Leben in Bayern

Schüler haben in der Uni Erlangen-Nürnberg ein eigenes Labor. (Foto: Uni Erlangen-Nürnberg)

09.06.2017

Wissenschaftler zum Mieten

Nach dem Motto „Rent a Scientist“ vermittelt eine Online-Plattform Wissenschaftler aus München und Erlangen-Nürnberg kostenlos für den Unterricht an Schulen

Von wegen Elfenbeinturm: Andreas Brachmann ist nicht nur Genetiker am Biozentrum der Uni München, der Wissenschaftler lässt sich auch ehrenamtlich für andere Orte anmieten: Egal ob für Berufsinformationsabende an Gymnasien, Beratungsgespräche mit Ausstellungsführern des Museums „Mensch und Natur“, die KinderUni oder für das „Studium Generale“ an der Volkshochschule – ein halbes Dutzend Einsätze hat Brachmann schon hinter sich.

Begonnen hat alles mit einem Molekularbiologie-Symposium an einer Schule, wo er in Kontakt mit „Science meets School“ kam. „Weil ich wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit für eine gute Sache halte, habe ich offiziell mitgemacht und war schwuppdiwupp auf deren Webseite“, erinnert sich Brachmann. Mittlerweile sind in München elf und in Erlangen-Nürnberg sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausleihbar.

Das Ziel des Projekts ist, Schüler mehr für Biologie und Chemie zu begeistern. „Denn letztlich sind sie die Wissenschaftler von morgen“, sagt Ulrike Kaltenhauser, Geschäftsführerin der Forschungsnetzwerke BioSysNet, BayGene und FORPLANTA. Lehrkräfte erhalten auf der Webseite die Möglichkeit, Kontakt mit Forscherinnen und Forschern aufzunehmen, die im Vorfeld eine Zusammenfassung der Lehrpläne in Biologie und Chemie bekommen. Die Verankerung der W- und P-Fächer sieht vor, Kontakt zu und Kooperationsbereitschaft von Wissenschaftlern zu finden. In Ausnahmefällen gehen die mietbaren Wissenschaftler auch in siebte Klassen, erzählt Kaltenhauser. „Wenn ein Lehrer zum Beispiel einen Hochbegabten hat, machen wir das auch gerne als eine Art Zuckerl.“

Die Idee zu dem Projekt kam von den Wissenschaftlern selbst. Bei einem Netzwerktreffen haben einige Professoren vorgeschlagen, ihre Expertise als Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit an Schulen einzubringen. Neben den Buchungen durch die Schulen gibt es in Kooperation mit verschiedenen Firmen immer wieder auch Projekttage auf dem Campus. An einem Germeringer Gymnasium wurde beispielsweise ein Tag komplett freigeräumt, um für die elfte und zwölfte Klasse solch einen Projekttag zu veranstalten. Doch obwohl alle Aktionen kostenlos sind und das Kultusministerium regelmäßig die Schulen auf die Möglichkeiten hinweist, sind die mietbaren Wissenschaftler zumindest in München nicht voll ausgelastet. An der Universität Erlangen-Nürnberg hingegen gibt es sogar ein von drei Arbeitsgruppen getragenes Schülerlabor. Projektchefin Kaltenhauser will Lehrerinnen und Lehrer nun noch stärker auf „Science meets School“ aufmerksam machen.

Noch mehr Interesse von den Schulen ist erwünscht

Auch die ebenfalls mietbare Professorin Lena Daumann vom Department Chemie der Uni München wirbt für das Projekt. „Ich halte es für sehr wertvoll, wenn Wissenschaftler aktuelle Inhalte direkt in den Schulen vermitteln und Lehrer beim Unterricht unterstützen“, betont sie. Während ihrer Postdoc-Zeit an der University of California in Berkeley habe sie gemerkt, dass gerade öffentliche Schulen in den USA oft kein Budget für ansprechende Versuche haben. „Der Austausch mit Wissenschaftlern und ‚Hands-on’-Experimente, die mit Schulmitteln oft nicht möglich sind, lassen den Funken überspringen“, sagt sie und lacht.

Auch Andreas G. Ladurner, Professor für physiologische Chemie in München, will junge Menschen über die wissenschaftliche Arbeitsweise in einem Labor informieren – und vor allem bei ihnen Begeisterung für die Forschung wecken. „Es ist sicherlich eine Umstellung, für die Schule und nicht für den Universitäts-Kontext einen Vortrag zu halten“, räumt Biochemiker Philipp Korber von der Fakultät für Medizin ein. Dadurch sei man aber gezwungen, umzudenken, nicht aus dem laufenden Betrieb heraus zu argumentieren und darzulegen, auf welchen experimentellen Ergebnissen welche Aussage beruht.

Obwohl Marion Cremer bereits im Ruhestand ist, gehört sie seit diesem Jahr ebenfalls zum „Science meets School“-Team. „Ich habe bei früheren Veranstaltungen erlebt, mit welcher Begeisterung und Intensität gerade auch Kinder sich auf naturwissenschaftliche Fragen und Experimente einlassen können“, begründet die Fachärztin für Humangenetik ihr ehrenamtliches Engagement.

Wie gut die mietbaren Wissenschaftler an den Schulen ankommen, zeigt ein Blick ins Gästebuch der Webseite. „Unsere Schülerinnen und Schüler erhielten praktischen Zugang zum Arbeiten in der Genetik, wie es an der Schule nicht möglich ist“, schreibt Lehrer Daniel Frank. Und Christiane Thelen erklärt: Schüler konnten gar den ‚Täter’ mittels genetischem Fingerabdruck überführen.

In einem Fall war „Science meets School“ sogar die Rettung für einen Teilnehmer der Biologie-Olympiade des Bundesbildungsministeriums im letzten Jahr. Das Einladungsschreiben enthielt eine Liste mit Fähigkeiten, die der Schüler für die Klausuren mitbringen sollte. „Für einige der Arbeitstechniken waren wir, wie sicher die meisten Gymnasien, schlichtweg nicht ausgerüstet“, schreibt Katharina Hunger-Bertling. „Mehrere Mitarbeiter des Instituts haben sich dann viel Zeit genommen, meinen Schüler mit allen geforderten Methoden vertraut zu machen.“ (David Lohmann)

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