Leben in Bayern

Wilma Beringer hat einige Fragen an Herbert Schmidt (stehend) und Peter Wisshofer, ehrenamtlicher Leiter des Internetcafés. (Foto: Pat Christ)

25.10.2019

Würzburger Senioren erobern das Internet

Noch immer trauen sich viele ältere Menschen nicht an den Computer ran – ein Projekt in Franken will ihnen die Angst vorm Netz nehmen

Ob für Onlinebanking, den Einkauf oder Behördengänge – gerade für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, könnte das Internet eine große Hilfe sein. Doch viele haben Scheu vor der Computerwelt. Der Würzburger Herbert Schmidt, selbst schon 82 Jahre alt, macht Senioren fit im Umgang mit dem Rechner. Und in seinem Internetcafé von und für Senioren zeigt sich: Sich auf Neues einzulassen, ist keine Frage des Alters.

Das sei jetzt bereits der vierte Computer, den sie besitzt, erzählt Wilma Beringer. Den ersten hinterließ die Tochter: „Sie heiratete und zog weg, dann stand der Computer bei uns.“ Das ist 15 Jahre her. Beringer, damals um die 60, wurde neugierig. Sie wollte lernen, was man mit so einem Ding alles machen kann: „So kam ich das erste Mal ins Würzburger Internetcafé von und für Senioren“, erzählt die gelernte Hauswirtschafterin.

Das Internet gehört längst zum Alltag. Zumindest zu dem der jüngeren Generation. „Denn viele ältere Menschen sind noch immer ablehnend“, bedauert Herbert Schmidt. Der 82-Jährige selbst ist ein glühender Internet-Fan, auch deshalb hat er im Jahr 2000 das Internetcafé von und für Senioren gegründet. Dass derzeit so viel über Fake News und Trolle geredet wird, nervt ihn. „98 Prozent des Internets sind positiv“, betont der Ingenieur. Gerade für Senioren. Je älter ein Mensch wird, umso positiver und hilfreicher könne das Netz für ihn sein, glaubt Schmidt. Denn auch Senioren, die kaum noch laufen können, können dank dem Computer Bankgeschäfte tätigen oder einkaufen.

„Was schreibe ich in den Betreff der E-Mail? Brief?“

Wilma Beringer hat die Chancen erkannt, die das Internet bietet. Für sie sind Dinge wie Onlinebanking heute selbstverständlich. Leicht war es allerdings nicht, zu lernen, wie man sich in der Internetwelt bewegt. Auch heute tauchen immer wieder Fragen auf, wenn sie vor dem Computer sitzt. Dann schnappt sie sich den Laptop, ein Weihnachtsgeschenk ihres Mannes, und begibt sich ins Internetcafé.

An diesem Tag will sie wissen: „Wie mache ich es, dass mein Drucker ein Bild scannt?“ Peter Wisshofer, ehrenamtlicher Leiter der Einrichtung, zeigt ihr, wo sie klicken muss, um die Scannerfunktion ihres multifunktionalen Druckers zu aktivieren.

Senioren müssten nicht tatenlos zusehen, wie die Virtualität ihre Welt immer stärker verändert. Jeder geistig fitte Senior kann in wenigen Wochen die Basics des Internets erlernen, ist Wisshofer überzeugt. Genau dafür ist das Internetcafé da. „Es dauert oft höchstens drei Wochen, und ein bis dahin völlig unbeleckter älterer Mensch ist imstande, eine Mail zu schreiben und sie wegzuschicken.“ Mails lesen, Anhänge öffnen und sie auf der Festplatte sichern, alles ist in kürzester Zeit kein Problem mehr, sagt Wisshofer.

Wisshofer zeigt neuen Café-Besuchern am Anfang gerne, dass die Welt heute tatsächlich ein globales Dorf ist. „Ich frage ihn, wo er zuletzt im Urlaub war“, erklärt er. War der Senior auf Mallorca, gibt er den Begriff in die Suchmaschine ein. Und der Gast sieht sich unwillkürlich zurückversetzt in die schönen Ferientage. „Sogar das Hotel, in dem er war, kann er sehen, das finden die Senioren ganz fantastisch“, so Wisshofer.

Das Team des Internetcafés widerlegt die Hypothese, man könne mit 80 plus nichts völlig Neues mehr erlernen. „Das ist nur eine Frage des Wollens“, sagt Herbert Schmidt. Selbst mit Einschränkungen ist das möglich, beweist eine 79-jährige Dame, die seit Kurzem wegen eines Schlaganfalls im Rollstuhl sitzt. Die schwerbehinderte Seniorin lebt im Würzburger Caritas-Seniorenzentrum St. Thekla, wo das Internetcafé sein Domizil hat. Seit vier Wochen kommt sie an jedem Donnerstagnachmittag, um zu lernen, mit ihrem neuen Tablet umzugehen.

Die ehrenamtlichen Helfer des Internetcafés bringen jene Empathie mit, die es den betagten Damen und Herren ermöglicht, sich langsam in der virtuellen Welt vorzutasten. Alle Helfer sind selbst im Rentenalter. Sie haben Zeit und vor allem Geduld. Enkel haben das in der Regel nicht. Da wird der Oma kurz gezeigt, wo man was anklicken muss. Kapiert die das nicht sofort, sucht der Enkel schnell genervt das Weite, und Oma bleibt ratlos vor ihrem Gerät zurück.

Die Dame im Rollstuhl hat noch keine vertieften Kenntnisse in Sachen Internet. Doch sie will lernen, virtuell mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. „Im Moment bin ich dabei, meine alten Klassenkameradinnen zu kontaktieren, weil ich gerne ein Klassentreffen organisieren würde“, erzählt sie. Von mehreren einstigen Mitschülerinnen hat sie die Mailadresse. Doch wie macht man das, dass ein und dieselbe Mail gleichzeitig an alle rausgeht? Peter Wisshofer zeigt es ihr. „Und was schreibt man als Betreff?“ Na ja, da gibt es keine feste Regel, meint der Einrichtungsleiter. Die Dame nickt: „Gut, dann schreib ich einfach: Brief.“

Das Internetcafé ist nicht die einzige Anlaufstelle für Würzburger Senioren, wollen sie ihre Scheu vor Computern überwinden. Das katholische und das evangelische Bildungshaus sowie die Volkshochschule schlossen sich vor einem Jahr mit dem Internetcafé zum Verbund „WueNet“ zusammen, um noch mehr Senioren das Internet nahebringen zu können. Inzwischen fanden zum Beispiel zwei digitale Stammtische statt. „Dabei sitzen wir zusammen und lernen über Beamer und Leinwand von einem externen Referenten, mit dem wir virtuell verbunden sind“, berichtet Café-Gründer Schmidt.

Die „Internetsenioren“ arbeiten mit ungebrochener Energie daran, Senioren Zugänge zur digitalen Welt zu schaffen. „Ein Riesenerfolg ist für uns, dass wir dank WueNet ein Standort im bundesweiten Projekt ‚Digital-Kompass’ wurden“, sagt Wisshofer. Deutschlandweit soll es 75 Standorte geben. Um die 30 wurden bisher gegründet. Verantwortlich für das Projekt ist die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. Die entwickelte seniorengerechte Materialien, etwa zum Thema WhatsApp. Wisshofer: „Das ist für uns eine unheimliche Erleichterung, erstmals können wir unseren Besuchern etwas mit nach Hause geben.“

Die neue Idee: ein Kurs an der Virtuellen Hochschule

Herbert Schmidt, geschickter Diplomat und Netzwerker, ist, nachdem der „Digital-Kompass“ an Land gezogen ist, bereits an einer neuen Sache dran. Er will einen an Senioren gerichteten Kurs über die Virtuelle Hochschule Bayern anbieten. „Ich stehe deswegen mit den Hochschulen in Würzburg und Regensburg in Kontakt“, sagt er. Sollte alles ideal laufen, könnte das neue Projekt in einem Jahr starten.

Schmidt sieht im Internet nicht zuletzt den Schlüssel zur Lösung von demografischen Problemen. Für ihn geht zum Beispiel kein Weg an eHealth vorbei. Die Möglichkeiten, die aktuell entwickelt werden, um chronisch kranke Senioren zu unterstützen und ihnen mehr Sicherheit im Alltag zu geben, findet er fantastisch. Doch Sinn haben sie nur, wenn sie auch genutzt werden. Im Moment wäre dies weithin noch nicht der Fall, vermutet er. Halbwissen über potenzielle Gefahren im Netz verhindere, dass sich Senioren neugierig einlassen auf das, was via Internet möglich ist.

Die Dame im Rollstuhl jedenfalls hat sich gerade eine Menge Arbeit gespart mit der Rundmail an ihre einstigen Klassenkameradinnen. Um die 20 Telefonate hätte sie sonst führen müssen. Soeben ist sie mit der Mail fertig. Eine volle Stunde hat es gedauert, aber die Dame ist sicher, dass sie bald Routine gewinnen wird. Jetzt aber ist sie erst einmal gespannt, was ihre ehemaligen Klassenkameradinnen antworten. Ob auch sie Lust auf ein Treffen haben? Und wie wird es sein, alle nach so langer Zeit wiederzusehen?
(Pat Christ)

Kommentare (1)

  1. schelblitz am 02.11.2019
    Pat Christ greift mit Unterstützung ihrer Interview-Partner eine Fülle von spezifischen Seniorenfeldern auf.
    Dahinter steckt oft eine Angst vor dem Neuen und Unbekannten, das die Sicherheiten des gelebten Lebens ins Wanken bringt. Die Neugier auf die Zukunft gerät dabei ins Hintertreffen. Deshalb gehört das Mut machende Engagement der Helfer dazu, wenn es darum geht, nicht nur notwendige und praktische Kenntnisse, sondern auch unterhaltsame und Einsamkeit verscheuchende Aktivitäten zu vermitteln.
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