wirt Georg Heide zum traditionellen Gay-Sonntag in die Bräurosl. Die Gäste, die zu dem schwulen Event aus ganz Europa anreisen, sind gerne gesehen: Sie seien angenehme Gäste und gäben großzügig Trinkgeld, sagte Heide.

Oberbürgermeister Reiter kam selbst vorbei und dirigierte die Kapelle für ein Ständchen; er setzt damit eine Tradition seines Vorgängers Christian Ude fort. "Das Markenzeichen der Stadt München ist es, tolerant, bunt und weltoffen zu sein", sagte Reiter.

Der Schwulen-Sonntag war aus einem Missverständnis entstanden: In den 1980er Jahren hatte sich laut Heide der "Münchner Löwen Club" angemeldet - wobei der Wirt bei dem Namen an einen Fußballverein dachte. Erst danach wurde klar, dass es nicht um rundes Leder ging. Das sei aber auch recht gewesen, sagt Heide. Inzwischen gibt es ein weiteres großes schwul-lesbisches Treffen in der Fischer-Vroni.

Gelegentlich sah man in früheren Jahren eine Drag-Queen über das Volksfest stöckeln, dieses Jahr waren auf dem Festgelände zumindest eine Handvoll Männer im Dirndl unterwegs. Welchen Hintergrund das Outfit auch immer hatte - von Übergriffen oder Beleidigungen wurde nichts bekannt. Den Beamten der Wiesnwache jedenfalls wurde kein Vorfall gemeldet. Auch in den Vorjahren spielte das Thema - anders als Taschendiebstähle und Maßkrugschlägereien - polizeilich keine hervorgehobene Rolle.

Die Macher von "oktoberfestportal.de" konstatieren immerhin, der - auch sonst ungebrochene - Trend zur Tracht mache "vor den schwulen Jungs" nicht halt. Um traditionelles Brauchtum und Schwule hatte es vor Jahren eine Debatte gegeben: Es ging um die "Schwuhplattler", eine schwule Schuhplattlergruppe, die bei Traditionsverbänden eher kritisch gesehen wurde. Inzwischen sind die "Schwuhplattler" eine eigene Größe, vor einigen Jahren bekamen sie die Medaille "München leuchtet".
(Sabine Dobel, dpa)

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