Es ist nicht die erste Wahl, bei der sich die Republikanische und die Demokratische Partei ein denkbar enges Rennen ums Weiße Haus liefern. Sicher aber ist sie eine der folgenreichsten Wahlen. Am 5. November wählen die Amerikaner*innen entweder Donald Trump, eine schillernde Persönlichkeit, aber eben auch einen verurteilten Straftäter, oder Kamala Harris, eine ehemalige Staatsanwältin, die in ihrem Amt als Vizepräsidentin unter Präsident Joe Biden aber arg blass geblieben ist.
Als Mason Powers (42) seinen Gästen an diesem Abend im House im Regensburger Norden Burger und Spareribs serviert, wird es emotional. „Natürlich habe ich schon gewählt“, sagt er auf die Frage von Cliff Stuehmer und Geoffrey Bonosevich von den Democrats abroad.
Die Democrats abroad sind der offizielle Arm der Demokraten im Ausland, also eine Parteiorganisation. Democrats abroad hat 48 Landesorganisationen, verteilt über Europa, Amerika, den Nahen Osten, Afrika und Asien. Natürlich hat auch die republikanische Partei eine Auslandsvertretung, eigentlich sogar zwei: Die Republicans abroad haben allerdings an Bedeutung verloren, die meisten Untergruppen sind längst zu den Republicans overseas übergetreten, die mehrheitlich dem Trump-Lager zuzurechnen sind und auch weltweit für Stimmen für ihren Kandidaten werben.
Im Ausland wählt man eher demokratisch
Aber zurück zu Mason Powers. Seinen Fehler von 2016 wollte er auf keinen Fall wiederholen, erklärt er im Beach House. „Damals habe ich die Lage total falsch eingeschätzt.“ Eigentlich sei er kein politischer Mensch, sagt der ehemalige Militärangehörige aus Arizona. Aber eines ist ihm wichtig. „Ich will Trump verhindern.“ Irgendein Landsmann habe ihm erzählt, die Absentee Ballots, also die Stimmen der Auslandsamerikaner*innen, würden nur gezählt, wenn das Ergebnis knapp ausfällt. Aber auch wenn das amerikanische Wahlsystem nicht ganz einfach ist und es für jeden Bundesstaat eigene Regeln gibt, wäre das völlige Willkür und ist natürlich kompletter Blödsinn. Davon lässt er sich schnell überzeugen und ist stolz, dass er seine Stimme schon abgegeben hat.
Jede Stimme zählt. Das ist längst mehr als eine Floskel. Sollte Kamala Harris am 6. Januar als neue Präsidentin der USA in ihr Amt eingeführt werden, hätte sie das ganz wesentlich auch den Stimmen der amerikanischen Bevölkerung im Ausland zu verdanken. 2020 waren es die 44 000 Auslandsstimmen aus Arizona, Georgia und Wisconsin, die Joe Biden ins Weiße Haus brachten.
Und ehrenamtliche Wahlhelfer wie Cliff und Geoffrey und ihre gut zwei Dutzend Helfer*innen von den Democrats Abroad in Bayern gehören zu denjenigen, die für den Erfolg von Kamala Harris die Kärrnerarbeit machen. Seit Monaten gehen sie ehrenamtlich auf Stimmenfang. Helfen Wähler*innen bei der Registrierung, telefonieren über das eigens entwickelte Telefon-Banking-Tool den eigenen Parteimitgliedern hinterher, vermitteln an Fachleute und geben noch mal einen „letzten Motivationsschubs“.
Cliff und seine Frau Sarah Mulloy – sie ist die Koordinatorin für „Get out the vote“ für Europa, Mittelosten und Nordafrika –, Geoffrey und die Dutzenden ehrenamtlichen Democrats abroad in Bayern setzen auf digitale Präsenz und Infostände. So wie bei „Vote from abroad“. Die Veranstaltung war überparteilich. „Wir wollen, dass die Leute wählen, egal, für wen. Wir wissen aber, dass die meisten für die Demokraten stimmen, wenn sie nur wüssten, wie und wo, wie die Zeitschiene ist und was das spezifische Regelwerk in ihrem Bundesstaat vorschreibt“, sagt Cliff selbstbewusst.
Ein selbstentwickeltes System vereinfacht das Wählen insgesamt. Über das Onlineportal vote from abroad.org kommt man in 7 Minuten zum Wahlantrag. Dort werden die Wählenden Schritt für Schritt in fünf Fragen durch das Antragsprozedere geführt. Wenn jemand zum Beispiel Michigan eingibt, weiß das System genau, welche Besonderheiten vorliegen und stimmt die Fragestellung darauf ab.
In den 1980er-Jahren wurde gesetzlich festgelegt: Allen Auslandsamerikaner*innen steht ein Mindestmaß an Wahlunterstützung zu. Inzwischen können auch alle aus dem Ausland ihre Wahlunterlagen online beantragen. Dennoch gibt es große Unterschiede, etwa bei den Fristen, wann die Wahlunterlagen zurück sein und in welcher Form sie vorliegen müssen. Cliff wischt einige Mal über das Smartphone. Oregon zum Beispiel: Dort konnte die Registrierung per E-Mail, Fax oder Upload bis 15. Oktober vorgenommen werden, liest er vor. Für den Bundesstaat Maryland, in dem Geoffrey wählt, kann man die Registrierung nur postalisch abgeben.
Spezielle Falttechnik für New York
Richtig kompliziert wird es im Staat New York: „Meine deutsche Frau amüsiert das“, sagt Geoffrey. „Wie kann es sein, dass ich dort ein Origami, die japanische Kunst des Papierfaltens, abliefern muss?“, scherzte sie. Wer in New York Wert darauf legt, dass seine Stimme gezählt wird, tut tatsächlich gut daran, sich das Erklärvideo zum richtigen Falten der Unterlagen anzuschauen. Der Goldstandard sei Colorado, darin sind sich alle einig. Nirgendwo kann man seine Stimme unkomplizierter abgeben. Oregon, California und Washington State ermöglichen seit 20 Jahren die Briefwahl. „Bis Trump hat das keinen Republikaner gestört“, sagt Geoffrey. „Im Gegenteil“, sagt er.
Die Auslandsamerikaner*innen sind eine entscheidende Kraft. Das wissen auch die Demokraten, erklärt Pegi Jones, Pressesprecherin der Democrats Abroad Germany, am Telefon. In diesem Jahr gab es deshalb erstmals einen größeren Geldbetrag und strategische Unterstützung von der Partei, zusätzlich zu den üblichen Spenden „Das hat erheblich geholfen, sagt Pegi, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und seit ihrem 18. Lebensjahr regelmäßig wählt. „Wir konnten viel offensiver Werbung machen.“
40 000 US-Bürger*innen sind in Bayern alleine in den Streitkräften zu Hause. Laut Zensus 20220 lebten in Bayern 26 441 Amerikaner mit ausschließlich amerikanischer Staatsbürgerschaft. Die US-Bürger*innen mit Doppelstaatsbürgerschaft sind dort nicht eingerechnet. „Das ist eine echte Herausforderung für uns“, sagt Cliff. Der Datenschutz mache ihnen die Arbeit nicht leicht. „Weil wir nicht genau wissen, wie viele wir erreichen können.“ Ein Grund, weshalb sie neben Telefonieren und Beraten auch mal 6 Stunden am Tag in der Regensburger Innenstadt an einem Infostand auf Stimmenfang gehen.
Lob auch vom politischen Gegner
Für ihre „Get-out-the-vote“ -Kampagne ernteten die Democrats abroad sogar Lob vom politischen Gegner. „Ich finde gut, was ihr macht, auch wenn ich nicht euren Kandidaten wähle, gesteht ein Landsmann Cliff am Stand. Die Republicans Overseas halten sich in Deutschland deutlich zurück in diesem Wahlkampf. Kein Wunder: Die GOP, die „Grand Old Party“, hat sich in eine schwierige Lage gebracht. Nicht jeder Konservative unterstützt Trump. Mehr als 100 Republikaner*innen in den USA haben offen Kamala Harris und Tim Walz unterstützt. Das spürt man auch diesseits des Atlantiks. (Flora Jädicke)
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