Leben in Bayern

Karl-Heinz Hoffmann mit seinem Anwalt im Gerichtssaal des Nürnberg-Fürther Landgerichts. (Foto: Wraneschitz)

23.02.2017

Zwei Journalisten verklagt

Ehemaliger Wehrsportgruppenführer strengt Zivilverfahren vor dem Nürnberg-Fürther Landgericht an

Gleich zwei Journalisten hat Karl-Heinz Hoffmann, der ehemalige „Chef“ der gleichnamigen Wehrsportgruppe (WSG) vor dem Nürnberger Landgericht verklagt. Die erste Klage gegen den Hamburger NDR- Mitarbeiter Patrick Gensing wurde heute zurückgewiesen. Noch nicht entschieden dagegen das Verfahren gegen den in München lebenden Ulrich Chaussy. Seine Wehrsportgruppe (WSG) wurde am 30. Januar 1980 als verfassungsfeindlich verboten und offiziell aufgelöst. Doch bis heute wird deren einstiger „Chef“ aufgeschreckt. Gerade, wenn Medien über mögliche Zusammenhänge zwischen der WSG und offensichtlich terroristischen Taten aus der Rechten Szene berichten. So hatte Patrick Gensing am 20. April 2016 auf tagesschau.de beschrieben, „Wie die Stasi deutschen Rechtsterroristen half“. In Gensings Text-Beitrag war ein WSG-Foto eingebaut.

NDR-Justiziar kam nach Nürnberg

Zum Prozessauftakt reiste der NDR-Mann aber gar nicht erst an, sondern ließ über den Justiziar des Senders erklären: Gensing sei nur für den Text verantwortlich, nicht für das dazu gesetzte Bild und dessen Untertitel. Ohnehin habe er den gesamten Beitrag vor der Veröffentlichung gar nicht mehr gesehen, geschweige abgenommen. „Das steht auch ausdrücklich im Schriftsatz des Beklagten so drin“, bestätigte Richterin Monika Bieber die Einlassung. Ohnehin stellte sie die „Frage: Wird die WSG überhaupt mit Straftaten in Verbindung gebracht, wenn man den Artikel durchliest?“ Genau das aber wollte Hoffmann pauschal untersagt sehen. „Der Beklagte hat das nicht geäußert“, entgegnete die NDR-Vertretung. Und auch wenn  Hoffmann-Anwalt Alexander Suck weiter dabei blieb: „Der Artikel erweckt Beitrag den Eindruck, mein Mandant wurde Mörder und Terrorist genannt“: Die Landgerichtskammer ging in ihrer heutigen Entscheidung mit dem Autor konform und wies die Klage ab.

Alte Bekannte

Etwas anders erscheint der Fall Hoffmann ./. Chaussy. Der Münchner Journalist hat schon 1985 das Buch „Oktoberfest. Ein Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann.“ veröffentlicht. Bis heute spricht er über diesen mit 13 Getöteten und 211 Verletzten schwersten Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte am 26. September 1980 am Oktoberfest in München sehr engagiert. Genauso wie über den Doppelmord am Erlanger Verlegerpaar Schlomo Lewin und Frida Poeschke am 19. Dezember 1980. So war es auch letzten März anlässlich der Woche der Brüderlichkeit in Erlangen. Dass ein ehemaliges Mitglied der einstigen Hoffmann-Truppe den Levin-Poeschke-Doppelmord begangen hat, daran bestehen kaum Zweifel. Doch dieser Mann ist tot. Der Ex-WSG-Chef wurde im damaligen Mordprozess freigesprochen. Aber in einem Zeitungsbeitrag über den Erlanger Vortrag vom März 2016 stand: Chaussy habe Hoffmann „Drahtzieher“ genannt. Deshalb wehrt sich Hoffmann auch gegen Chaussy mit einer Unterlassungsklage: „Er will künftig nicht mehr im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und Erlanger Doppelmord genannt werden“, erläuterte Nürnbergs Justizpressesprecher Friedrich Weitner. Zudem fordert Hoffmann 10.000 Euro Schmerzensgeld von Chaussy.

Gibt nicht klein bei

Doch auch der gibt nicht klein bei, im Gegenteil. Der Münchner Autor will beweisen: Er hat seinem Vortrag Hoffmann nicht „Drahtzieher des Erlanger Doppelmords“ genannt. Dazu gebe es einerseits das Redemanuskript, das er seinen Auftraggebern ausgehändigt habe. Außerdem habe er kurz vor der Verhandlung von einer Tonaufzeichnung erfahren: Eine Besucherin habe seinen Vortrag damals mitgeschnitten. Zudem gibt es noch ein Telefonprotokoll der Erlanger Polizei. Darin erklärt der Lokalzeitungs-Reporter: Persönliche Zitate setze er immer in Anführungszeichen. Das Wort „Drahtzieher“ dagegen steht in normaler Form, Chaussy habe das also „wahrscheinlich nicht so gesagt“. In der Verhandlung gab Ex-WSG-Chef Hoffmann bekannt: „Wir werden darauf bestehen, dass dieser Journalist als Zeuge vorgeladen wird“, denn der sei laut der Chefredaktion der Erlanger Nachrichten „der sorgfältigste Mitarbeiter überhaupt“. Auch wenn Hoffmann zugeben musste: Das alles habe er über einen Dritten recherchiert. Genauso wie er mit keinem Zuhörer von Chaussys Rede persönlich gesprochen habe.

Richterin gewährt Zeit

Richterin Bieber gestand dem Kläger trotzdem zu: Sein Anwalt darf bis Anfang März auf den jüngsten Schriftsatz von Chaussys Anwalt Peter Hückmann antworten, weil der erst am Vorabend des Prozesses eingegangen ist. Und er darf in Ermittlungsakten Einsicht nehmen: Die hatte nämlich die Staatsanwaltschaft (STA) angelegt, als Hoffmanns Privatklage bei der Justiz eingegangen war. Denn immerhin sind Verleumdung und Co. Straftatbestände, die es von Amts wegen auch strafrechtlich zu verfolgen gilt. Aber zurzeit werde nicht ermittelt: Die STA wolle erst das Ende des Zivilprozesses abwarten, so Justizsprecher Weitner. Dass im NDR-Fall die Klage zurückgewiesen wurde, war bereits im Zuschauerraum zum Prozessauftakt vermutet worden. Wegen des Erlanger Artikels könnte sich Hoffmann dagegen statt auf Chaussy auf jenen Lokalzeitungsreporter stürzen, der über den Vortrag berichtet hat.
(Heinz Wraneschitz)

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